Autor: Bethan Robert
Taschenbuch: 368 Seiten
ISBN: 978-3-453-35780-8
Preis: 8,99 EUR (eBook) | 8,99 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Es ist der glücklichste Tag in Marions Leben, als der Bruder ihrer besten Freundin ihr endlich einen Heiratsantrag macht. Seit Jahren ist sie in Tom verliebt, ignoriert sowohl seine kühle Zurückhaltung, als auch die Tatsache, dass der junge Polizist seine Zeit am liebsten mit Patrick Hazlewood verbringt – einem intelligenten und freundlichen Museumskurator, mit dem sich auch Marion angefreundet hat. Obwohl sie ihr bestes tut, das Offensichtliche zu ignorieren, kann sie den Verdacht nicht abschütteln, dass Tom und Patrick mehr verbindet als bloße Freundschaft. Als die beiden Männer zusammen nach Venedig reisen, trifft Marion eine folgenschwere Entscheidung …
Eigene Meinung:
Bethan Roberts‘ „Der Liebhaber meines Mannes“ erschien erstmals 2012 und wurde stark von E.M. Fosters Leben und seiner Freundschaft zu einem verheirateten Polizisten inspiriert. Der Roman gewann mehrere Preise und kam 2013 beim Kunstmann Verlag auf den deutschen Markt. Es ist der dritte Roman aus ihrer Feder.
Die Handlung spielt sich auf zwei Zeitebenen ab – zum einen in den 50er Jahren, zu einer Zeit, in der Homosexualität in Groß-Britannien noch strafbar war, zum anderen Ende des 20. Jahrhunderts. Man lernt die Lehrerin Marion kennen, deren große Liebe aus Jugendtagen in Erfüllung geht, als Tom ihr einen Heiratsantrag macht. Dass ihre Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist, will sie nur schwer akzeptieren, denn Tom ist in Patrick Hazlewood verliebt – was von diesem ebenso innig erwidert wird. Aufgrund der gesellschaftlichen Konventionen ist es jedoch für beide Männer undenkbar, gemeinsam glücklich zu werden und ihre Treffen und Zusammenkünfte zwingen sie zu großer Vorsicht und Heimlichkeit. Als Marion nach und nach erkennen muss, was vor ihrer Nase geschieht, entscheidet sie sich zu einem Schritt, der nicht nur Patricks Leben zerstört, sondern auch ihr eigenes.
Erst dreißig Jahre später sieht sie eine Möglichkeit, ihren Fehler wieder gutzumachen. Sie stöbert Patrick auf, der aufgrund mehrerer Schlaganfälle gelähmt und ein Pflegefall geworden ist und nimmt ihn zu sich und ihrem Mann Tom. Doch beide Männer schweigen – Patrick kann nicht mehr sprechen, für Tom kommt eine Aussprache zu spät. Er zieht sich gänzlich zurück, was Marion in die Zwangslage versetzt, sich um Patrick zu kümmern. Für sie wird es zu einer späten Lebensaufgabe, die Männer, die sie einst trennte, wieder zu vereinen.
Bethan Roberts ist ein sehr authentischer, sensibler Roman geglückt, der in ruhigen Bahnen verläuft und vorwiegend durch die unterschiedlichen, sehr realistischen Figuren lebt – Marion ist eine stille, unterwürfige Frau, die selten aus dem Schatten anderer hervortritt und sich wirklich für eine Sache einsetzt. Sie entspricht ganz dem Frauenbild der 50er Jahre und weiß dementsprechend nicht, wie sie auf Toms „Andersartigkeit“ reagieren soll. Tom selbst wirkt innerlich zerrissen – zum einen ist er Polizist, was seiner geheimen, illegalen Beziehung zu Patrick eine gewisse Explosionskraft verleiht, zum anderen liebt er Patrick. Dennoch versucht er ein Bild aufrecht zu erhalten, das von der Allgemeinheit akzeptiert wird, ohne gänzlich von Patrick zu lassen. Dieser Zwiespalt zerstört ihn systematisch. Als dritter im Bunde wirkt Patrick in vielfacher Hinsicht fremdartig, was daran liegt, dass er gebildeter und wohlhabender daherkommt. Er kommt aus einer ganz anderen Gesellschaftsschicht als Tom und lebt seine Homosexualität zwar nicht offen aus, aber mit einem gewissen Stolz.
Die Dreiecksbeziehung zwischen Marion, Tom und Patrick ist sehr gut umgesetzt und passt zum zeitlichen Hintergrund. Bethan Roberts ist ein beeindruckendes Zeitportrait gelungen, das den Leser berührt und dafür sorgt, dass man mit den Figuren mitleidet.
Die Geschichte wird sowohl aus Marions Sicht, als auch aus Patricks erzählt. Dabei ist besonders Marions Perspektive ungewöhnlich, denn sie richtet sich mit ihren Worten direkt an Patrick (in der zweiten Person), immerhin schreibt sie ihre Version auf, als sie diesen pflegt. Im Gegenzug dazu ist Patricks Sichtweise in Tagebuchform gehalten und spielt damit direkt in den 50er Jahren. Die beiden wechseln sich ab, was dem Roman eine gewisse Dreidimensionalität verleiht und dafür sorgt, dass man beide sehr gut nachvollziehen und verstehen kann. Die Autorin zeigt, dass beide Protagonisten vor allem ihre Liebe zu Tom eint. Dieser bleibt als einziger ohne Stimme und ist dadurch ein wenig diffus und geheimnisvoll – man weiß nicht genau, was Toms Gedanken sind und wie er die Ereignisse erlebt hat. Stattdessen lernt man ihn nur durch Marions und Patricks Augen kennen, die ihn zum Objekt ihrer Liebe machen. Einzig die Tatsache, dass Tom dadurch mitunter sehr kalt wirkt – sowohl gegenüber Marion als auch Patrick, stört beim Lesen etwas. Es gelingt Bethan Roberts nicht ganz die Gefühle der Figuren zu transportieren. Auch vermisst man unweigerlich die dreißig Jahre und fragt sich, was die Charaktere in dieser Zeit gemacht haben.
Fazit:
„Der Liebhaber meines Mannes“ ist ein sensibler, authentischer und nachdenklich stimmender Roman, der durch eine tolle Sprache, nachvollziehbare Charaktere und ein sehr gelungenes Zeitpanorama der 50er Jahre besticht. Wer ruhigere, ernstere Themen bevorzugt und nicht unbedingt ein kitschiges Happy End braucht, sollte sich Bethan Roberts‘ „Der Liebhaber meines Mannes“ nicht entgehen lassen. Bis auf kleinere Abzüge ist es ein beeindruckendes Werk, das lange nachhallt. Zu empfehlen.