Nach Mobbing: 15-jähriger Schwuler nimmt sich das Leben (siehe Bericht queer.de)
Im erzkonservativen Alabama beging ein offen schwuler Schüler aus Verzweiflung Selbstmord – ein homophober Polizist nimmt den Tod des Jugendlichen zum Anlass, gegen LGBTI-Rechte Stimmung zu machen.
Erst vor wenigen Tagen, am 23.04.2019, erschien der o.g. Artikel auf queer.de und auch wenn dieser schreckliche Vorfall nicht hierzulande passiert ist, so lassen sich durchaus Parallelen zwischen den USA und Deutschland ziehen. Hier wie dort gibt es die Ehe für alle, in den Städten kann man eine steigende Akzeptanz gegenüber LGBTIQ* beobachten und die ersten Antidiskriminierungsgesetze sind erlassen. Nichtsdestotrotz liegt noch ein steiniger Weg vor uns, denn hierzulande sind sogenannte Konversationstherapien leider noch immer nicht verboten (auch wenn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn aktuell versucht diesen Therapien einen Riegel vorzuschieben) und gerade in dörflichen/ländlichen Gemeinden ist ein Outing fast unmöglich. Es fehlt an Akzeptanz und Toleranz, was man allein schon daran merkt, dass zum Beispiel „Schwul“ noch immer ein Schimpfwort auf den Schulhöfen ist und in den Köpfen der Menschen die üblichen Vorurteile und Klischees vorherrschen.
Auf dem Blog „Bücherleser“ erschien im Rahmen der #bleibdu Aktion ein schöner Artikel zum Thema „WIE KÖNNEN SCHULEN PRÄVENTIV GEGEN MOBBING VORGEHEN?“, in der ein allgemeiner Einblick zum Thema Prävention von Mobbing an Schulen gegeben wird. Ich möchte mich in diesem Beitrag speziell auf den Bereich LGBTIQ* konzentrieren und in dem Zusammenhang ein wichtiges Projekt vorstellen, das von (bisher) 5 Landesverbänden angeboten wird und Schüler*innen über sexuelle Orientierungen und Geschlechteridentitäten informieren soll.
Das SCHLAU-Netzwerk steht für schwul-lesbische, bisexuelle und trans*-Aufklärung mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Der Ursprung des Projektes liegt in Nordrhein-Westfalen, inzwischen gibt es bundesweit Gruppen und Vereine, in denen junge, engagierte, ehrenamtliche Teams mit Schulklassen und Jugendgruppen zusammenarbeiten um über sexuelle Orientierung und Geschlechteridentitäten zu informieren, biografisch aus den eigenen Lebenswelten zu berichten und in einen gemeinsamen Dialog zu treten. Auf diesem Weg sollen Klischees und Vorurteile reflektiert, Diskriminierung entgegengewirkt und jungen Menschen Mut gemacht werden, ihre eigene Identität wertzuschätzen.
Warum ein solcher Dialog mit Schüler*innen und Lehrer*innen wichtig ist, zeigen die Ergebnisse einer bundesweiten Studie zur Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bi, trans* und queeren (LGBTIQ*) Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
- Acht von zehn befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen erfuhren auf Grund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität Diskriminierung. 55 Prozent der Befragten erlebten diese im schulischen Kontext.
- 61 Prozent der Befragten gaben an, sich vor einem Coming-Out im schulischen oder beruflichen Kontext zu fürchten. Ein Coming-Out während der Schulzeit vermeiden die meisten Menschen aus Angst vor Ausgrenzung und Mobbing.
- Im Unterricht wird das Thema LGBTIQ* häufig nicht angesprochen. Positive Beispiele und Vorbilder für Jugendliche sind selten. Auf Schimpfworte oder offene Anfeindungen wurde nur von 57 Prozent der Lehrkräfte reagiert.
Ziele des SCHLAU-Projektes sind daher:
- Vorurteile und Klischees erkennen und reflektieren
- Sensibilisieren für die Lebenssituation von jungen LSBTIQ*-Personen
- Diskriminierung sichtbar und ihre Mechanismen methodisch erfahrbar machen
- Physischer und psychischer Gewalt vorbeugen
- Gespräche ermöglichen und gesellschaftliche Vielfalt sichtbar machen
- Respekt und Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt fördern
- Kompetenzen für ein Engagement gegen Homo- und Trans*phobie vermitteln
- Jugendlichen und jungen Erwachsenen Mut machen für einen selbstbewussten Umgang mit ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität
SCHLAU Hessen ist das Landesnetzwerk der lokalen SCHLAU-Projekte in Hessen. Seit 2011 haben sich nach einander die LGBTIQ*-Antidiskriminierungsprojekte in Darmstadt, Frankfurt und Wiesbaden dem SCHLAU-Netzwerk angeschlossen. Die Gründung des Netzwerks SCHLAU Hessen erfolgte im Herbst 2012. In den Folgejahren haben sich uns die SCHLAU-Projekte Marburg_Gießen und Kassel angeschlossen. In Workshops mit Schulklassen, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sprechen junge lesbische, schwule, bi, trans*, asexuelle und queere Menschen über ihr Coming-Out, die eigene Biografie sowie persönliche Diskriminierungserfahrungen.
SCHLAU Hessen folgt dabei stets dem Motto: Mit uns reden, statt über uns!
Im Rahmen dieses Artikels erklärte sich Mascha Holly, eines der Gründungsmitglieder und Initiatorin von SCHLAU Wiesbaden bereit, einige kurze Fragen zu beantworten und ein bisschen mehr zu ihrer Arbeit und dem Projekt zu erzählen.
Was bedeutet SCHLAU für dich?
SCHLAU ist für mich und uns alle ein Projekt mit starker persönlicher Bedeutung. Wir alle haben (mindestens) ein Coming Out durch, wissen wie es ist, sich Außenseiter*in in der Schule zu fühlen.
Ich war bei der Gründung von SCHLAU Wiesbaden dabei, habe das Projekt hier mit installiert und miterlebt, wie es gewachsen ist und sich etabliert hat. Das macht mich seit nunmehr 7 Jahren sehr glücklich.
Gab es eine Situation/ein Gespräch, die/das euch im Gedächtnis geblieben ist? / Welche positiven/negativen Reaktionen habt ihr bereits erlebt?
Mir fallen zu diesen Fragen spontan zwei Workshops ein.
Der eine ist viele Jahre her und fand in einem Jugendzentrum statt. Die Kinder hatten viele Vorurteile und waren überhaupt nicht sexuell aufgeklärt und dachten zum Teil, man könne vom Küssen schwanger werden. Das hat mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet und war eine große Motivation, mit SCHLAU weiterzumachen!
Der andere Workshop war mit einer internationalen Gruppe von ca. 17-jährigen und hat erst kürzlich stattgefunden. Während des Workshops hat ein Mädchen aus Finnland erzählt, dass ihre Cousine sich das Leben genommen hat, weil sie lesbisch war und von ihrer Mutter abgelehnt wurde. Sie hat geweint und es war für uns alle sehr bewegend. Am Ende haben wir ein tolles Feedback bekommen, welches bei mir im Büro hängt und welches ich der Mail anhänge. (We might save lives!)
Habt ihr den Eindruck, durch die Arbeit bei SCHLAU etwas erreicht zu haben?
Definitiv. Wir bekommen bei jedem Workshop tolle Rückmeldungen und spüren ganz deutlich, wie wir etwas in den Köpfen der Jugendlichen bewegen.
Weitere Informationen zu SCHLAU findet ihr auf den Netzwerkseiten der 5 Landesverbände, zu denen 37 regionale (stadtbezogene) Aufklärungsprojekte gehören:
http://www.schlau-hessen.de
https://www.schlau.nrw
https://schlau-rlp.de
http://schlau-nds.de
http://haki-sh.de/de/gruppen/schlau.html
DAS BUCH ZUM BEITRAG
Autor: Nico Abrell
Taschenbuch: 128 Seiten
ISBN: 978-3423718240
Preis: 9,95 EUR (Taschenbuch)
Bestellen: Amazon
Rezensionen: Like a Dream| The Librarian and her Books | Kaddies Buchwelt
Danke dir für diesen tollen Einblick…. ich kannte das SCHLAU Modell bisher noch nicht und ich hoffe, dass noch viel mehr da beitreten werden. Es ist einfach wichtig – und wie es sich ja auch zeigt – auch sehr hilfreich.