Autor: Jan Guillou
Hardcover: 432 Seiten
ISBN-13: 978-3453268401
Preis: 8,99 EUR (eBook) | 19,99 EUR (Hardcover)
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Story:
Obwohl es Sverre schwer fällt und er sich wie ein Verräter vorkommt, folgt er nach seinem Studium in Dresden seiner großen Liebe – Albert Manningham – nach England, anstatt an der Seite seiner Brüder Lauritz und Oscar am größten Brückenbauprojekt Norwegens mitzuwirken. Dort entpuppt sich Albie allerdings nicht als kleiner Landadeliger, sondern als Earl, dem ei großen Anwesen gehört und der als Stammhalter der Familie gilt. Nichtsdestotrotz findet er sich schnell in seinem neuen Leben zurecht, findet Freunde (u.a. Alberts Schwester Margie) und entdeckt die Malerei für sich. An Alberts Seite, der ihn zumeist als Kompagnon ausgibt, um einen Skandal abzuwenden, vertieft er sich in die Malerei, lernt weitere Künstler und Freidenker kennen und schließt sogar mit seiner Vergangenheit Frieden, als er seine Heimat besucht. Doch die Vorboten des ersten Weltkriegs werfen ihren Schatten voraus und plötzlich steht für Albie und Sverre mehr auf dem Spiel als ihre geheime Liebe zueinander …
Eigene Meinung:
„Die Brüder“, der in Schweden unter dem Titel „Dandy“ erschien, ist der zweite Roman der „Großen Jahrhundert“ Reihe des Autoren Jan Guillou. Während der Leser im ersten Band („Die Brückenbauer“ – die Rezension von mir findet ihr auf Splashbooks) Sverres ältere Brüder Lauritz und Oscar kennenlernte und ihren Weg durch das beginnende 20. Jahrhundert mitverfolgen konnte, erfährt man in „Die Brüder“ endlich, was aus dem dritten Bruder wurde. Trotz der Zusammengehörigkeit zu „Die Brückenbauer“ kann man den vorliegenden Roman auch separat lesen, da keinerlei größeren Vorkenntnisse vonnöten sind, um der Handlung zu folgen. Um alle Hinweise und Zusammenhänge zu verstehen, empfiehlt es sich jedoch den ersten Band zu lesen.
Inhaltlich bewegt sich Jan Guillou in denselben Bahnen wie bei „Die Brückenbauer“. Es werden rund 20 Jahre (1900 – 1919) beleuchtet, konzentriert auf Sverres Leben und seine Sichtweise. Hin und wieder spielt auch Alberts Blickwinkel mit hinein, doch dies ist auf den Anfang beschränkt, wenn der Autor die Hintergründe der Beziehung zwischen Sverre und Albert erklärt. Spätestens nach dem ersten Drittel geht dem Roman jedoch spürbar die Luft aus. Während man bei „Die Brückenbauer“ von dem anstrengenden Brückenbau im hohen Norden und dem gefährlichen, wilden Leben in Afrika mitgerissen wurde, plätschert die Handlung in „Die Brüder“ ein wenig unmotiviert vor sich hin. Hier ein längerer Ausblick in die englische Gesellschaft, da eine ausufernde Auseinandersetzung mit der Kunst, der sich Sverre mehr und mehr verschreibt. Dementsprechend bleiben die technischen Beschreibungen und die Hintergründe des Fortschritts weitestgehend auf der Strecke, was dem Buch einen Großteil seiner Würze nimmt. Hätte sich Jan Guillou stärker auf die Beziehung zwischen Albert und Sverre konzentriert, auf die Probleme und Schwierigkeiten, die ihre Liebe in den Jahren nach der Oscar Wilde Affäre mit sich bringt, wäre „Die Brüder“ durchweg spannenden und interessanter gewesen. Leider geht der Autor kaum auf die vielen Punkte ein, die inhaltlich genug Stoff Spannung, Gesellschaftskritik und einen wirklichen Handlungsbogen liefern. Nahezu alle Passagen, die tiefer gehen und auch den Figuren mehr Leben einhauchen könnten, werden eher mittels Rückblenden erzählt (z.B. Alberts Affäre mit einem anderen Mann) oder im Nebensatz erwähnt. Dadurch nimmt Jan Guillou seinem Roman leider einiges an Fahrt.
