[ROMAN] Leben im Käfig von Raik Thorstadt

Autor: Raik Thorstad
Taschenbuch: 672 Seiten
ISBN-13: 978-3958231023
Preis: 9,99 EUR (eBook) | 16,95 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Schon seit mehreren Jahren leidet der 19-jährige Andreas von Winterfeld an Agoraphobie und ist nicht in der Lage das Haus zu verlassen, ohne Panikattacken und Angstzustände zu erleiden. So vegetiert er in seinem Zimmer in der Villa seiner steinreichen Eltern dahin, und hat zwar alles, was man mit Geld kaufen kann, aber weder die Zuwendung noch die Akzeptanz seiner Familie.
Eines Tages zieht der Abiturient Sascha Suhrkamp in das Nachbarshaus nachdem er sein Elternhaus aufgrund seines unfreiwilligen Coming-Outs verlassen hat. Zwischen den beiden ungleichen jungen Männern entwickelt sich eine leichte Freundschaft, die bald schon bald tiefer geht und sie eng aneinander schweißt. Doch ist Sascha in der Lage neben dem Abiturstress und den Problemen mit seinen Eltern, einen schwerkranken Jungen zu akzeptieren? Und wird es Andreas gelingen irgendwann auszubrechen?

Eigene Meinung:
Der Roman „Leben im Käfig“ von Raik Thorstad ist der erste Band der Duologie um Andreas und Sascha und erschien erstmals 2011 im FWZ Verlag. Nach einigen rechtlichen Problemen mit dem Originalverlag, wurde der Roman 2013 schließlich im Incubus Verlag neu aufgelegt und um die Fortsetzung „Nach der Hölle links“ erweitert, die die Geschichte beendet.

Die Handlung ist für Fans der schwulen Literatur oder auch Gay Romance ungewöhnlich, da es kaum vergleichbare Bücher über die Krankheit Agoraphobie auf dem Markt gibt und „Leben im Käfig“ durchaus in die Sparte Entwicklungsroman und Jugend-Drama fällt, sprich trotz der erotischen Szenen auch Leser anspricht, die schwuler Literatur normalerweise wenig abgewinnen können.
Umso faszinierender ist der Grundplot rund um Andreas, der zu Beginn des Buches nicht einmal in den Garten gehen kann, um im Pool zu schwimmen, ohne von einer Panikattacke umgeworfen zu werden. „Leben im Käfig“ wartet nicht mit einer actiongeladenen, explosiven Handlung auf, sondern bleibt die meiste Zeit ruhig und fordert den Leser auf sich auf Andreas Krankheit einzulassen. Schonungslos ehrlich berichtet Raik Thorstad von den Auswirkungen der Krankheit, zeigt, was aus Andreas geworden ist und wie schwer ihm alltägliche Dinge erscheinen. Dabei geht der Autor wertungsfrei an die Sache heran, informiert und regt zum Nachdenken an. Er hat ein ungewöhnliches, persönliches Thema gewählt und beschreibt die Geschichte daher sehr sensibel und mit der notwendigen Sorgfalt.
Doch nicht nur Andreas steht im Zentrum der Geschichte, auch Sascha und seinem Leben wird viel Aufmerksamkeit entgegengebracht. Der lebensfrohe Abiturient, der aus einem kleinen hessischen Dorf in das pulsierende Hamburg zieht, hat etliche Baustellen in seinem Leben, denen er sich widmen muss. Als zweite Hauptfigur wirkt er greifbarer als Andreas, da seine Probleme für den Leser leichter verständlich und nachvollziehbar sind. Gerade homosexuelle Männer, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie Sascha werden sich in dem jungen Mann wiederfinden.

Hin und wieder zieht sich die Handlung etwas in die Länge, gerade am Anfang dauert es eine gefühlte Ewigkeit, bis es vorangeht und die beiden ungleichen Männer aufeinander zugehen. Hier hätte man durchaus kürzen können, da „Leben im Käfig“ auch mit 400-500 Seiten noch ein beachtliches Buch gewesen wäre.

Neben der Handlung wissen auch die Figuren zu gefallen, auch wenn es Situationen gibt, wo man Andreas und Sascha „gegen die Wand klatschen“ möchte. Nichtsdestotrotz sind beide sehr gut nachvollziehbar, handeln logisch und spiegeln ihr Alter und ihre Zeit wieder. Man kann ihre Reaktionen und ihr Verhalten sehr gut nachvollziehen, da Raik Thorstad viel Zeit aufwendet auf ihre Gefühle und Gedanken einzugehen.
Doch nicht nur die beiden Hauptcharaktere funktionieren, auch die Nebenfiguren sind sehr passend und lebendig. Sei es Saschas Tante Tanja und ihre Familie, Andreas Eltern und seine Haushälterin Ivana, oder die neuen Mitschüler und Freunde, die Sascha in Hamburg kennenlernt. Sie wirken wie reale Personen, was vermuten lässt, dass es für die meisten Figuren reale Vorbilder gibt.

Sprachlich gibt es kaum etwas auszusetzen, außer dass Raik Thorstad manchmal zu extrem ins Detail geht und die Beschreibungen mitunter etwas lang geraten sind. Auch gibt es einige ungünstig gewählte Fanfiction-Termini, die sich im Laufe der Zeit jedoch verlieren, was das Buch deutlich aufwertet.
Dank der abwechslungsreichen Sprache und der gelungenen Wortwahl fallen die kleinen Fehler nur minder ins Gewicht, da sich der Roman sehr schnell und flüssig liest. Es fällt schwer, „Leben im Käfig“ aus der Hand zu legen, insbesondere zum Ende hin, als die Geschichte spürbar an Fahrt gewinnt und den Höhepunkt erreicht.

Fazit:
„Leben im Käfig“ ist ein ungewöhnliches, tiefgründiges Werk, das einen sehr genauen und detaillierten Einblick in das Leben eines Menschen gibt, der unter Agoraphobie leidet. Trotz des ernsten und sensiblen Themas versteift sich Raik Thorstad nicht nur auf den kranken Andreas, sondern präsentiert mit Sascha auch ganz alltägliche Probleme und Sorgen. Dadurch gelingt ihm ein faszinierendes Zusammenspiel zweier junger Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten und trotzdem viele gemeinsame Probleme teilen. Dank seiner bildhaften und wortgewandten Sprache, sieht man auch über die Längen hinweg, die immer wieder das Voranschreiten der Handlung erschweren.

Wer die unzähligen Coming-Out Geschichten, Aids-Problem-Bücher und Gay Romance Werke satt hat und einen Blick über den Tellerrand wagen möchte, der sollte sich „Leben im Käfig“ zu Gemüte führen. Es empfiehlt sich jedoch auch die Fortsetzung „Nach der Hölle links“ griffbereit zu haben, damit man nahtlos weiterlesen kann. Zu empfehlen.

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