Autorin: Anne Freytag
Taschenbuch: 400 Seiten
ISBN: 978-3-453-27103-6
Preis: 11,99 EUR (eBook) / 14,99 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Kurz vor dem Abitur muss sich die 17-jährige Sophie vollkommen neu orientieren: gemeinsam mit ihrem Vater zieht sie nach München, da dieser in Lena seine große Liebe gefunden hat. Plötzlich hat Sophie eine Mutter, zwei Brüder einen Hund und ein riesiges Zimmer in einem großen Haus. Für sie ein blanker Albtraum, da sie einfach nur zurück nach Hamburg und keine neue Familie haben will. Erst als sie das Nachbarsmädchen Alex kennenlernt, ändert sich nach und nach ihr Leben – ganz besonders, als aus der Freundschaft mehr wird und die beiden schließlich zwei unbeschwerte Wochen zusammen verbringen. Doch Alex hat einen Freund und ringt mit sich, den nächsten Schritt zu gehen, ebenso wie Sophie, die Angst davor hat, Alex vor die Wahl zu stellen …
Eigene Meinung:
Mit „Den Mund voll ungesagter Dinge“ wagt sich Anne Freytag nach dem hochgelobten und prämierten Jugendbuch „Mein bester letzter Sommer“ an eine lesbische Liebesgeschichte nebst den typischen jugendlichen Problemen. Unter Ally Taylor ist die Autorin auch im Erotik-Genre unterwegs und schreibt Romane für Erwachsene – unter Anne Freytag findet man eher Liebesgeschichten für jüngere Leser. Das vorliegende Buch erschien bei Heyne und ist eines der wenigen Jugendbücher großer Verlage, in denen es um die Liebe zwischen zwei Mädchen geht.
Die Geschichte bietet grundsätzlich nichts Neues und kommt mit den üblichen Bausteinen daher: Umzug in eine fremde Stadt, neue Familie, Schule und Mitschüler und daraus resultierend eine Menge Probleme. Sophie fühlt sich von ihrem Vater unverstanden, von ihrem Freund Lukas allein gelassen (dieser verliebte sich in eine junge Französin und zog nach Paris) und hadert mit ihrer neuen Familie, ganz gleich wie aufmerksam gerade ihre Mutter ist. Sie befindet sich in vielen Punkten im Umbruch, weswegen sie oftmals ein wenig launisch daherkommt und nicht immer Sympathieträgerin ist (wie sie sogar in einer Szene selbst feststellt). Als sie Alex kennenlernt und sich nach und nach mehr als Freundschaft zwischen den beiden Mädchen entspinnt, ist sie überfordert, stürzt sich aber in die geheime Beziehung, ohne die Probleme und Konsequenzen wirklich zu bedenken.
Anne Freytag legt ein wunderschönes, sensibles Jugendbuch vor und setzt zwei junge Mädchen ins Zentrum, die realistischer nicht sein könnten. Sie haben ihre Ecken und Kanten, sind keine strahlenden Heldinnen und machen sich keine Gedanken über ein Coming-Out. Genau dieser Punkt wird auf angenehme Art und Weise ausgeklammert, denn Sophie macht sich nur ganz am Rande Gedanken darüber, ob sie lesbisch ist, oder ob sie sich einfach nur zufällig in ein Mädchen verliebt hat. Es gibt kein endloses Hin und Her hinsichtlich der sexuellen Orientierung, sondern einfach nur eine Liebe zwischen zwei Mädchen, die sowohl Alex als auch Sophie auf Trab hält.
Die Autorin beschreibt Sophies Gedanken und Gefühle hautnah und lässt sich Zeit die beiden Mädchen zusammenzubringen. Dabei steht immer Sophie im Mittelpunkt, da man die Geschichte aus ihrer Perspektive liest. Man begleitet sie nach München, lernt ihre neue Familie kennen und erfährt nach und nach mehr über sie. Erst ganz am Ende bekommt man einen Einblick in Alex‘ Gedankenwelt – nüchtern, klar und direkt.
Die Figuren sind sehr authentisch und realistisch. Man kann sich sehr gut in sie hineinversetzen und sich leicht mit ihnen und ihren Problemen identifizieren. Die Tatsache, dass sie nicht perfekt sind und Sophie mitunter sehr zickig ist, sorgt dafür, dass sie dem Leser realer vorkommt, als sei sie aus Fleisch und Blut. Auch Alex ist nicht immer sympathisch, doch auch ihr kommt man sehr nah.
Die Nebenfiguren sind ebenfalls sympathisch, allen voran Lena, die das Gegenteil der bösen Stiefmutter ist und eine durch und durch angenehme Art hat, mit ihrer neuen Tochter umzugehen. Auch ihre Söhne sind klasse – man schließt sie schnell ins Herz. Clemens und Nik wirken sehr oberflächlich, als hätten sie nur Interesse daran, Sophie respektive Alex ins Bett zu kriegen. Leider fehlt ihnen ein wenig der Tiefgang, dabei gab es bei Clemens zumindest ein paar Andeutungen. Das ist fast ein wenig schade.
Die Autorin hat einen angenehmen, sehr stimmungsvollen Stil, der gut zu Sophie und ihren Gedanken passt. Ihr gelingt es, die Stimme der heutigen Jugend zu treffen und das Thema gleichzeitig auf bekannte und erfrischend neue Art und Weise zu präsentieren. Obwohl es eine Liebesgeschichte ist, ist „Den Mund voll ungesagter Dinge“ nicht kitschig, und die Autorin nimmt auch kein Blatt vor den Mund, als es zwischen den Mädchen expliziter zur Sache geht. Bleibt zu hoffen, dass sie sich irgendwann noch einmal in die queere Richtung wagt – sie hat eine tolle Sprache, um die Thematik für Jugendliche passend zu verpacken.
Fazit:
„Den Mund voll ungesagter Dinge“ ist ein tolles lesbisches Jugendbuch, das durch authentische, sehr realistische Charaktere, eine sehr intensive Liebesgeschichte und eine tolle sprachliche Umsetzung besticht. Wer auf der Suche nach einem lesbischen Jugendbuch ist, bekommt mit Anne Freytag zweitem Jugendbuch ein gelungenes Werk, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Bleibt zu hoffen, dass Verlage nachziehen und queeren Geschichten die Türen öffnen – es wäre wünschenswert mehr im Buchhandel mehr Bücher wie „Den Mund voll ungesagter Dinge“ zu finden. Sehr zu empfehlen.
2 Gedanken zu „[ROMAN] Den Mund voll ungesagter Dinge von Anne Freytag“