Autor: Marius Schaefers
Taschenbuch: 400 Seiten
ISBN: 978-3957612151
Preis: 11,99 EUR (eBook) | 14,00 EUR (Taschenbuch)
Bestellen: Amazon
Story:
Seit Jahren fragt sich Philipp, was aus seiner ersten großen Liebe Ali geworden ist, den er online in einem Forum kennengelernt hat. Ein Treffen scheiterte damals, seitdem ist Ali von der Bildfläche verschwunden. Um endlich Klarheit zu bekommen, beschließt er mit seiner Freundin Vinita ins sächsische Pirna zu reisen, um herauszufinden, warum Ali so plötzlich verschwunden ist. Viel lässt sich nicht herausfinden, dafür freunden sie sich mit Timon an, der Philipp nach und nach in seinen Bann zieht. Dass Timon wie Philipp trans* ist, scheint nur eines der vielen Geheimnisse zu sein, denn er scheint eine Verbindung zu Ali zu haben …
Eigene Meinung:
Mit „In den buntesten Farben“ von Marius Schaefers ist einer der wenigen Own Voice trans*Romane in Deutschland im Mai 2022 beim Lago Verlag erschienen. Statt eine Geschichte über ein Coming-Out als trans* und den damit verbundenen Problemen, hat sich der Autor dafür entschieden den Fokus auf die wachsende Liebesgeschichte zweier trans* Männer, Selbstfindung und die Suche nach dem eigenen Weg zu legen. Der Autor schreibt unter Pseudonym unterschiedliche Romane, die im Selfpublishing oder bei Verlagen herauskommen.
Die Geschichte um Philipp und Timon spielt im sächsischen Pirna und entwickelt sich eher langsam. Dank des lockeren Schreibstils ist man schnell im Buch und kann sich gut in die beiden Protagonisten hineindenken. Man begleitet Philipp auf seiner Suche nach Ali, die allein dadurch erschwert wird, das sechs Jahre zwischen ihrem letzten Kontakt und dem misslungenen Treffen liegen. Dennoch kommt er seinem Online-Freund nach und nach auf die Spur, auch wenn es länger dauert, bis er die gesamten Hintergründe kennt. Leider schafft es der Autor nicht, den Spannungsbogen rund um die Suche nach der Wahrheit aufrecht zu erhalten – bereits im ersten Drittel hat man einen Verdacht, wer sich hinter Ali verbirgt und welche Rolle Timon spielt. Dass dann auch noch eine Notlüge in die Handlung eingewoben wird, sorgt dafür, dass die Geschichte nicht nur vorsehbar wird, sie wird auch zunehmend langatmig. Sobald Timon sich im letzten Drittel in seinem Lügengebilde verstrickt, weiß man genau, welche Szenen die Leser*innen erwarten dürfen, welches Drama noch eingebaut wird und wie die Geschichte endet. Das ist schade, denn der Roman hätte auch ohne den Handlungsbogen und das zusätzliche Drama funktioniert, die Figuren hätten an anderen Konflikten wachsen können. So hat man eher den Eindruck, dass der Autor noch einige Liebesroman-Klischees eingebaut hat, um die Geschichte auf 400 Seiten zu strecken.
Dafür ist das Thema trans* sehr gut eingewoben, ohne dass der Schwerpunkt zu sehr darauf gelegt wird. Sicherlich ist es wichtig, dass die beiden Hauptfiguren trans* sind und man erfährt von beiden eine Menge über die damit einhergehenden Themen (Transition, Mobbing, Konflikte, etc.), doch sie dominieren die Handlung nicht.
Die Figuren sind sympathisch und grundsätzlich gut nachvollziehbar, auch wenn man sich zum Ende hin mit Philipp ein wenig schwer tut, sind doch seine Reaktionen, sobald er zufällig die Wahrheit erfährt sehr plakativ, fast schon extrem. Zudem ist er stark auf sich konzentriert, daher bekommt er nur wenig von Vinita mit, die mit ihren eigenen Sorgen und Ängsten zu kämpfen hat (was jedoch auch daran liegen kann, das der Autor ihr nur am Rande Aufmerksamkeit schenkt und sie nur in Nebensätzen abgehandelt werden). Auch hinsichtlich Timon scheint Philipp nicht so recht nachvollziehen zu können, was diesen umtreibt und welchen Dämonen er sich entgegenstellen muss. Timon wiederrum ist ein sympathischer Rebell, den man erst nach und nach kennenlernt, dessen tiefsitzende Ängste man aber gut nachvollziehen kann.
Stilistisch legt Marius Schaefers einen angenehm lesbaren, solide geschrieben Sommerroman vor, der durch stimmige Dialoge und schöne Beschreibungen besticht. Gerade die Orte werden gute beschrieben, so dass man als Leser*in das Gefühl hat durch Pirna und Leipzig zu schlendern. Da die Geschichte wechselnd aus Philipps und Timons Sicht erzählt wird, lernt man beide gut kennen und kann ihre Reaktionen (zumindest bis zu einem gewissen Grad) verstehen. Die Gefühle zwischen den beiden Männern sind gut nachvollziehbar und auch das trans* Thema wird sensibel und ohne allzu großen Wirbel in die Handlung eingebaut. Der Autor zeigt sehr stilsicher und stimmig, wie queere Repräsentation heutzutage aussehen kann.
Fazit:
„In den buntesten Farben“ ist ein schönes trans* Buch, das durch einen angenehmen Schreibstil, sympathische Charaktere und eine gelungene trans* Repräsentation besticht. Marius Schaefers legt eine stimmige Liebesgeschichte zweier trans* Männer vor und zeigt, dass queere Geschichten (gerade im Bereich trans*) nicht immer aus Problemen bestehen müssen. Dennoch schwächelt die Handlung im Laufe der Geschichte spürbar, wirkt fast künstlich in die Länge gezogen und ist dank des eingebauten Dramas ungemein vorhersehbar. Das ist schade, denn die Geschichte hätte auch ohne diesen Handlungsbogen funktioniert. Nichtsdestotrotz – wer queere Liebesgeschichten, auch wenn sie etwas klischeehaft sind, mag und auf der Suche nach guter trans* Repräsentation ist, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren.