Hallo ihr Lieben,
heute möchte ich ein Buch präsentieren, das mich auf eine Art und Weise beeindruckt hat, wie es nur sehr wenigen Büchern gelingt. Ich habe Jobst Mahrenholz’ Werke mit “Der linke Fuß des Gondoliere” lieben und schätzen gelernt – “Haus aus Kupfer” hat mich jedoch so tief berührt, dass das Buch inzwischen zu meinem absoluten Favouriten (neben “Adrian Mayfield”, “Das Schicksal ist ein mieser Verräter”, “Bruder” und “Die Bücherdiebin”) gehört. Wie schon bei “Tänzer & Schatten” hätte ich am liebsten das gesamte Buch zitiert – doch man muss sich ja beschränken 😉
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meine Rezension
»Okay! Versuch dir vorzustellen, du trägst eine Zahnspange, ja?«
Ich nickte, während ich an der Zigarette zog. »Felia war meine Zahnspange«, erklärte Felice. »Sie hat mein ganzes Leben lang versucht, mich in Form zu pressen. Damit ich perfekt bin. So, wie die Gesellschaft mich haben will. Ebenmäßig. Sie mein Leben lang zu tragen hat geschmerzt, gedrückt, mich eingeschränkt. Ich habe mich hässlich und fremd mit ihr gefühlt. Nun bin ich sie los, und die Schmerzen hören auf. Da ist kein Fremdkörper mehr, nichts, was versucht, mich in eine Form zu pressen. Da bin nur noch ich. Vielleicht etwas schief gewachsen, nicht ganz so perfekt. Doch ich bin es.«
“Haus aus Kupfer”, S. 53 (c) Jobst Mahrenholz / deadsoft Verlag
»Und Lu?«, fragte ich betroffen.
»Ich hab mich doch verabschiedet.«
»Was ist mit dem Mut?«, bohrte ich weiter. »Wäre das nicht eine ganz gute Übung, mal etwas Mut zu zeigen?«
»Ich bin eine Belastung«, erwiderte er mit gesenktem Blick.
»Du bist eine Bereicherung, Felice!«
»Das ist Quatsch, Giaco, und das weißt du auch.« Er lächelte traurig, schwang sich zur Seite und erhob sich. »Ich denke drüber nach, okay?«
“Haus aus Kupfer”, S. 88 (c) Jobst Mahrenholz / deadsoft Verlag
»Felia hat er immer sehr gemocht«, versicherte er mir mit unstetem Blick.
»Ja? Und?«
»Aber Felice findet er richtig klasse.«
»Wie meinst du das?«
»Genau so, wie ich’s sage.«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil ich ihn … kenne … verdammt. Und weil ich das mitbekomme.« Er strich sich durchs Haar und sah mich direkt an, betroffen dabei. »Weil ich nicht blind bin, darum.«
Und in dem Moment begriff ich, was er mir da eigentlich offenbart hatte, über Giacomo.
“Haus aus Kupfer”, S. 111-112 (c) Jobst Mahrenholz / deadsoft Verlag
Also erzählte ich sie ihm, meine Version. Und während ich das tat, betrachtete er mich wieder, mit diesem unergründlichen Giaco-Blick seiner tiefgrünen Augen. Er versank in den meinen, verharrte dort und stürzte mich in eine kleine Verwirrung.
Als ich endete, hob er leicht den Kopf. Vorsichtig strichen seine Finger über meine Lippen.
»Vergiss das alles«, sagte er leise. Er seufzte.
Und dann küsste er mich. Kühle, feuchte Lippen legten sich sanft auf die meinen. Zart und sinnlich.
“Haus aus Kupfer”, S. 131 (c) Jobst Mahrenholz / deadsoft Verlag
Felices erstes Mal.
Tatsächlich war es das: Felices erstes Mal.
Zum ersten Mal als – ich.
Sanft strichen meine Hände über Giacos Brust, entdeckten ihn behutsam. Er sehnte sich nach mehr, spürte ich.
Noch vor Stunden war da vor allem Angst gewesen. Es gab so vieles, was ich ihm nicht geben konnte. Nicht mit diesem Körper. Ich war – unvollkommen. Doch nun …
“Haus aus Kupfer”, S. 170 (c) Jobst Mahrenholz / deadsoft Verlag
»Na, beim Blondieren gegen die Tür gelaufen?«, wollte er wissen. Sein humorloses Lachen zeigte, was er von mir hielt, mittlerweile. Klar, ich hatte ihm in die Suppe gespuckt.
»Oberflächlich, wie gehabt«, erwiderte ich lächelnd, nachdem wir uns gesetzt hatten. »Aber das mit den Haaren, Aldo, das ist tatsächlich extra für dich.«
Nun schaute er sichtlich irritiert in die Runde.
»Ich dachte mir«, erklärte ich so, dass es alle hören konnten, »… mit dieser simplen Äußerlichkeit einfach mal von Felice abzulenken. Damit er wenigstens für einen Moment das Gefühl hat, hier nicht die Dauerrolle des Aussätzigen übernehmen zu müssen.«
“Haus aus Kupfer”, S. 195 (c) Jobst Mahrenholz / deadsoft Verlag
Dann betrachtete ich mich im Spiegel. Das Make-up hatte etwas gelitten. Da musste ich nachbessern. Die blonden Haare, sie gefielen mir. Ich fand das erotisch. Meine Zunge fuhr lüstern über die Lippen, meine Augen halb geschlossen. Plötzlich musste ich loslachen.
Mein Äußeres stand für einen neuen Abschnitt in meinem Leben. Kein Lu mehr. Dafür viel Felice. Nicht Giaco – Jack! Wow, nicht übel. Das Lachen ging in ein Grinsen über. Es gefiel mir wirklich.
“Haus aus Kupfer”, S. 214 (c) Jobst Mahrenholz / deadsoft Verlag
Mit diesen Zitaten mache ich euch hoffentlich neugierig auf dieses tolle Werk, bei dem es um Transexualität, Akzeptanz und Toleranz geht. Ich kann es auf jeden Fall jedem ans Herz legen <3
Liebe Grüße,
Juliane