[ROMAN] Herrlichkeit von Margaret Mazzantini

Autor: Margaret Mazzantini
Taschenbuch:  500 Seiten
ISBN: 978-3-8321-9786-5
Preis: 17,99 EUR (ebook)22,90 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Guido und Costantino wachsen im selben Palazzo, jedoch in unterschiedlichen Milieus auf. Während Guidos Leben von Einsamkeit und einem gewissen Standard geprägt ist, ist gleichaltrige Costantino der Sohn des Hausmeisters des gutbürgerlichen Wohnhauses. Ihre kindliche Abneigung ändert sich während einer Klassenfahrt nach Griechenland und schnell entwickeln die beiden Gefühle füreinander – ein Unding in Italien der 70er/80er Jahre. Keiner der beiden wagt ihre Liebe offen auszuleben: Guido verschlägt es nach London, wo er Kunst unterrichtet und die Japanerin Izumi heiratet; Costantino ehelicht eine Jugendfreundin und eröffnet ein Restaurant in Rom.

Im Laufe der Jahrzehnte treffen sich die beiden Männer immer wieder und versuchen ihrer Liebe Ausdruck zu verleihen, doch nur selten gelingt es ihnen, die gesellschaftlichen Zwänge abzuschütteln und sie selbst zu sein …

Eigene Meinung:
Der Roman „Herrlichkeit“ ist die 8. Veröffentlichung der italienischen Schriftstellerin Margaret Mazzantini, deren frühere Werke sowohl vielfach ausgezeichnet, als auch teilweise verfilmt wurden. Mit dem vorliegenden Roman wagt sie sich an die Geschichte einer schier unmöglichen Liebe, die von Trennungen, kurzen Treffen und der Sehnsucht nach Normalität und Akzeptanz geprägt ist.

„Herrlichkeit“ ist keine leichte Kost – der Leser wird von Anfang an gefordert und es dauert ein wenig, bis man in die Geschichte von Guido und Costantino eingetaucht ist. Diese beginnt Mitte der 60er Jahre, wobei man die Zeit nur anhand der politischen Ereignisse, bekannter Musikstücke und aktueller Gegebenheiten einschätzen kann, und zieht sich bis in unsere heutige Zeit. Man begleitet die beiden Jungen auf ihrem Weg und bei der Entdeckung ihrer Gefühle füreinander, die in dem ersten hilflosen Versuch einer geheimen Beziehung gipfeln. Nach ihrer Trennung verläuft das Leben für beide in unterschiedlichen Bahnen, doch nie können sie wirklich voneinander lassen. Immer wieder begegnen sie sich, lassen ihre Liebe aufflammen und versuchen in aller Heimlichkeit ihrer Liebe Ausdruck zu verleihen – obwohl sie verheiratet sind und Kinder haben.
Mit der Zeit wird die Beziehung der beiden Männer immer verzweifelter: immer mehr spielt Schuld und Scham in ihre Treffen hinein, nie scheinen sie wirklich frei zu sein. So steuern beide haltlos auf eine Katastrophe zu, die beider Denkweise umkrempelt und alles ändert.

Der Leser begleitet Guido rund fünfzig Jahre lang, sieht ihn heranwachsen, Erfahrungen sammeln und sich für ein bestimmtes Leben entscheiden – mal mit Costantino, mal ohne. „Herrlichkeit“ ist daher ein klassischer Entwicklungsroman, wobei die Geschichte nicht an dem Punkt endet, wenn aus den Kindern junge Männer geworden sind. Getreu dem Motto, dass man sich immer weiterentwickelt und verändert, führt Margaret Mazzantini die Geschichte der beiden Männer weiter, lässt den Leser an ihren weiteren Leben teilhaben. Dabei schneidet sie etliche wichtige Ereignisse an, die das Leben von Schwulen über die Jahre hinweg geprägt hat: die fehlende Akzeptanz gegenüber Homosexuellen im Italien der 70/80er Jahre, das Totschweigen der eigenen Sexualität, die Entdeckung von AIDS mit all den Konsequenzen und die Versuche die persönlichen Präferenzen auszuleben, ganz gleich welche Probleme damit einhergehen.

