Autor: Jeremy Reed
Hardcover: 124 Seiten
ISBN: 978-3037620571
Preis: 19,80 EUR (Hardcover)
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Story:
Vier Jugendliche genießen ihren letzten „freien“ Sommer an einem Strand der Atlantikküste der 80er Jahre und zelebrieren den Einstieg in die Welt der Erwachsenen auf ihre Art und Weise. Während ihr selbsternannter Anführer Dione Drogen nimmt, Frauenkleider trägt und sich seine Eskapaden von reichen Herren bezahlen lässt, schwelgen die anderen in den Gedichten und Texten von Rimbaud und Cocteau, hören Musik und versuchen sich auf ihre jeweilige Zukunft vorzubereiten, in der es gilt sich Konventionen und Regeln zu unterwerfen. Alles ändert sich schlagartig, als der bodenständige Nicholas im Meer ertrinkt und die Jungen aus ihrer Blase aus Hoffnungen, Träumen und Lebensflucht reißt …
Eigene Meinung:
„Beach Café“ ist der erste Roman von Jeremy Reed, der den Weg nach Deutschland gefunden hat. Da der Autor nicht nur über 40 Veröffentlichungen vorzuweisen hat, sondern seit den 70er Jahren als Englands dekadentester, kontroversester und ungewöhnlichster Autor gilt, ist es erfreulich, dass sich der bilgerverlag entschieden hat, in den kommenden Jahren seine wichtigsten Bücher in Deutschland herauszubringen. „Beach Café“ macht dabei den Anfang.
Die Geschichte spielt im Laufe eines Sommers und setzt vier Jugendliche ins Zentrum, die auf dem Weg sind, sich selbst zu finden und ihren Sprung in die Erwachsenenwelt zu wagen. Jeden treibt es in eine andere Richtung – Dione verkauft sich an reiche Herren, die seine Drogensucht finanzieren und der sich erwachsener und reifer als die anderen sieht; Paul ist Sohn eines Bauern, der sich zu Männern hingezogen fühlt, seine Sexualität jedoch innerhalb seiner konservativen Familie nie wirklich zeigen kann; und Nicholas ist der einzige Sohn eines Immobilienmakler und damit weitestgehend frei, was seine Vorlieben und Entscheidungen angeht. Der Ich-Erzähler wiederum lässt sich treiben, schreibt Lieder und Gedichte und beobachtet seine Freunde, bis er auf Diana trifft, die ihn vollkommen verzaubert und auf ihre Art fesselt.
Das erste Drittel des Buches wendet Jeremy Reed für ausufernde und sehr exzessive Beschreibungen der Protagonisten auf – gespickt mit vielen Adjektiven und Schachtelsätzen werden dem Leser die grundverschiedenen Jungen näher gebracht, ebenso der Strand mit seinem verborgenen Treffpunkt für Schwule. Hinzu kommen Gedichte, Liedtexte und Textauszüge bekannter Schriftsteller und Musiker, denen der Autor auf diese Weise ein Denkmal setzt. Ab der Hälfte nimmt die Handlung dann ein wenig mehr Fahrt auf, da die Jungs sich erstmals größeren Problemen entgegenstellen und sich teilweise für den Tod eines Freundes rechtfertigen müssen. Dabei werden alle auf ihre Art erwachsen, wobei das Hauptaugenmerk auf dem Ich-Erzähler liegt, der sich letztendlich abkapselt und seinen eigenen Weg geht.
Die Figuren sind authentisch und gut greifbar, wirken allerdings teilweise nicht ganz wie 18-jährige Jugendliche. Gerade der Ich-Erzähler ist manchmal zu poetisch, seine Verweise auf historische Ereignisse, Dichter und Künstler wirken etwas zu hochgestochen und stünden eher einem gestandenen Mann Mitte vierzig zu, der entsprechende Erfahrungen und passendes Wissen gesammelt hat. Er wirkt bei einigen Monologen einfach nicht wie ein Jugendlicher, der seinen letzten Sommer genießt, sondern wie ein verkappter Musik-/Literaturprofessor. Nichtsdestotrotz sind seine Handlungen und Gedanken von jugendlichem Charakter, gerade wenn es um das Mädchen geht, das er kennenlernt oder seine Eltern.
Sprachlich bewegt sich der Roman auf hohem Niveau – man merkt, dass Jeremy Reed bereits etliche Veröffentlichungen hat und sich im hoch-belletristischen Bereich bewegt. Er schreibt sehr ausführlich, fast schon überschwänglich und hat eine Vorliebe für Adjektive, die seine Texte fast schon inflationär heimsuchen. Mitunter wirkt die Geschichte ein wenig weltfremd, was auch daran liegt, dass es fast keine Dialoge gibt und die Handlung durch innere Monologe des Ich-Erzählers vorangetrieben wird. Auch können die eingeworfenen Songtexte und Gedichte einige Leser stören, da sie einen aus dem Lesefluss herausreißen, doch wer sich daran nicht stört und keinen Wert auf platte Gespräche legt, bekommt einen sehr eindringlichen Roman, der durch eine brillante, verschnörkelte Sprache besticht.
Fazit:
„Beach Café“ ist ein gelungenes, sehr eindringliches Buch über das Erwachsenwerden und das Finden der eigenen Persönlichkeit. Dabei stehen die vier Protagonisten, ihre Herkunft und ihre Gedanken stark im Vordergrund, ebenso die Beschreibungen des Sommers und der schrillen Figuren, die die Geschichte mitbestimmen. Jeremy Reed lässt Raum zum Nachdenken, da er viele Punkte offen enden und Platz für eigene Gedanken lässt. Wer literarisch komplexere Romane sucht, die nichts mit den gängigen Publikationen im queeren Bereich zu tun haben, sollte einen Blick riskieren – insbesondere wenn man anspruchsvolle und tiefgängige Lektüre sucht.
Ein Gedanke zu „[ROMAN] Beach Café von Jeremy Reed“