Autorin: Miku Sophie Kühmel
Hardcover: 304 Seiten
ISBN-13: 978-3103974591
Preis: 18,99 EUR (eBook) | 21,00 EUR (Hardcover)
Bestellen: Amazon
Story:
Um ihren 20. Jahrestag zu feiern, verbringen Max und Reik ein Wochenende in ihrem kleinen Häuschen an einem abgeschiedenen See. Nur ihr bester Freund Toni und dessen Tochter Pega, die so alt ist wie die Beziehung der beiden, sind zu diesem besonderen Tag eingeladen. Doch die Ruhe der Umgebung offenbart die teils leichten, teils tiefen Abgründe, die zwischen den unterschiedlichen Persönlichkeiten liegen und zwingt jeden einzelnen, sich mit lang schwelenden Dingen auseinander zu setzen, um für sich selbst einen Weg in die Zukunft festzulegen – auch wenn das bedeutet mit Dingen zu brechen, die einem eigentlich am Herzen liegen …
Eigene Meinung:
„Kintsugi“ ist Miku Sophie Kühmels Debütroman und erschien im Sommer 2019 im Fischer Verlag. Das belletristische Werk wurde mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung 2019 und dem »aspekte«-Literaturpreis 2019 ausgezeichnet, zudem wurde der Roman für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert.
Die Geschichte spielt im Laufe eines Wochenendes und besteht aus vier Hauptkapiteln, in denen jeweils eine der vier Hauptfiguren zu Wort kommt. Als Leser lernt man die handelnden Personen nach und nach kennen, erhält Einblicke in ihre Vergangenheit, erfährt auf welche Art sie miteinander verbandelt sind und welche Gedanken und Gefühle sie beschäftigen. Dabei wird auch deutlich wie viele Probleme sie untereinander haben, dass sie nicht nur durch Liebe und Zuneigung miteinander verbunden sind, sondern auch Hass, Eifersucht und Missgunst unter der oberflächigen, heilen Welt gären, die Außenstehende zumeist nicht zu sehen bekommen. Viele dieser Probleme sind mehrere Jahre alt, wurden immer wieder unter den Teppich gekehrt und brechen sich an diesem einsamen Wochenende Bahn, machen die ein oder andere Aussprache unabwendbar, wenn nicht sogar eine komplette Neuausrichtung des festgefahrenen Kurses.
„Kintsugi“ wartet mit keiner spektakulären Handlung auf, verblüfft weder mit spannenden, noch mit unerwarteten Wendungen. Stattdessen erwartet den Leser ein stilles, ehrliches Buch, bei dem die Geschichte zwischen den Zeilen zu finden ist, in den feinen Nuancen zwischen den verschiedenen Ansichten und Beziehungen. Es regt zum Nachdenken an, gleichwohl kann man sich auch einfach durch die Geschichte tragen lassen und die vier grundverschiedenen Persönlichkeiten Stück für Stück kennenlernen.
Miku Sophie Kühmel führt den Leser durch ein turbulentes Wochenende, legt schonungslos und ehrlich die Probleme der Figuren offen und lässt sie ihre komplexen Beziehungsprobleme erörtern und für sich passende Lösungen finden. Ihre Stärke sind die authentischen, stets nachvollziehbaren und lebendigen Figuren, mit denen man sich identifizieren und deren Probleme man wirklich gut verstehen kann. Man lernt nach und nach das feine Beziehungsgeflecht der Figuren untereinander kennen, hat die Möglichkeit die jeweiligen Charaktere stets neu zu entdecken und erhält ein sehr komplexes, gut umschriebenes Bild von Max, Reik, Toni und Pega. Hinter jedem verbirgt sich eine starke Persönlichkeit mit Stärken und Schwächen, Ecken und Kanten. Und für jeden bedeutet das Wochenende etwas anderes, denn sie alle befinden sich an einem Scheideweg, bei dem sie wichtige Entscheidungen zu treffen haben.
Stilistisch ist „Kintsugi“ unaufgeregt, klar und pointiert, sprachlich teils emotional, teils nüchtern verfasst – je nachdem welche Wirkung die Worte entfalten sollen. Die Autorin weiß mit Worten umzugehen; wie man die Gedanken und Gefühle der Figuren in Szene setzt, um diese zu beleuchten und dem Leser näher zu bringen. Dabei verzichtet sie fast vollständig auf Dialoge, lediglich am Anfang eines jeden Kapitels hat man eine Szene im theaterhaften Erzählstil. Diese Kapiteleinstiege sind Geschmackssache, denn so recht passen sie nicht zu den restlichen Beschreibungen, in denen die Autorin auf innere Monologe und die Beschreibungen der Gedanken und Gefühle der Figuren setzt und Gespräche nur am Rande vorkommen. Mitunter schießt sie dabei ein wenig übers Ziel hinaus, wird zu ausschweifend, so dass man fast den roten Faden verliert – zudem gibt es Szenen, die man lieber aus Sicht eines anderen Erzählers miterlebt hätte, anstatt diese nur aus der Ferne zu sehen und lediglich das Ergebnis präsentiert zu bekommen.
Fazit:
„Kintsugi“ ist ein sprachlich gelungenes, sehr eindringlich geschriebenes Debüt, das durch komplexe Persönlichkeiten, vielschichtige Beziehungsgeflechte und eine berührende Geschichte besticht, die lange nachhallt. Miku Sophie Kühmel hat ein feines Gespür für das Zwischenmenschliche, weiß wie sie authentische, nachvollziehbare Figuren gestaltet und ohne viel Kitsch und Drama eine emotional berührende Geschichte erzählt. Wer lockerleichte Lektüre für Zwischendurch sucht, wird mit „Kintsugi“ wahrscheinlich nur bedingt glücklich – der Roman erfordert ein gewisses Maß an Konzentration, um die Zwischentöne zu erfassen. Wer damit kein Problem hat und auf der Suche nach einer anspruchsvollen, queeren Geschichte fernab des Mainstreams ist, sollte einen Blick riskieren – es lohnt sich.