Autor: Antje Wagner
Taschenbuch: 379 Seiten
ISBN: 978-3407744944
Preis: 12,99 EUR (eBook) / 8,95 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Tamara, Kora, Alissa, Leon und Hannes erleben am 17. August um 15:07 Uhr das Undenkbare – die Zeit bleibt stehen und alle Menschen, Tiere und Lebewesen sind verschwunden. Sie sind die einzigen, die sich in einer Art Vakuum befinden und gemeinsam herausfinden müssen, was passiert ist. Dass die fünf Jugendliche eine Verbindung zueinander haben, wird nach und nach klar, denn sie alle haben ein dunkles Geheimnis in ihrer Vergangenheit, das ihr Leben maßgeblich beeinflusst. Zudem müssen sie zusammenhalten, als ein gefährlicher Nebel Jagd auf sie macht, der sogar in der Lage ist, sie zu töten, wenn er sie erwischt …
Eigene Meinung:
Mit ihren ungewöhnlichen Jugendbüchern hat sich Antje Wagner deutschlandweit einen Namen gemacht und bereits mehrere Preise und Auszeichnungen erhalten. Auch „Vakuum“ wurde mehrfach (Leipziger Lesekompass 2013) ausgezeichnet, zudem ist eine Verfilmung des Romans von Grown Up Films in Vorbereitung, die jüngst auch die Graphic Novel „Endzeit“ verfilmten.
Die Geschichte wird aus Sicht der fünf Jugendlichen erzählt und beginnt (wie man es von Antje Wagner gewohnt ist) relativ harmlos. Die Protagonisten leben ein ruhiges, normales Leben – vielleicht von Kora abgesehen, die in der Jugendvollzugsanstalt sitzt und versucht den Gefängnisalltag zu überstehen. Jeder von ihnen hat einen dunklen Fleck in seiner/ihrer Vergangenheit, der ihr Leben maßgeblich beeinflusst und jedem von ihnen zu schaffen macht. Antje Wagner lässt sich viel Zeit, ihre Hauptakteure vorzustellen und jeder Figur einen eigenen, individuellen Anstrich zu verleihen, natürlich ohne die eigentliche Probleme der Jugendlichen direkt beim Namen zu nennen – vielmehr ergeht sie sich in dezenten Andeutungen (aus das ist bei ihren anderen Jugendbüchern ein beliebtes Stilmittel der Autorin). Dies sorgt allerdings dafür, dass sich gerade die ersten 150 Seiten in die Länge ziehen und man wirklich Mühe hat, am Ball zu bleiben, denn es dauert lange, bis sie einer nach dem anderen in das Vakuum stolpern und noch länger, bis sie einander finden. Erst dann baut sich wirklich Spannung auf und das Buch entwickelt eine Sogwirkung, so dass man es nicht mehr aus der Hand legen kann. Antje Wagner baut subtile Horror- und Mysteryelemente ein, die ein wenig an Stephen King und seine Mystery-Romane erinnern. Man ist hautnah bei den Charakteren, erlebt mit ihnen die Auswirkungen des tödlichen Nebels und erfährt nach und nach, welche dunklen Geheimnisse sie hüten. Zudem flechtet die Autorin geschickt kleinen Hinweise und Dinge ein, denen man zu Beginn kaum Bedeutung beigemessen hat. Das Buch endet mit einem Knalleffekt und einer Erklärung, die man so garantiert nicht erwartet hat und die den lahmen Anfang vergessen macht.
Die Charaktere sind sehr authentisch und lebendig, wenngleich sie ein wenig stereotyp wirken, wenn man andere Bücher der Autorin kennt. So erinnert gerade der Anfang mit Kora stark an Milana und die ersten Seiten von „Schattengesicht“, denn das Setting ist ähnlich. Auch bei Alissa und Tamara hat man den Eindruck anderen Charaktere aus den Büchern der Autorin wiederzusehen, was auch daran liegt, dass wie in anderen Romanen immer auf ein Ereignis aus der Vergangenheit hingewiesen wird, die Charaktere es jedoch nie aussprechen – immer wird es beiseitegeschoben und dem Leser damit vorenthalten.
Nichtsdestotrotz sind die fünf Jugendlichen sehr individuell gestaltet, haben ihre Stärken und Schwächen und bilden sehr starke Persönlichkeiten, die nur gemeinsam das Rätsel lösen und dem Nebel entkommen können. Der Leser findet ohne Probleme eine Figur, mit der er sich identifizieren kann. Für alle, die nach dem queeren Element des Romans suchen – eine wichtige Nebenfigur lebt mit zwei Müttern zusammen.
Stilistisch gibt es nichts zu bemängeln – Antje Wagner versteht ihr Handwerk und hat einen sehr schönen, sprachgewaltigen Schreibstil. Sie versteht es, Jugendliche glaubhaft darzustellen, ebenso den subtilen Horror einzuflechten und mitreißende Dialoge zu schreiben. Es ist bewundernswert, wie realistisch selbst die unheimlichen Mystery-Elemente wirken, denn man ist stets so nach am Geschehen, dass man glaubt, so etwas könnte jederzeit und überall geschehen. Die Autorin hat einen großen Sprachschatz und weiß, wie sie ihre Figuren in Szene setzen muss – immerhin wird aus Sicht jedes Hauptcharakters geschrieben und jeder von ihnen hat seine eigene Stimme. Allein aus diesem Grund ist „Vakuum“ lesenswert.
Fazit:
„Vakuum“ ist ein gelungenes, sehr spannendes Jugendbuch voller spannender Wendungen und unerwarteter Lösungen. Die Charaktere sind sehr authentisch und lebendig, haben ihre eigene Stimme und führen den Leser glaubhaft durch den Nebel der Ereignisse, so dass man den subtilen Horror fast schon real spürt (und Nebel fortan mit anderen Augen sieht). Auch stilistisch kann Antje Wagner punkten, denn sie verfügt über einen großen Wortschatz, der sich in den Dialogen und Beschreibungen niederschlägt. Einzig der Anfang ist ein wenig schleppend und unspannend geraten – hier hätte man viele Dinge abkürzen können und mit der eigentlichen Handlung früher starten können. Nichtsdestotrotz zu empfehlen – auf jeden Fall reinschauen, gerade wenn man die Jugendbücher von Antje Wagner mag.