mein Blog widmet sich einem sehr speziellen Thema, das auf den ersten Blick dem ein oder anderen ein wenig befremdlich vorkommt: schwuler und lesbischer Literatur in allen Facetten. Ob nun Fantasy, Krimis, Alltagsdramen, Jugendbücher oder historische Wälzer – ich liebe Bücher in denen die Charaktere nicht der gängigen Norm entsprechen. Nur was fasziniert (gerade weibliche) Leser so sehr an queerer Literatur und Slash? Warum der Wunsch nach Liebesgeschichten und Erotik zwischen zwei Männern, anstatt der üblichen Romantik- und Erotikliteratur zwischen Männlein und Weiblein? Die Frage kann man allgemein nur schwer beantworten, doch ich versuche mich der Thematik mal aus meiner Sicht zu nähern.
Ich habe vor einer Weile im Rahmen einer Blogtour die „Geschichte der Homosexualität in Büchern“ beleuchtet und dort schon deutlich gemacht, dass es eigentlich immer schwule oder lesbische Charaktere gab (auch wenn sie teilweise als Antagonisten eingesetzt oder negativ beschrieben wurden). Dementsprechend gibt es zwar seit gut 20 Jahren verstärkt queere Hauptfiguren in Romanen, doch so wirklich neu sind derartige Figuren nicht. Man findet sie immer wieder in Skandalromanen, die für das Genre wegweisend waren, z.B. „Maurice“, „Mädchen in Uniform“, Rebecca“ oder auch versteckt zwischen den Zeilen, wie bei „Narziß und Goldmund“ oder „Dorian Grey“.
Allerdings haben sich queere Geschichten erst vor einer Weile in nahezu allen gängigen Genres etabliert. Dabei sind die schwulen Männer wesentlich weiter, als die Damen (wenn man das so nennen darf), denn bei den lesbischen Romanen handelt es sich vorwiegend um Krimis, realistische Alltagsdramen oder romantische Liebesgeschichten, während schwule Helden überall anzutreffen sind: Fantasy-Fans werden ebenso fündig, wie Liebhaber von Sci-Fi, Thriller, Horror und Krimi. Es gibt romantische und erotische Geschichten, Bücher mit Happy-End oder ohne, mehrteilige Reihe, Novellen, Kurzromane und Anthologien. Insgesamt muss man sagen, dass es wesentlich mehr Gay als Lesbian Romane gibt, denn gerade das Gay Romance Genre boomt, was dafür sorgt, dass viele Romane (gerade im Selfpublishing-Bereich) auf den hartumkämpften Markt drängen.
Ich gehe an dieser Stelle soweit die queeren Bücher in 3 Kategorien einzuteilen, denn für mich sind die Zielgruppen ausschlaggebend für den Inhalt und die Charaktere eines Romans.
Kategorie 1: queere Liebesgeschichten für Frauen
Was fasziniert gerade weibliche Autoren und Leser so sehr an schwulen Charakteren (ganz gleich welche sexuelle Identität man hat), das man lieber zu solchen Büchern greift bzw. schreibt, als sich auf die handelsüblichen Liebesschmonzetten zu konzentrieren? Für einige ist die Liebe zwischen zwei Männern wahrhafter (der Spruch „Wahre Liebe gibt es nur unter Männern“ wird sehr oft angeführt), gleichzeitig dramatischer, schwieriger, gefährlicher und wesentlich spannender, als das, was man normalerweise (auch daheim) erlebt. Man hat quasi zwei Männer (zum Schmachten) zum Preis von einem, keine nervige weibliche Heldin, die entweder gerettet werden muss, zu stark und fordernd ist, und bei der Leserin Konkurrenzgefühle auslöst. Dass gerade im Gay Romance die Männer keine echten Männer sind (sondern oftmals Frauen mit einem Schw… zwischen den Beinen, wenn es um ihre Reaktionen geht), ist irrelevant, denn für die Leserinnen mögen die dramatischen, mehr oder weniger realistischen Liebesgeschichten im Zentrum. Natürlich gehören ab einem gewissen Zeitpunkt auch Erotikszenen dazu, die durchaus auch größere Teile eines Romans ausmachen können. In dem Zusammenhang sind Yaoi und Boys Love Fans nicht anders – auch bei Mangas sind derartige Geschichten und Figuren eher auf weibliche Leser zugeschnitten.
