Autor: Ella Blix (Antje Wagner / Tania Witte)
Taschenbuch: 472 Seiten
ISBN: 978-3401604138
Preis: 14,99 EUR (eBook) / 18,00 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Alina steht ein halbes Jahr Horror und Abgeschiedenheit auf der abgelegenen Ostseeinsel Griffiun bevor, da ihr Vater kurzfristig einen Forschungsauftrag in den USA bekommt – für ihn ein Traum, für Alina ein Albtraum, immerhin darf sie die Zeit auf dem Inselinternat Hoge Zand verbringen. Schnell findet sie in den Lonelies neue Freunde und stößt inmitten des verbotenen Naturschutzgebietes im nördlichen Teil der Insel auf ein seltsames Mädchen namens Tinka, das mehr als nur ein Geheimnis hat. Zudem sichtet sie ein seltsames Geisterschiff am Nordstrand und findet heraus, dass in den letzten Jahrhunderten immer wieder Menschen verschwanden oder unheilbar Kranke plötzlich auf wundersame Weise geheilt wurden. Als sie der Wahrheit näherkommt, muss Alina feststellen, dass ihre eigene Vergangenheit eng mit den sonderbaren Vorfällen verbunden ist und sie eine Entdeckung macht, die alles in Frage stellt, was sie jemals für wahr gehalten hat …
Eigene Meinung:
Mit dem Jugendroman „Der Schein“ präsentieren die Autorinnen Antje Wagner und Tania Witte alias Ella Blix ihr erstes gemeinsames Projekt. Erstere ist im Jugendbuch keine Unbekannte – Antje Wagner ist für ihre ungewöhnlichen, sehr authentischen Jugendbücher bekannt und konnte bereits etliche Preise gewinnen. Tania Witte hat bisher eine queere Trilogie im Querverlag herausgebracht, ebenso mehrere Kurzgeschichten in Anthologien.
Die Geschichte erinnert am Anfang stark an Antje Wagner „Unland“, die von den Grundlagen her ähnlich abläuft – ein Mädchen kommt in eine neue Umgebung (Heim/Schule), lernt neue Leute kennen (Heimkinder/Lonelies) und lebt in Sichtweite eines Ortes, den sie unter keinen Umständen betreten darf (Unland/Naturschutzgebiet). Sie beobachtet mehrfach seltsame Vorfälle und will herausfinden, was sich hinter allem verbirgt. Glücklicherweise geht „Der Schein“ irgendwann eigene Wege und hat vollkommen andere, die es zu entdecken gibt. Für Vielleser und Erwachsene ist recht früh klar, in welche Richtung die Geschichte geht, was es mit Tinka auf sich hat und was sich hinter. den seltsamen Ereignissen verbirgt. Gerade wenn man auch im fantastischen Bereich unterwegs ist, bietet die Auflösung keine Überraschungen mehr, vielmehr bestätigt sie nahezu alle Vermutungen. Für die jugendliche Zielgruppe dürften die Hinweise jedoch nicht ganz so offensichtlich sein (gerade weil die Autorinnen eine sehr realistische und authentische Rahmenhandlung aufbauen, in denen sich jugendliche Leser problemfrei wiederfinden), so dass die Auflösung durchaus eine Überraschung sein könnte. Positiv ist auch, dass die Autorinnen versuchen mit den typischen Klischees zu brechen und alles daran setzen, außergewöhnliche Figuren zu erschaffen, die fernab der gängigen Schubladen liegen. Hin und wieder betonen sie diesen Aspekt zwar zu sehr, doch insgesamt ist es schön, dass sowohl die Haupt- als auch die Nebenfiguren alles andere als stereotyp sind.
Das macht alle Figuren wunderbar sympathisch und lebendig, und sorgt dafür, dass man sich wirklich gut in die Geschichte hineindenken kann. Man ist hautnah bei Alina, aus dessen Sicht alles erzählt wird und erlebt mit ihr die ersten Tage auf Hoge Zand und die folgenden Ereignisse. Sie wirkt am Anfang ein wenig spröde, doch mit der Zeit lernt man sie besser kennen und kommt gut mit ihr als Heldin zurecht. Wirklich schillernd sind einige der Nebenfiguren allen voran Gigi, der herrlich aus dem Rahmen fällt und fernab aller Klischees ist, ebenso die toughe Cara, Alinas Zimmergenossin und all die anderen Lonelies. Hervorzuheben ist die Tatsache, dass die beiden Autorinnen durchaus queere Charaktere einbauen oder zumindest solche, die in keine Schublade passen. Das macht dieses Buch auf vielfache Art besonders, da es jugendlichen Lesern eine Möglichkeit gibt, mit diesem Thema in Berührung zu kommen, ohne dass es einen Löwenanteil der Handlung einnimmt.
Stilistisch ist „Der Schein“ auf jeden Fall gelungen – Antje Wagner und Tania Witte haben einen tollen Stil, der sich eng an die Sprache der heutigen Jugend orientiert und für die Zielgruppe perfekt geeignet ist. Das macht sich sowohl in den Dialogen, als auch in den Handlungen der Figuren bemerkbar. Sehr gelungen sind auch die Beschreibungen der Insel und die vielen kleinen Ideen, mit denen die Autorinnen die Handlung vorantreiben und kleine Hinweise streuen. Hervorzuheben ist auch die Tatsache, dass die beiden das Buch wirklich zusammengeschrieben habe – sprich nicht wie man es zumeist von Autoren-Duos kennt von Kapitel zu Kapitel wechselnd, sondern jeden Satz, jeden Dialog zusammen (eine Autorin hat einen Teil in Rohform vorgeschrieben, die andere hat diesen Part überarbeitet und fortgeführt – und umgekehrt). Dadurch wirkt das Buch wie aus einem Guss und wirkt als hätte es nur eine Person geschrieben. Das macht den Roman stilistisch zu etwas Besonderem.
Fazit:
„Der Schein“ ist ein gelungenes Jugendbuch, das durch sehr lebendige Charaktere und einen wirklich gut lesbaren, flüssigen Stil besticht. Die Geschichte ist für Vielleser und Erwachsene ein wenig vorhersehbar und erinnert zu Beginn stark an Antje Wagners „Unland“, geht später jedoch eigene Wege und vermag gerade jugendliche Leser durchaus zu überraschen. Wer die Bücher von Antje Wagner und Tania Witte mag, oder generell auf unkonventionelle, nicht-stereotype Jugendbücher steht, sollte dem Roman auf jeden Fall eine Chance geben. Gerade Jugendliche sollten sich dieses Buch nicht entgehen lassen – es bietet tolle Lesestunden, regt zum Nachdenken an und ist anders, als die meisten Jugendromane, die es aktuell zu kaufen gibt. Reinlesen!