Autor: Julian Mars
Taschenbuch: 328 Seiten
ISBN: 978-3959850384
Preis: 9,99 (eBook) | 14,99 (Taschenbuch)
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Story:
Ein Jahr ist es her, seit Martin Felix verlassen hat und letzterer hat lange gebraucht um den Verlust zu überwinden und in sein Leben zurückzufinden. Doch als er seinen Ex-Freund erneut in Hamburg sichtet, schwemmt alles wieder an die Oberfläche: das abrupte Ende einer zwei-jährigen Beziehung, gepaart mit brennender Sehnsucht und der Angst vor einer Aussprache. Um sich dafür zu wappnen, nimmt Felix den Rat seines Freundes Gabriel an und beginnt sich die Vergangenheit von der Seele zu schreiben: seine Jugend mit einer depressiven Mutter und einem egozentrischen, arbeitswütigem Vater, das Entdecken seine sexuellen Identität, seine regelmäßigen Besuche in Darkrooms und seinen Hang zu brutalerem, wenn nicht erniedrigendem Sex. Erst als er Martin kennenlernt, fängt sich Felix und sein Leben wird in ruhigere Bahnen gelenkt. Allerdings kann der sozial engagierte Student Felix‘ geheime Sehnsucht nach Darkrooms und anonymen Sex nicht gänzlich ersticken …
Eigene Meinung:
„Jetzt sind wir jung“ ist das Romandebüt von Julian Mars und erschien 2015 im Albino Verlag, der auf eine lange Tradition zurückblickt und sowohl jungen Nachwuchsautoren, als auch Klassikern der schwulen Literatur ein Zuhause geben möchte. Mit „Jetzt sind wir jung“ hat der Verlag ein fesselndes Coming-of-Age Debüt veröffentlicht, das Lust auf mehr macht.
Inhaltlich bekommt der Leser einen klassischen Entwicklungsroman geboten, in dem man den jungen Felix kennenlernt, der sich die meiste Zeit durchs Leben treiben lässt und seine sexuelle Identität voll und ganz auslebt – in Darkrooms und durch anonymen Sex. Zudem entdeckt er seinen Hang zu etwas brutaleren Spielarten, was er mit dem Kellner Sebastian auslebt, zu dem er ein seltsames Verhältnis entwickelt und von dem er sich nur mühsam losreißen kann. Sein unruhiges Leben ändert sich erst, als er während eines HIV-Tests Martin kennenlernt und mit diesem zusammenkommt. Plötzlich entdeckt Felix, wie es ist mit jemandem zu schlafen, den man liebt und der diese Gefühle erwidert. Und wie es ist die dunkle Seite zu unterdrücken, die man jahrelang in Bars und Clubs rausgelassen und befriedigt hat.
Julian Mars gelingt ein beeindruckendes Werk, das den Leser tief in das Innenleben seines Protagonisten blicken lässt und die Abgründe offenlegt, die dafür sorgen, dass Felix nicht zur Ruhe kommt. Dabei spielt seine Homosexualität ebenso eine Rolle, wie seine verkorkste Familie. Einzig seine Freunde geben ihm Halt, wenn er droht gänzlich abzudriften: seine Kindheitsfreundin Emilie, der schwule Zyniker Gabriel und seine Schwester Anna. Diese sind ebenso schonungslos ehrlich, wie der Autor, denn „Jetzt sind wir jung“ ist nichts für zartbesaitete Gemüter. Julian Mars nimmt kein Blatt vor den Mund – gerade wenn es um Felix‘ „Abenteuer“ im Darkroom oder seinen Treffen mit Sebastian geht: es geht recht explizit zur Sache. Doch dies passt durchaus zum Buch, denn all diese direkte und offene Art macht „Jetzt sind wir jung“ sehr authentisch und in sich schlüssig. Einzig das Ende wirkt ein wenig aufgesetzt, wenn man Martins Beweggründe erfährt und die Wahrheit für sein Weggehen kennenlernt. Doch das mag Geschmackssache sein.
Die authentischen und lebendigen Charaktere sind die große Stärke des Romans. Man kann sich gut in sie hineinversetzen und erlebt den Roman so hautnah. Dabei ist Felix der typische Anti-Held, denn seine Einstellung stößt dem Leser oftmals auf. Gleichzeitig fragt man sich zwangsläufig, wie viel vom Autor in der Hauptfigur steckt.
Sehr schön sind die Nebencharaktere, allen voran Gabriel, dessen scharfe Zunge und zynische Art die Geschichte mehr als einmal auflockern, ebenso Emilie und Anna, die beide Felix unterstützen, selbst wenn dieser es selten wirklich registriert. Auch Martin kann überzeugen, wenngleich er ein wenig blasser erscheint als die übrigen Figuren.
Stilistisch legt Julian Mars ein beeindruckendes, witziges und kluges Werk vor – er hat einen fesselnden, sehr ausgereiften und unverblümten Schreibstil, der dafür sorgt, dass man das Buch schwer aus der Hand legen kann. Die Beschreibungen sind sehr bildlich, allen voran Felix‘ Gedanken und die Gefühle, mit denen er sich plagt. Darüber hinaus spricht der Autor allgemeine Probleme an und regt zum Nachdenken an, ohne sich dabei zu ernst zu nehmen oder mit dem erhobenen Zeigefinger zu drohen. Er versteht es subtil auf Dinge hinzuweisen, die man registrieren und überdenken, aber genauso gut ignorieren kann. Das Lesevergnügen wird dadurch in keiner Weise geschmälert.
Fazit:
„Jetzt sind wir jung“ ist ein gelungener, fesselnder Coming-of-Age Roman, der durch authentische, lebendige Charaktere und einen mitreißenden Schreibstil besticht. Julian Mars legt einen schönen Roman vor, den man nur schwer zur Seite legen kann und präsentiert mit Felix einen Anti-Helden, den man trotz seiner Art ins Herz schließt. Wer „Die Mitte der Welt“ mochte, dem dürfte auch „Jetzt sind wir jung“ gefallen, allerdings sollte man sich vor Augen halten, dass es in Julian Mars‘ Debüt wesentlich expliziter und direkter zur Sache geht – für Jugendliche ist das Buch daher nichts. Alle anderen sollten einen Blick riskieren, es lohnt sich.