Hallo in die Runde,
heute kann ich euch Florian Tietgen präsentieren, der für die Anthologie die gefühlvolle Kurzgeschichte “Klangfarben der Liebe 1965” geschrieben hat. Zudem gab es vor einiger Zeit bereits eine Special Week mit ihm, bei dem seine Werke und er als Autor näher vorgestellt wurde. Schaut also unbedingt mal vorbei 😉
Erzähl ein bisschen was über dich. Wo kommst du her? Was für Hobbys hast du? Schreibst du hauptberuflich oder hast du einen „Brot-Job“?
Ich komme aus Hamburg und liebe viel zu viele Dinge, um ihnen allen gerecht zu werden. Hauptberuflich redigiere ich die Texte anderer, und obwohl ich lieber nur schriebe, finde ich das doch manchmal sehr spannend, erst recht, wenn es sich um Doktorarbeiten mit interessantem Thema handelt. Nebenbei trainiere ich ehrenamtlich noch zwei Fußballmannschaften, betreue einen Sportplatz und das Passwesen, was so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass es gut einen Brotjob füllen würde.
Was hat dich dazu gebracht mit dem Schreiben anzufangen?
Das kann ich nicht sagen. Gefühlt habe ich schon immer geschrieben, seit ich die linierten Din-A4-Hefte der Grundschule mit Geschichten vollschmieren konnte.
Was bedeutet das Schreiben für dich?
Das merke ich vor allem, wenn ich nicht schreibe. Ich werde dann unleidlich, depressiv, unzufrieden und unerträglich für andere.
Dein Beitrag für die Anthologie ist die Geschichte „Klangfarben der Liebe 1965“. Wie bist du auf diese Geschichte gekommen, bzw. was hat dich dazu bewogen gerade diese Geschichte zu schreiben?
Während der Special-Week auf deinem Blog kam das Thema „Heinrich und dessen Geschichte“ mal in einem der Interviews auf. Als deine Anfrage zur Anthologie kam, dachte ich, es wäre doch passend, einen Teil von Heinrichs Geschichte beizusteuern.
Was hast du neben „Klangfarben der Liebe 1965“ noch für Projekte oder Veröffentlichungen?
Im Moment überarbeite ich eine dystopische Erzählung, die ich vor 8 Jahren geschrieben habe und die leider immer aktueller wird, da es darin um die Macht von Propaganda und Hass über die Politik und das Leben der Menschen geht. Im nächsten Jahr gelingt es mir hoffentlich, sie als Roman zu veröffentlichen.
Hast du einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Person, die dir als Muse dienen? Woher bekommst du deine Ideen?
Manchmal entsteht eine Idee durch die Nachrichten, manchmal durch die Lebensgeschichte von Freunden. Wichtig ist für mich immer, ob ich einen schwer aufzulösenden Grundkonflikt und eine tiefe Sehnsucht darin entdecke. Insofern sind glaube ich alle meine Geschichten von dieser Sehnsucht geprägt, geliebt zu werden, wie man ist.
Welche Herangehensweise bevorzugst du bei deinen Geschichten?
Beim Schauspiel würde man das Method-Acting nennen. Ich versuche, mein erzählender Protagonist zu sein und aus dessen Erleben zu schreiben. Wenn es geht, lasse ich die Geschichten dann lange liegen, bevor ich noch mal daran arbeite. Das war bei der Geschichte für die Anthologie leider nicht möglich.
Gibt es etwas, das dir beim Schreiben besonders schwer fällt?
Abstand zu halten. Ich brauche beim Schreiben die Identifikation mit meinen Figuren. Und wer mich während der Arbeit stört, muss dann im Zweifel mit sehr verwirrten und verwirrenden Reaktionen rechnen. Wenn er mich aus einer Welt holt, in der ich gerade von Heuschrecken verfolgt werde oder in der einen aufmüpfigen 17-jährigen Geist anbrülle, weil er auf meinem Fahrradlenker sitzt und mir die Sicht versperrt, kann es vorkommen, dass ich mich selbst für unzurechnungsfähig halte.