Leider wirken auch die Charaktere blasser und aufgesetzter, als Oscar, Lauritz und Ingeborg in „Die Brückenbauer“. Das liegt vorwiegend daran, dass sich Jan Guillou davor scheut die Beziehung zwischen den beiden Protagonisten tiefgängiger darzustellen und ihnen den passenden Rahmen zu geben. Egal wie viele Künstler und Freidenker mit Sverre und Albert befreundet sind und wie viele Gespräche es hinsichtlich freier Liebe gibt, die Beziehung zwischen Sverre und Albert wirkt nicht greifbar und kommt zumeist unglaubwürdig daher. Das liegt vor allem daran, dass sich der Autor davor scheut, die Liebe zwischen den Protagonisten und die daraus resultierenden Konflikte aktiv darzustellen. So kommen Szenen, in denen Albert und Sverre allein agieren müssen, sehr selten vor, so dass man als Leser nicht einmal das Gefühl einer verbotenen Liebe oder Beziehung zu haben. Sverre und Albert wirken eher wie enge Freunde, als wie Liebhaber.
Dafür können die Nebencharaktere durchaus punkten – allen voran Margie, die eine sehr starke, ungewöhnliche junge Frau ist und in ihrem Charakter stark an Ingeborg erinnert. Jan Guillou scheint eine Schwäche für derart starke Protagonistinnen zu haben, was dem Buch gut tut, denn Margie sorgt für ein bisschen Würze und Feuer. Auch der Freundeskreis um die beiden Hauptfiguren bietet dem Leser einige interessante Charaktere, teils sogar historische Persönlichkeiten, die jedoch nur am Rande erwähnt werden.
Stilistisch bleibt sich Jan Guillou treu und bietet gewohnt solide, aber auch nüchterne Kost, die auf allzu viele Schnörkel verzichtet. Sicherlich geht er hier und da ins Detail und lässt das beginnenden 20. Jahrhundert sehr authentisch und lebendig vor den Augen des Lesers auferstehen, doch es mangelt an Tiefgang. Das merkt man auch bei der sprachlichen Umsetzung des Romans, der sich zu oft an Kleinigkeiten aufhält und auf Dialoge verzichtet. Sicherlich merkt man wie umfangreich der Autor recherchiert hat und wie historisch genau „Die Brüder“ geworden ist, doch das ersetzt leider nicht die mangelnde Charakternähe und die fehlende Spannung. Es ist schade, dass sich Jan Guillou wenig mit seinen homosexuellen Hauptfiguren beschäftigt hat, wo er den historischen Hintergründen und Ereignisse solch große Beachtung geschenkt hat.
Fazit:
Mit „Die Brüder“ setzt Jan Guillou seine Trilogie „Das große Jahrhundert“ fort und beleuchtet den Weg, den der jüngste Bruder der Lauritzen Familie eingeschlagen hat. Leider gelingt es ihm bei weitem nicht die Geschichte um Sverre und dessen Liebhaber Albert überzeugend und tiefgründig darzustellen und „Die Brückenbauer“ in derselben Qualität fortzuführen, wie man als Fan des ersten Bandes gehofft hat. Dafür bleiben sowohl die Figuren als auch die Handlung zu oberflächlich und verlieren sich zu häufig in nichtssagenden Episoden und unwichtigem Beiwerk. Schade – hier hätte man mehr herausholen können, denn allein die (für diese Zeit) problematisch Beziehung bietet genügend Platz für Spannung und Dynamik.
Wer wissen will, was im ersten Band er Trilogie verschwiegen wurde, sprich wie es Sverre ergangen ist, wird um „Die Brüder“ nicht herumkommen – ein solch gelungenes, historisches Werk wie „Die Brückenbauer“ darf man jedoch nicht erwarten.
Diese Rezension erschien zuerst auf dem Rezensionsportal “Splashbooks“.
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