Natürlich ist der Hauptteil des Romans dramatisch, dank Guidos Selbsthass zumeist sehr deprimierend und zerstörerisch – dennoch gelingt der Autorin auch ein positiver Grundtenor, der den Titel des Buches rechtfertigt. „Herrlichkeit“ zeigt nämlich, dass eine Liebe auch über Jahre hinweg anhalten kann und trotz aller Umstände und Probleme Bestand haben kann. Dies erkennt auch Guido, wenngleich es nur selten in seine Gedankenwelten Einzug hält:

Ich sehe ihm zu, und er macht es. Macht drei Schritte und einen Hüpfer. Und dieser Hüpfer sind wir, glaube ich.

Margaret Mazzantini erzählt von einer Liebe, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist und präsentiert mit Guido einen Hauptcharakter, der authentischer und greifbarer nicht sein kann. Es ist bewundernswert, wie real dem Leser diese Figur erscheint, mit all ihren Leiden, ihrem mangelnden Selbstbewusstsein, ihrem Hass und ihrer Scham. Man ist Guido nicht nur nah, man sieht durch seine Augen, fühlt und leidet mit ihm – dabei ist er nicht einmal sonderlich sympathisch. Er ist in gewisser Weise ein Antiheld, der sich mitunter gern selbst geißelt und nur selten in der Lage ist glücklich zu sein.
Costantino ist von Anfang an sympathischer, weil er die treibende Kraft ihrer jugendlichen Beziehung ist, wenngleich er sich später der Normalität einer Familie versteckt. Obwohl er seine Liebe zu Guido mitunter wesentlich brutaler zum Ausdruck bringt, erkennt man allein an der Tatsache, wie er mit seinem behinderten Sohn umgeht, dass er sensibler und offener ist als Guido. Während letzter sich oftmals selbst bemitleidet und gerne aus der Wirklichkeit flieht, steht Costantino mit beiden Beinen im Leben und weiß, wie schwer es sein kann, aus dem Rahmen zu fallen.
Auch die übrigen Figuren sind sehr authentisch und realistisch, seien es Costantinos Eltern und seine Schwester, Guidos Ehefrau Izumi und seine Ziehtochter. Sie geben einen perfekten Rahmen und sind dabei vor allem eines: menschlich.

Stilistisch bietet Margaret Mazzantini belletristisch hochwertige, sehr nüchterne Kost, bei der die meisten Dinge zwischen den Zeilen stattfinden. Dementsprechend konzentriert sollte man beim Lesen von „Herrlichkeit“ sein – es ist kein Buch für Zwischendurch, da man sich auf den Stil der Autorin einlasen muss. Ist der Einstieg gelungen erwartet einen ein sehr dichter, teils schnörkelloser und atmosphärischer Schreibstil, der die Geschichte perfekt beschreibt und das Dilemma der Figuren glaubwürdig zu Papier bringt. Auch die historischen Ereignisse und die vielen Beschreibungen lassen Guidos Welt lebendig werden. Mitunter gibt es längen, gerade im letzten Teil des Romans, doch das fällt kaum störend ins Gewicht, da Margaret Mazzantini durchaus zu fesseln weiß.

Fazit:
„Herrlichkeit“ ist ein atmosphärisches, dichtes Meisterwerk, das durch sehr lebendige, menschliche Charaktere und einen faszinierenden Schreibstil besticht. Die Geschichte von Guido und Costantino geht zu Herzen, ohne kitschig oder übermäßig dramatisch zu wirken und man leidet mit den Figuren. Margaret Mazzantini gelingt ein zeitloses Portrait über eine ausweglose Liebe, die trotz aller Widrigkeiten nicht vergeht und Bestand hat – etwas was in der heutigen Zeit nur selten der Fall ist. Leser, die realistische, belletristische Kost bevorzugen, sollten sich „Herrlichkeit“ nicht entgehen lassen. Es lohnt sich und bietet viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren.

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