Diese Leser sind zu 90% auch diejenigen, die mit Vorliebe Figuren slashen, sprich Charaktere aus bekannten Filmen, TV-Serien und Büchern nehmen und nach Lust und Laune zusammenschmeißen. Manchmal sind durchaus entsprechende Andeutungen vorhanden, die Fans nur aufgreifen müssen (z.B. Kent/Chandler aus „Whitecepeal“ oder auch Holmes/Watson aus „Sherlock Holmes“), aber es gibt auch genügend Serien und Bücher, wo man auch ohne irgendwelcher Hinweise seiner Fantasie freien Lauf lässt (z.B. Harry/Draco aus „Harry Potter“ oder Sam/Dean aus „Supernatural“). Das ist eine Fanbase, die man entweder mag oder nicht – interessant ist mitunter, wie die Autoren, Regisseure und Schauspieler auf die Thematik reagieren. In diesem Punkt möchte ich nur kurz auf „Supernatural“ hinweisen, die das Thema Slashfiction sehr witzig und geschickt eingebaut haben:
Dean: There’s Sam Girls and Dean Girls and…what’s a slash fan?
Sam: As in Sam slash Dean, together.
Dean: Like together, together? They do know we are brothers, right?
Sam: Doesn’t seem to matter.
Dean: Well, that’s just sick!
Supernatural – 4.18: The Monster at the End of This Book
Kategorie 2: Romane mit queeren Helden und Heldinnen (für männliche und weibliche Leser)
Natürlich gibt es nicht nur Liebesgeschichten, sondern auch eine Menge schwuler Romane, die sich nicht mit Beziehungskisten aufhalten, sondern hauptsächlich eine andere Geschichte erzählen – die Krimis von Laurent Bach oder Josh Lanyon, in denen die Kriminalfälle im Mittelpunkt stehen, die „Nightrunner“- Reihe von Lynn Flewelling, in denen es um die fantastischen Abenteuer der Diebe und Spione Seregil und Alec geht oder historische Werke, wie die „Brüder“-Reihe von Jan Gillou, in denen das Thema nur am Rande aufgegriffen wird. Hier werden die Charaktere wesentlich realistischer dargestellt, man nimmt ihnen den Mann einfach eher ab. Auch stehen die Beziehungskisten und Liebesgeschichten selten im Zentrum – zwar hat der Charakter mitunter mit seiner Homosexualität zu kämpfen, aber es geht nicht nur um die Frage „Wer kriegt wen?“
In meinen Augen sind solche Romane sowohl für ein weibliches, als auch für ein männliches Publikum interessant, besonders wenn man Wert auf gute Unterhaltung legt, anstatt den üblichen Liebesgeschichten.
Kategorie 3: (Hardcore-) Erotik für Männer
Rein für Männer konzipiert, sind für mich die schwulen Erotikromane, in denen es wesentlich direkter und unverblümter zur Sache geht. Dazu gehören einige Hardcorereihen des Bruno Gmünder Verlags oder auch von Himmelsstürmer, bei dem die Titel bereits anzeigen, dass weder Liebe und Romantik, noch die Geschichte oder die Charaktere im Mittelpunkt stehen. Im japanischen Mangabereich sind das die Bara – Comics, in denen männliche, stark behaarte Männer eine Hauptrolle spielen, zumeist in erotischem Sinne. Da geht es mitunter sehr heftig zu Sache, was wohl vorwiegend für schwule Männer interessant sein dürfte und einen Großteil der weiblichen Leser verschrecken würde.
Natürlich sei damit nicht gesagt, dass sich keine männlichen Leser im Gay Romance Genre tummeln, oder keine Frau zu den Hardcore-Romanen von Gmünder greift, während bei „Nightrunner“ oder den genannten Krimis wahrscheinlich weibliche und männliche Leser zugreifen – jeder darf lesen, was ihm gefällt und es gibt eine Menge schwuler Männer, die trotzdem gerne Gay Romance lesen (und schreiben). Dennoch sind die Romane auf eine Zielgruppe ausgerichtet und allein vom Inhalt her und den Figuren entsprechend festgelegt.
Was genau die Faszination von queeren Geschichten und Slash Fiction ausmacht, kann man dennoch nicht zu 100% erklären – entweder man mag es, oder man mag es nicht. Ich empfehle jedem selbst einen Blick zu riskieren, um abschätzen zu können, ob man mit dem Thema Gay oder Lesbian Romance etwas anfangen kann. Allerdings sollte man einen guten Roman, der in die „2. Kategorie“ fällt nicht automatisch verdammen oder ignorieren, nur weil der Held oder die Heldin homosexuell ist – mitunter verpasst man da ein wirklich gutes Buch, das man nicht nur daran bewerten sollte.
Liebe Grüße,
Juliane
Hallo Juliane,
du wirfst u.a. die Frage auf, weshalb es mehr Gay- als Lesben-Romane gibt. M.E. ist der Grund, dass schwule Romane, wenn es nicht gerade um Hardcore geht, vor allem von Frauen geschrieben werden, die meistens hetero sind. Kennst du Lesben-Romane von männlichen Autoren? Bei Fantasy- und historischen Romanen spielen die Männer meistens auch eine größere Rolle, einfach, weil es eine Männerwelt ist. Zwar versuchen viele Fantasybücher mit starken Heldinnen aufzutrumpfen, aber die sind dann komischerweise doch alle hetero.