Schreibst du mit Musik oder anderen Geräuschkulissen im Hintergrund oder brauchst du dazu absolute Ruhe?
Ich wohne an einer Hauptverkehrsstraße, absolute Ruhe ist also nie gegeben. Aber Musik würde mich stören. Schon, weil ich Musik nie hören kann, ohne mich von ihr in ihre Welt mitnehmen zu lassen. Etwas, um das ich Musiker immer beneide ist die Fähigkeit, mit Tönen ohne den Umweg über den Verstand so tief in die Menschen eindringen zu können, dass sie darüber weinen und lachen und tanzen und mitsingen.
Lässt du dich auch von anderen Autoren inspirieren?
Bestimmt, wenn auch nicht immer bewusst.
In welchem Genre würdest du dich gerne einmal als Autor versuchen?
In keinem. Ich mag Genreeinteilungen nicht. Eine Geschichte will erzählt werden, wie sie erzählt werden will. Der Gedanke an Genre- oder Zielgruppenkompatibilität stört da nur. Und ich glaube nicht mal, dass Genres dem Leser dienen.
Wie würde für dich ein perfekter (Schreib)Tag aussehen?
Es regnete ohne Unterlass, kein Sonnenstrahl lockt mich nach draußen und ruft mich vom Schreibtisch weg. Das wäre der perfekte Schreibtag, der perfekte Tag wäre voller Sonne am Meer oder im Gebirge, viele Menschen um mich herum, an denen ich mich nicht sattsehen kann, mit denen ich reden und schweigen kann. Und eigentlich braucht das Schreiben beides. Die Tage voller Eindrücke, voller Lebensfreude und die Regentage. Und auch, wenn ich manchmal denke, wenigstens der Gedanke an den Lebensunterhaltsverdienst würde den perfekten Schreibtagen fehlen, gehört doch selbst das Erleben von Arbeitswelt, von Arbeitsabläufen in ganz unterschiedlichen Berufen und Tätigkeiten irgendwie auch wieder zu dem, wovon Schreiberlinge erzählen, was sie also auch erleben müssen.
Was sagen deine Familie / deine Freunde zu deiner Autorentätigkeit?
Die interessiert das nicht. Sie lesen meine Sachen nicht und fragen auch nicht, wie es vorangeht.
Was würdest du jemanden mit auf den Weg geben, der ebenfalls mit dem Schreiben anfangen möchte?
Das hängt von seinem Motiv zu schreiben ab. Wenn er damit reich werden will, sage ich ihm, er soll es lassen. Wenn er etwas zu erzählen hat, soll er erstmal ungefiltert drauf los schreiben. Zu jedem noch so misslungenem Text lässt sich leichter etwas sagen, als zu gar keinem oder zu einem von Beginn an gefiltertem.
Das Thema der Anthologie ist ja „Träume, Hoffnungen und Wünsche“. Wie sieht es denn damit bei dir aus? Was sind deine Träume, Hoffnungen und Wünsche?
Ganz grundsätzlich teile ich glaube ich die Sehnsucht meiner Protagonisten, geliebt oder so akzeptiert zu werden, wie ich bin/mich sehe/gerne sein würde. Alle anderen Träume und Hoffnungen sind glaube ich nur Ausdruck davon, etwa die, über eines meiner Bücher mal im Feuilleton zu lesen oder vom Schreiben leben zu können. Und manchmal wünsche ich mir einfach nur, dass niemand mehr an irgendetwas, das ich mache, rumnörgelt, rumkritisiert und mir ständig das Gefühl gibt, nie auch nur „ausreichend“ zu sein. Von „gut“ wage ich ja schon gar nicht mehr zu träumen.
Vielen Dank an Florian für die Antworten – insbesondere, da sich für ihn einige Fragen wiederholt haben dürften. Kommende Woche erwartet euch kein Interview, sondern etwas, was ich normalerweise freitags veranstalte – ein Zitate-Sonntag, bei dem ich jede Geschichte mit einem Zitat vorstelle 🙂
Liebe Grüße,
Juliane