Autor*in: Madeline Miller
Übersetzer*in: Michael Windgassen
Taschenbuch: 384 Seiten
ISBN: 978-3961610822
Preis: 14,99 EUR (eBook) / 16,99 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Der junge, etwas unsichere Prinz Patroklos wird nach einem unglücklichen Todesfall von seinem Vater verstoßen und ins Exil an den Hof des Peleus geschickt. Dort erwartet ihn eine Ausbildung zu einem Krieger, ein Schicksal das er mit vielen Jungen teilt, die dort leben. Sein Schicksal ändert sich, als er Achill kennenlernt, Sohn des Peleus und der Meeresgöttin Thetis. Die beiden freunden sich an, werden schon bald Gefährten und schließlich mehr. Ganz gleich, wohin Achill geschickt wird – zu dem Zentauren Cheiron um Kriegs- und Heilkunst zu erlernen, auf die Insel Skyros, wo Achill sich vor den Boten Agamemnons versteckt hält, der alle Griechen zum Kampf gegen Troja aufruft und schließlich im Krieg gegen Troja selbst – Patroklos ist immer an Achills Seite, ganz gleich welches Schicksal auf sie wartet …
Eigene Meinung:
Mit “Das Lied des Achill” legt die amerikanische Autorin Madeline Miller ihr Debüt vor. Das Buch erschien 2011 erstmals im Verlag HarperCollins und wurde schnell zum Bestseller. Die auf Geschichte zwischen Patroklos und Achill erhielt positive Kritiken und wurde 2012 mit dem Orange Prize for Fiction ausgezeichnet.
Die Geschichte wird komplett aus Patroklos’ Sicht erzählt und setzt in dessen Kindheit an – man begleitet den jungen Prinzen auf seinem Weg vom ungeliebten Sohn eines Königs hin zum Gefährten des Achill. Der Fokus der Geschichte liegt klar auf der aufkeimenden Liebe und wachsenden Beziehung zwischen den beiden Männern. Die Sicht von Patroklos ist entsprechend kitschig verbrämt, denn Achill ist für den jungen Mann in allen Dingen perfekt – als Halbgott sieht er gut aus, ist der beste Krieger, kann musizieren und ist vom Charakter her ehrlich und loyal. Patroklos kommt im Vergleich zu Achill meist weniger gut weg – was er insbesondere von Achills Mutter Thetis zu hören bekommt – ist er doch nur ein Mensch und kann nur schwer mit dem Halbgott Achill mithalten.
Die Autorin orientiert sich stark an die griechischen Sagen und Legenden um Achill, vor allem an die Ilias von Homer, in der angedeutet wird, dass Schill und Patroklos mehr waren als nur Freunde und Kampfgefährten. Madeline Miller interpretiert die Geschichte teils gänzlich neu, gibt tiefe Einblicke in die Lehrjahre Achills und seine Jugend, und erzählt die Liebe zwischen den beiden Männern sehr einfühlsam und nachvollziehbar. Als Leser*in ist man dank Patroklos stets nah am Geschehen und direkt dabei, erlebt die vielen Ereignisse, die Achill prägen hautnah und versteht teilweise, warum Achill handelt, wie er handelt. Teils tritt Patroklos dabei ein wenig zu sehr in Achills Schatten und wird dadurch recht blass, doch es passt zu den Legenden, die Achill als strahlenden Helden von Troja und unbesiegbaren Krieger darstellen. Wer griechische Sagen und Legenden liebt und gerade die Figur des Achill (neu) kennenlernen will, ist mit Madeline Millers Version nicht schlecht beraten – sie weiß zu fesseln und wartet mit vielen Details auf, die ahnen lassen, wie viel Zeit die Autorin in die Recherche investiert hat. Man spürt, wie viel Liebe in die Geschichte geflossen ist.
Die Figuren sind gut in Szene gesetzt – als Leser*in kann man sich gut mit Patroklos identifizieren, da er einem als gewöhnlicher Mensch näher steht, als die Helden, Halbgötter und Götter, die immer wieder auftauchen und die eigentliche Handlung bestimmen. Das macht aus Patroklos eher einen Beobachter und Erzähler, niemanden, der direkt am (Kampf-) Geschehen teilnimmt. Das ist leider auch der Punkt, der ihn ein wenig blass macht und ihn manchmal zu sehr zurücksetzt – er steht immer in Achills Schatten, wird an ihm gemessen und findet nur selten Respekt und Anerkennung. Auch ist er stark auf Achill fokussiert, der für ihn perfekt und makellos ist und keine Fehler zu machen scheint. Achill wiederum ist auf andere Art und Weise blass – er mag der strahlende Held sein, doch seine Person wird nur über sein Äußeres und seine Kampfkraft definiert. Er ist unbesiegbar, der stärkste Grieche und ein jeder bewundert ihn. Dass er es genießt im Zentrum zu stehen und als Held in die Geschichte eingehen will, wird sehr oft deutlich – so sehr, dass man den eigentlichen Achill nur am Rande kennenlernt. Da Patroklos Sich sehr verblendet ist, bekommt man als Leser*in nur den perfekten Achill präsentiert, nie lernt man ihn emotional tiefer kennen. Das ist schade, denn obgleich man den Eindruck hat, die Figur gut zu kennen, hätte es Potenzial für mehr gegeben.
Die übrigen Figuren entsprechen weitestgehend der griechischen Legenden und fügen sich gut in die Geschichte ein, ganz besonders der schlagfertige und gewitzte Odysseus, der ruhige, weise Cheiron und die hasserfüllte Meeresgöttin Thetis.
Stilistisch legt Madeline Miller einen angenehm lesbaren und stimmungsvollen Roman vor, der durch vor allem durch bildhafte Beschreibungen und eine blumige Sprache besticht. Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive Patroklos’ erzählt, so dass man auf seine teils verblendete Sicht beschränkt ist, was ein wenig schade ist – man hätte gerne einige Szenen aus Achills’ Sicht gelesen, um zu erkennen, ob dieser wirklich so perfekt ist, wie Patroklos ihn beschreibt. Da dies jedoch zur eigentlichen Sage um Achill passt, ist es in Ordnung. Insgesamt hat die Autorin ein Händchen für ihre Figuren, die griechische Antike und die schillernden Figuren der griechischen Sagenwelt.
Fazit:
“Das Lied des Achill” ist eine wunderschöne, sehr gefühlvolle und mitreißende Interpretation der Achill-Sage, die besonderen Wert auf die Beziehung zwischen Patroklos und Achill legt. Teils rückt diese zu sehr in den Fokus und ist dank Patroklos’ Sicht sehr kitschig und blumig, doch wirklich störend ist dies nicht – man begleitet die beiden sehr gerne auf ihrem Weg, der im Krieg um Troja ein abruptes Ende findet. Trotz der kleinen Kritikpunkte hat Madeline Miller ein zeitloses Werk geschaffen, das fesseln und begeistern kann. Wer epische Liebesgeschichten und antike Helden mag, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren.