[ROMAN] Das zweite Zimmer von Magda Kalandadse

Autor*in: Magda Kalandadse
Übersetzer*in: Rachel Gratzfeld
Hardcover: 160 Seiten
ISBN: 978-3948259310
Preis: 22,00 EUR (Hardcover)
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Story:
Elenes Leben als lesbische Frau ist von Heimlichkeit, Angst und Unsicherheit geprägt, denn in Tbilisi, der Hauptstadt Georgiens, ist es nahezu unmöglich offen queer zu sein. Die Besuche ihrer Freundin Lili finden stets im Verborgenen statt, denn Elene hat Angst vor Entdeckung und Ausgrenzung. Als sie aus finanziellen Gründen notgedrungen eins der Schlafzimmer an die lesbische Aktivistin Lena unterzuvermieten, beginnt eine schleichende Wandlung, denn Elene ist fasziniert von der jungen Frau, ihrer Offenheit und ihrem queeren Freundeskreis, in den sie unweigerlich hineinrutscht …

Eigene Meinung:
Mit „Das zweite Zimmer“ legt der Mauke Verlag im Rahmen der Edition Europastraße das Debüt der georgischen Autorin, Übersetzerin und Aktivistin Magda Kalandadse, die sich für queere und feministische Anliegen engagiert. Der von Rachel Gratzfeld übersetzte Roman erschien als Hardcover, umfasst 160 Seiten und wirkt wie ein Kammerspiel, das vorwiegend in Elenes Wohnung spielt.

Die Geschichte entführt die Leser*innen in Elenes Leben und Wohnung, in der ein Großteil der Handlung stattfindet – hier lernt man Elene in all ihren Facetten kennen. Sie ist eine Frau, die sich als Übersetzerin durchs Leben schlägt, hin und wieder heimlich ihre Freundin Lili trifft und mit Lena eine ungewöhnliche Untermieterin bekommt, verkörpert die junge Aktivistin doch alles, wovor Elene insgeheim Angst hat. Lena lebt offen queer, engagiert sich mit ihren Freund*innen für queere Menschen und lässt sich nicht von dem Hass und der Gewalt unterkriegen, die ihr mitunter entgegen schlägt. Auch ihren Freundeskreis lernt Elene kennen, bleibt jedoch immer nur am Rande, um sich notfalls schnell zurückziehen zu können, denn keinesfalls will sie mit ihnen in Verbindung gebracht werden – zu groß ist die Angst, dass Familie und Arbeitskollegen erfahren, mit wem sie sich in ihrer Freizeit abgibt oder, noch schlimmer, dass sie selbst queer ist. Die Autorin gibt auch Einblicke in Elenes Vergangenheit, zeigt auf wie schwer es für eine lesbische Frau ist, in einem Land aufzuwachsen, in dem es scheinbar unmöglich ist, sich zu outen. Insgesamt fängt sie die Stimmung, die queeren Menschen in Georgien entgegenschlägt sehr gut ein und zeichnet ein bedrückendes Bild – man versteht Elene, die Angst davor hat, sich zu offenbaren, denn ihr gesamtes Leben und ihre Karriere stehen auf dem Spiel. Gleichzeitig kann man ihre Neugierde nachvollziehen, ihren immer stärker werdenden Wunsch, endlich auszubrechen und zumindest einen Teil ihres geheimen Lebens zu offenbaren.

Die Figuren sind sehr realistisch gezeichnet und gut nachvollziehbar – Elene lernt man am besten kennen, da die Geschichte aus ihrer Sicht erzählt wird. Sie ist eine Frau, die von Ängsten und Zweifeln getrieben wird – mitunter offenbart sich das in leicht depressiven Stimmungen und der Tatsache, dass sie sich oftmals gehen lässt. Sie raucht Kette, kümmert sich weder um die Wohnung noch um sich und hat keine Probleme damit in schmutzigen Laken zu schlafen. Man spürt deutlich, wie sehr sie die Heimlichkeit belastet, wie unzufrieden sie mit ihrem Leben ist und wie stark es ihre Psyche angreift.
Die übrigen Figuren lernt man eher am Rande kennen – Lena und ihre Freund*innen sind neben Elenes Partnerin Lili am stärksten ausgearbeitet und zeigen auf unterschiedliche Weise, dass sie wesentlich gefestigter durchs Lebe gehen als Elene. Sie haben Ziele, die sie verfolgen, während die Hauptfigur eher in den Tag hineinlebt, die sich nur schwer dazu aufraffen kann überhaupt aufzustehen. I Laufe der Erzählung wird deutlich, wie sehr Elene darunter zu leider hat, einen Großteil ihrer Persönlichkeit im Verborgenen auszuleben und wie sehr es sie im Grunde zerstört.

Stilistisch legt Magda Kalandadse ein ungewöhnliches Werk vor, bei dem man sich Zeit zum Lesen nehmen muss, um der Geschichte zu folgen. Zum einen ist „Das zweite Zimmer“ keine Lektüre für Zwischendurch, da er sprachlich sehr direkt und schnörkellos ist, zum anderen sind einige stilistische Punkte ungewohnt – die Tatsache, dass wörtliche Rede nicht gekennzeichnet ist, sondern direkt im Fließtext eingearbeitet wird, erschwert Lesenden die Dialoge, die ein wichtiges Element der Erzählung sind. Auch sonst ist „Das zweite Zimmer“ ein forderndes Buch, das man mit einer gewissen Konzentration lesen muss und bei dem man nicht auf Spannung Action und Dramatik hoffen darf, da die Erzählung Einblicke in das Leben einer lesbischen Frau gibt, die die meiste Zeit mit sich und ihrem Leben hadert.

Fazit:
Mit der Erzählung „Das zweite Zimmer“ legt Magda Kalandadse ein ungewöhnliches, packendes Debüt vor, das durch realistische Figuren, eine direkte, schnörkelfreie Sprache und einen guten Einblick in das queere Leben in Georgien besticht. In der wie ein Kammerspiel anmutenden Geschichte lernen Leser*innen eine Frau voller Ängste, Zwiespälte und Unzulänglichkeiten kennen, die zwischen dem Wunsch endlich auszubrechen und einem erzwungenen Leben in Sicherheit hin und her pendelt, ohne jemals ans Ziel zu kommen. Wer realistische, lebensnahe Romane mag, in der der Fokus auf der Hauptfigur in all ihre Facetten liegt, sollte einen Blick riskieren.

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