[ROMAN] Bevor wir verschwinden von David Fuchs

Autor: David Fuchs
Hardcover: 216 Seiten
ISBN: 978-3709934333
Preis: 15,99 EUR (eBook) | 19,99 EUR (Hardcover)
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Story:
Benjamin ist angehender Arzt und absolviert ein Praktikum auf der Krebsstation eines Krankenhauses. Dass er ausgerechnet dort seiner Jugendliebe Ambros begegnet, hätte Ben nie erwartet, noch weniger, dass Ambros dem Tod geweiht ist – sein Körper ist voller Metastasen, im Grunde bleiben ihm nur noch wenige Wochen. Zwischen den beiden entspinnt sich trotz oder gerade wegen des Alltags des Krankenhauses eine zarte Liebesgeschichte, von der beide wissen, dass sie kein glückliches Ende nehmen kann …

Eigene Meinung:
Mit dem Roman „Bevor wir Verschwinden“ legt David Fuchs sein Debüt vor, das für mehrere Literaturpreise nominiert ist. Für seine Kurzgeschichten wurde er bereits mehrfach prämiert. Der Autor lebt mit seiner Familie in Wien und arbeitet als Onkologe und Palliativmediziner, beschreibt den Krankenhausalltag, die Ärzte und Patienten sehr authentisch und lebensnah. Ein zweiter Roman ist in Arbeit.

Die Geschichte um Benjamin und Ambros bietet keine leichte Kost – allein der Einstieg in die Geschichte ist nicht so einfach, da man sich sowohl an den Stil als auch an die teils skurrilen Charaktere gewöhnen muss. Benjamin ist tagsüber Praktikant auf einer Krebsstation, nachts arbeitet und experimentiert er mit Schweinen, an denen verschiedene Tests durchgeführt werden, um Rückschlüsse auf die Wirkung von Wiederbelebungsmaßnahmen zu ziehen. Zwischen stoffeligen Schwestern und jovialen Ärzten lernt er seine Jugendliebe Ambros neu kennen und erinnert sich gleichzeitig an die gemeinsame Jugend. Den beiden bleibt nur wenig Zeit, denn Ambros‘ Körper ist voller Metastasen, was sie nicht daran hindert, wieder aufeinander zuzugehen.
David Fuchs erzählt eine Liebesgeschichte, die man nur zwischen den Zeilen findet – wer auf direkte Beschreibungen und großartige, gefühlvolle Dialoge hofft, der wird unweigerlich enttäuscht. Der Autor präsentiert dem Leser weder das eine noch das andere, zumindest nicht wenn es um Ben und Ambros geht. Stattdessen muss man sich vollkommen auf die Geschichte einlassen und die Gesten und Andeutungen hinter den eigentlichen Worten suchen. Hier zeigt sich, dass David Fuchs weiß, wovon er schreibt. Der Alltag des Krankenhauses wird erschreckend klar und nüchtern beschrieben – ohne Schnickschnack und dramatische Ausschmückungen. Man hat fast das Gefühl, Ben empfindet gar nichts, wenn ein Patient stirbt oder sich Ambros‘ Zustand zunehmend verschlechtert, so neutral und direkt wird alles beschrieben. Das macht das Buch zu keiner leichten Kost, insbesondere wenn man es mit den typischen Liebesgeschichten und Dramen vergleicht. Wer ein bisschen recherchiert, wird zudem erkennen, dass er ein Fotoprojekt seiner Frau in die Geschichte einwebt und seine Partnerin auf diese Weise einen Platz in seinem Debüt schenkt.

Die Charaktere sind sehr gut in Szene gesetzt, wenngleich sie dem Leser fremd bleiben. Man baut keine wirklich direkte Verbindung zum Erzähler Ben auf, was wahrscheinlich auch vom Autor beabsichtigt ist. Aufgrund des Themas dürfte klar sein, warum David Fuchs Wert auf Distanz gelegt hat. So berührt einen zwar das Schicksal der beiden Männer und man findet genug Stoff, um darüber nachzudenken, doch man bleibt die meiste Zeit ein stummer Beobachter. Auch Ambros, die Schwestern und Ärzte werden klar und nüchtern beschrieben, doch auch ihnen bleibt man relativ fern – man weiß wie sie handeln und welche Ticks sie haben, aber nicht, welche Gedanken und Gefühle sie wirklich mit sich herumtragen.

Stilistisch legt David Fuchs ein ungewöhnliches Werk vor, auf das man sich einlassen muss, um es zu lesen. Er hat einen sehr nüchternen, direkten Stil, bei dem auf Dialoge und ausufernde Beschreibungen verzichtet wird. Stattdessen konzentriert er sich auf das Wesentliche – man hat das Gefühl, es gibt kein einziges überflüssiges Wort, das man hätte streichen können. Es ist wie die Essenz der deutschen Sprache – reduziert auf das Wesentliche, so wie es auch die Geschichte um Ambros und Ben ist. Es gibt keine überflüssigen Szenen oder Dialoge, sondern nur zwischenmenschliche Elemente inmitten klarer, authentischer Beschreibungen des Krankenhausalltags. Das ist nicht jedermanns Geschmack, weswegen ich einen Blick in die Leseprobe empfehle, die man auf der Homepage des Verlags findet.

Fazit:
„Bevor wir verschwinden“ ist ein intensives, sehr eindringlich geschriebenes Debüt, das aus der breiten Masse heraussticht. David Fuchs legt keine leichte Kost vor – sowohl inhaltlich als auch stilistisch, da das Buch aus lebensnahen Augenblicken besteht und nicht aus ausufernden Dialogen und Beschreibungen. Man sollte sich Zeit nehmen, um das knapp 220-seitige Büchlein zu lesen, denn es ist kein Stoff für Zwischendurch. Wer sich jedoch darauf einlässt und lernt zwischen den Zeilen zu lesen, bekommt ein berührendes, lange nachhallendes Buch präsentiert, das man nicht so schnell vergisst.

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