Ich muss allerdings zugeben, dass ich in diesen Genres (also lesbische Romane, weibliche Heldinnen) nicht zu Hause bin, du kennst dich da als Bücherfan und Bloggerin weit besser aus. Deshalb kann es natürlich sein, dass mir vieles entgangen ist und entgeht. Andererseits vielleicht wieder doch nicht, sonst würdest du ja nicht die gleichen Erfahrungen gemacht haben, wie aus deinem Artikel hervorgeht.
Vielleicht interessiert dich mein Motiv? Kurz und knapp: In meinen Romanen bin ich grundsätzlich der Mann, aber als sexuelles Wesen eine Frau, die Männer mag. Konflikt? Ja, aber gelöst, indem ich über schwule Männer schreibe. Haben dir andere Gay-Autoren auch schon verraten, was sie dazu anregt? Das würde mich interessieren.
LG Jutta
Hallo Jutta,
du hast mit deiner Einschätzung nicht unrecht – viele schwule Geschichten werden von heterosexuellen Frauen geschrieben. Und sollten Männer wirklich über Lasben schreiben, kann ich mir vorstellen, dass die auch eher in den Hardcore-Bereich gehen. Und dass es in der gängigen Genreliteratur selten lesbische Heldinnen gibt, ist mir auch aufgefallen. Wahrscheinlich liegt das daran, dass man bei queer und den üblichen Themen rund um LGBTIQ vorwiegend an schwule Männer denkt (Carmilla hat das schön umschrieben). Sie sind einfach präsenter in den Medien, vielleicht auch weil Frauen oftmals anders wahrgenommen werden. Beispiel: wenn Frauen Händchen halten, könnten sie auch “nur” gute Freundinnen sein, bei Männern ist klar, dass sie ein Paar sind.
Außerdem sind die meisten Autoren weiblich, ähnlich wie die Leserschaft – gerade wenn man sich im Selfpublishing Bereich umschaut. Klar, es gibt auch männliche Schriftsteller, doch mir kommt es so vor, als würde die Frauenquote überwiegen. Das ist nur eine Vermutung – vielleicht irre ich mich ja auch!
Ich behalte deine Frage mal im Hinterkopf – sie ist auf jeden Fall interessant. Vielleicht frage ich irgendwann mal bei den Gay-Autoren rum, was sie anregt. Bei mir ist es wohl so, dass ich Geschichten lieber aus der Perspektives eines Mannes erzähle. Ich mag weibliche Figuren nur bedingt, weswegen ich z.B. im Pen&Paper Rollenspiel nur männliche Charaktere spiele – die sind dann zumeist schwul 😉
LG
Juliane
Interessante Aufstellung, danke. Witzigerweise bin ich bei Fanfiction eher in Kategorie 1 beheimatet, während ich ansonsten eine extrem mäkelige Fantasyleserin bin, immer auf der Suche nach starken Frauenfiguren und/oder queeren Charakteren.
Was deine Frage nach lesbischer Literatur angeht, ist das, wie meine Vorrednerin schon andeutete, eher eine Statistikfrage. Die meisten Leser*innen sind weiblich, die meisten Leser*innen stehen auf Männer, ergo sind Paare aus zwei Frauen für das Gros uninteressant. (Für mich ist es eine Distanzfrage, weil ich ja an weder noch Interesse habe.)
Und außerdem, wenn ich so gucke: Als “queer” werden doch sowieso vornehmlich die Kerls wahrgenommen. Auch dank der Mainstream-Berichterstattung über CSDs, wo scheinbar nur leichtbekleidete Jungs durch die Gegend laufen …
Das ist zumindest meine persönliche Aufstellung. Das mögen andere anders sehen 😉
Ich bin auch in Kategorie 1 und 2 beheimatet. Ich lese durchaus auch mal Gay Romance (insofern es nicht zu schwülstig und kitschig wird), ansonsten wildere ich am liebsten in Kategorie 2. Aber du hast schon recht – die meisten Leser sind weiblich und Angebot richtet sich nach der Nachfrage. Lesbische Texte sind halt nicht so begehrt, wenngleich das eher auf Deutschland zutrifft. In Amerika sieht das ganz anders aus, da boomt Lesbian Romance extrem, wie ich von der verlegerin des Ylva Verlags weiß – deswegen gibt es die meisten Bücher des Verlags nur in englisch. Deren Programm ist zu 75% englisch, zu 25% deutsch.