Autor: K. J. Charles
eBook: ca. 350 Seiten
ASIN: B07BRT2S8K
Preis: 4,99 EUR (eBook)
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Story:
Clem Talleyfer führt im Auftrag seines Bruders Eduard eine Pension im Herzen von London und kümmert sich um das Wohl seiner Gäste. Zu diesen gehört auch der trunksüchtige Lugtrout, der trotz seines unangenehmen Verhaltens auf Eduards Anweisungen hin kostenfrei in der Pension leben und unter keinen Umständen rausgeworfen werden darf. Zum Glück liebt auch der Tierpräperator Rowley Green in der Pension, für den Clem bald mehr empfindet und der seine Gefühle sogar erwidert. Während sich die beiden langsam näher kommen, beginnt eine Reihe schrecklicher Ereignisse, die die beiden untersuchen müssen – Logtrout wird tot auf der Schwelle der Pension gefunden, in Rowleys Geschäft wird eingebrochen und sie werden wiederholt von einem hünenhaften Schläger bedroht. Eher zufällig kommen sie den Hintergründen auf die Spur, was Clem vor ein Problem stellt, deutet doch alles auf seinen Bruder hin …
Eigene Meinung:
Mit „Ein schweigsamer Gentleman“ stellt dp DIGITAL PUBLISHERS den ersten Teil der „London Sins“-Trilogie von K. J. Charles vor. Zeitgleich ist es die erste deutsche Übersetzung der Autorin – ob die weiteren Bände der Reihe ebenfalls hierzulande erscheinen, wird sich zeigen. Wünschenswert wäre es, da der Band mit einem winzigen Cliffhanger endet, der neugierig auf die nächsten Bücher macht.
Inhaltlich hat das Buch einige Schwächen, die den Lesegenuss deutlich mindern. So bleibt trotz Krimi-Handlung die Spannung weiterstgehend auf der Strecke, denn man kann sich relativ schnell denken, wer hinter den Ereignissen steht und Clem und Rowley das Leben schwer macht. Auch sonst fehlt ein kontinuierlicher Spannungsbogen, insbesondere da Clem die ganze Sache ziemlich ausbremst und viele offensichtliche Tatsachen nicht wahrhaben will. Auch ist es schade, dass die Autorin viele gute Szenen verbaut, indem sie sie nicht ausschreibt, sondern ihr Augenmerk auf andere Dinge lenkt. Das ist sehr schade – in vielen Dingen wäre sie besser gefahren, wenn sie sich an die Regel „Show, don’t tell“ gehalten hätte.
Nichtsdestotrotz taucht man mühelos in das damalige London ein und lernt die verschiedenen Charaktere gerne kennen. Gerade bei den Hintergründen und den Begebenheiten um 1870 hat sich K. J. Charles viel Mühe gegeben – so sind die Beschreibungen von Rowleys Arbeit als Tierpräperator sehr detailliert, ebenso die des schwarzen Nebels von London und weiterer historischer Fakten, die das Ganze lebendig und authentisch machen. Hier merkt man, dass sie sich über die Begebenheiten informiert hat. Leider geht sie diesen Weg nicht bis zum Schluss, denn in einigen Fällen hat man den Eindruck, sie vergisst in welcher Zeit ihr Buch spielt und man hat plötzlich recht moderne Wörter in Gesprächen oder kleine Details, die nicht ganz in diese Zeit passen. Gerade bei den kleinen Dingen fehlt die historische Authentizität.
Die Charaktere wiederum sind sehr interessant – sowohl Clem als auch Rowley entsprechen nicht den typischen Stereotypen, sondern haben ihre ganz eigenen charakterlichen Stärken und Schwächen. Es ist spannend, die beiden im Laufe der Geschichte kennenzulernen – der unsichere Clem, der sich mit Menschenmassen schwertut und der viel Konzentration für seine Aufgaben aufwenden muss und der nur im Bett wirklich souverän wirkt; und der stille Rowley, der mit seiner unschönen Vergangenheit zu kämpfen hat und dessen Beruf ebenfalls nicht gänzlich anerkannt ist. Die beiden sind herrlich unperfekt und können allein deswegen schon überzeugen.
Leider bleiben die Nebenfiguren ein wenig blass – mit Ausnahme von Eduard, der eine wichtigere Rolle spielt. Das fällt nicht weiter störend auf, da sich die Autorin stark auf Clem, Rowley und ihre Beziehung konzentriert und natürlich auf den unsäglichen Kriminalfall.
Stilistisch legt K. J. Charles ein solides Debüt vor, bei dem man leider einige kleinere Schwächen in Kauf nehmen muss. Wie bereits erwähnt mangelt es an Spannung und einige Details sind historisch nicht ganz korrekt. Leider ist auch die deutsche Übersetzung nicht so gut gelungen – es schleichen sich immer wieder Fehler ein, Wörter fehlen oder stehen im Satz an der falschen Stelle, oder die Sätze an sich machen gar keinen Sinn mehr. Hier hätte ein (weiterer) Korrekturdurchgang sicherlich vieles ausmerzen können, um den Lesefluss zu verbessern.
Fazit:
„Ein schweigsamer Gentleman“ ist ein solider historischer Gay Romance, der durch ungewöhnliche Charaktere und teils tolle, authentische Beschreibungen besticht. Leider mangelt es dem Roman an Spannung und man ist dem Täter zu schnell auf der Spur, ebenso ist die deutsche Übersetzung nicht so gut gelungen. Nichtsdestotrotz sollten Fans historischer Romane einen Blick riskieren, ganz besonders wenn sie Lust auf erfrischend andersdenkende Charaktere haben und eine verbotene Beziehung im damaligen London. Am besten einen Bick in die Leseprobe werfen und selbst entscheiden …