Autor: Julian Mars
Taschenbuch: 256 Seiten
ISBN: 978-3863002596
Preis: 11,99 EUR (eBook) | 18,00 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Nachdem Felix seine Zelte in Hamburg abgebrochen hat, flüchtet er nach Berlin und versucht sich dort ein neues Leben aufzubauen. Doch statt sich nach der schmerzhaften Trennung von seiner ersten großen Liebe Martin wieder zu fangen, stürzt er in eine Depression und weiß nichts mit sich anzufangen. Seine Schwester Anna zwingt ihn schließlich dazu, bei einem Verein zu arbeiten uns sich nach und nach aus dem Sumpf herauszuziehen. Auch seine beste Freundin Emilie und sein Freund Gabriel unterstützen Felix, wenngleich auch sie ihr Leben zu meistern haben. Als Martin erneut in Felix‘ Leben tritt, muss dieser sich entscheiden – lässt er es auf einen weiteren Versuch ankommen, oder schließt er endgültig mit diesem Kapitel in seinem Leben ab …
Eigene Meinung:
Mit seinem Debüt „Jetzt sind wir jung“ konnte Julian Mars bereits die Leser überzeugen und für sich gewinnen – jetzt endlich erschien die Fortsetzung der Geschichte. „Lass uns von hier verschwinden“ schließt direkt an sein erstes Buch an und führt die Geschichte von Felix und seinen Freunden weiter. Dabei muss man den ersten Teil nicht zwangsläufig kennen, denn man kann der Handlung auch problemfrei ohne Vorkenntnisse folgen, doch um alle feinen Untertöne und die Hintergründe zu verstehen, sollte man „Jetzt sind wir jung“ gelesen haben.
Die Geschichte handelt vom Erwachsenwerden und dem weiteren Weg, den Felix einschlagen muss, um endlich einen Platz im Leben zu finden. Noch immer hat er mit seiner Homosexualität zu kämpfen und bleibt lieber passiv versteckt, anstatt Kritik und Anfeindung auf sich zu ziehen. Julian Mars gibt einen sehr intensiven, nachdenklich stimmenden Einblick in Felix‘ Gedanken und Gefühle – man versteht, warum er solche Hemmungen hat und wie sehr ihn der Gedanke beschäftigt, sich immer wieder zu outen, zumal er sich auch sonst mit seiner Perspektivlosigkeit herumschlägt. Im Vergleich zum ersten Band, wo er fast schon sexsüchtig beschrieben wird und keinen Abend im Black Hole auslässt, ist er in „Lass uns von hier verschwinden“ wesentlich ruhiger und erwachsener, was auch bedeutet, dass es nicht ansatzweise so explizit zugeht, wie im ersten Band. Das betrifft auch die Affären und Kurzzeitbeziehungen, zu denen er sich in Berlin hinreißen lässt und die zeigen, wie sehr sich Felix weiterentwickelt hat. Dementsprechend reagiert er wesentlich erwachsener und gereifter, als er Martin wiedertrifft und sich beide mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob es eine zweite Chance für sie gibt. Ob es dazu kommt, erfährt man als Leser erst ganz am Ende, denn es zeichnet sich in keiner Form ab, was Felix tun wird.
Auch dieses Mal stehen Felix seine Freunde und teilweise auch seine Familie zur Seite, die ihm immer wieder den Kopf zurechtrücken, oder in schwierigen Situationen beistehen. Emilie ist dabei seine wichtigste Bezugsperson – die beiden ergänzen sich perfekt, stehen füreinander ein und dürften in Zukunft noch enger zusammenwachsen, da Emilie nicht nur ein Kind erwartet, sondern sich Felix als väterliche Unterstützung wünscht.
Wie auch im ersten Roman sind die Figuren sehr lebendig und authentisch – man ist immer an Felix‘ Seite und erlebt jedes Hoch und jedes Tief hautnah mit. Er ist ein toller Hauptcharakter, den man trotz seiner Schwächen schnell ins Herz schließt und der stets nachvollziehbar handelt. Auch die übrigen Figuren sind toll in Szene gesetzt – sei es Emilie mit ihrer direkten, rotzigen Art, die trotz allen eine verletzliche Seite hat, Felix‘ Schwester Anna, die eher kühl und reserviert daherkommt, sich jedoch um ihren Bruder kümmert, oder Gabriel, der sein Glück in England findet und sich nach und nach von der Clique zurückzieht. Auch Martin ist sympathisch, wirkt reifer und erwachsener. Er bietet einen guten Gegenpol zu Felix.
Insgesamt entwickeln sich alle Charaktere, auch die Nebenfiguren weiter und finden nach und nach einen Platz im Leben – was sehr schön umgesetzt ist und die Geschichte perfekt abrundet.
Stilistisch kann Julian Mars durchgängig punkten – er hat einen tollen, sehr authentischen Stil, der unter die Haut geht und seine Figuren greifbar in den Mittelpunkt stellt. Man ist nach kurzer Zeit wieder nah bei Felix und erlebt die Ereignisse durch seine Augen. Wie auch schon im ersten Band lebt die Geschichte von Rückblenden und vergangenen Geschehnissen, die in der Vergangenheitsform geschrieben sind, während die Gegenwart im Präsens gehalten ist. Da Felix die Geschichte sehr sprunghaft und nicht kontinuierlich erzählt, kommt man zwischenzeitlich etwas durcheinander, auch wenn man plötzlich wieder im Hier und Jetzt ist und aktuelle Ereignisse behandelt werden. Da muss man durchaus konzentriert bei der Sache bleiben, um den roten Faden nicht zu verlieren und die Zusammenhänge zu verstehen.
Fazit:
„Lass uns von hier verschwinden“ ist eine gelungene Fortsetzung von Julian Mars Debüt. Es erzählt die Geschichte von Felix und seinen Freunden weiter, gewährt tiefe Einblicke in Felix‘ Gefühlswert und spricht aktuelle Probleme an, die zum Nachdenken anregen. Julian Mars ist ein wundervoller Coming-of-Age gelungen, den man unbedingt lesen sollte, wenn man bereit „Jetzt sind wir jung“ mochte. Bleibt zu hoffen, dass der Autor die Geschichte in einem dritten Band weiterführt, denn Potenzial für weitere Geschichten ist durchaus vorhanden. Unbedingt lesen!