Autor*in: Romy Wächter
Taschenbuch: 264 Seiten
ISBN: 978-3757982812
Preis: 4,99 EUR (eBook) / 14,99 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Ein Serientäter scheint in der Stadt sei Unwesen zu treiben, doch heiße Spuren gibt es für den Mordermittler Kolja Lorenz nicht. Die wenigen Opfer die überlebt haben, können keinerlei Hinweise geben, da sie sich an nichts erinnern können und weitere Spuren gibt es nicht. Auf der Suche nach Hinweisen stößt er auf den BDSM-Club, wo er Esther Sander kennenlernt. Schon bald fasziniert ihn der Lebensstil der jungen Frau, die es liebt geistig wie körperlich an ihre Grenzen zu gehen. Für Kolja Neuland, doch das mindert nicht die Faszination, die Esther ausübt und ihn letztendlich dem Mörder näher bringt, als gedacht …
Eigene Meinung:
Mit dem Roman „Paranuit“ legt die Autorin Romy Wächter ihren, im Selbstverlag herausgegebenen Debütroman vor, der sich fernab der üblichen Normen und Klischees bewegt. Statt eines Krimis (hier sollte man dem Klappentext nur wenig Beachtung schenken), bekommen Leser*innen eher das Psychogramm eines Menschen, der Erfüllung in der BDSM-Szene findet. Das 265 Seiten starke Buch bildet den Auftakt einer Reihe, endet die Geschichte doch mit einem leichten Cliffhanger, der auf den zweiten Band einstimmt.
Die Geschichte ist in einer fiktiven Stadt in einer fiktiven Welt angesiedelt, die mit der unseren identisch ist. Dreh- und Angelpunkt ist die Beziehung zwischen Kolja und Esther, insbesondere wird das Leben der jungen Frau sehr stark beleuchtet – ihre Freund*innen, ihr etwas unorthodoxer Lebensstil und ihre Geheimnisse. Für Kolja, der zwar bisexuell ansonsten aber eher traditionell eingestellt ist, ist es eine gewisse Umstellung, jemanden kennenzulernen, für den es verschiedene Formen von Beziehungen gibt und für den ein Partner, der sexuelle Bedürfnisse erfüllt, nicht identisch sein muss mit jemanden, der sich ihrer anderen, körperlichen Sehnsüchte annimmt. Genau dieses Beziehungsgeflecht, ebenso die inneren Facetten beschreibt Romy Wächter sehr eindringlich und gefühlvoll. Der Roman mag stark in der BDSM-Szene spielen und es werden auch entsprechende Praktiken beschrieben, doch das geschieht nicht, um dem Buch eine sexuell aufgeladene Atmosphäre und mehr Würze zu geben, sondern eher, um ein stimmiges Bild der Figuren zu vermitteln. Die BDSM Szenen sind nicht dafür da, um die Erotik zu verstärken oder auf explizite Szenen einzustimmen, sondern wirken sehr authentisch und realistisch – selbst wenn man sich in der Szene nicht auskennt, hat man doch das Gefühl, die Beweggründe der Figuren nachvollziehen zu können. Man versteht, warum Esther sich bei derartigen Sessions unterwirft und an ihre Grenzen geht und das es nichts an ihren Gefühlen für Kolja ändert, jemand anderem auf dieser speziellen Ebene an sich heran zu lassen.
Was das Buch nicht ist – ein Krimi, denn der eigentliche Fall spielt die meiste Zeit keine große Rolle und wird erst ganz am Ende wieder aufgenommen, fast als wäre Romy Wächter eingefallen, dass der Aufhänger der Geschichte ein Mordfall war. Das ist ein bisschen schade, da der Klappentext nichts über den eigentlichen Inhalt des Buches preisgibt und Leser*innen in die Irre führt – ganz besonders solche, die einen klassischen Krimi mit viel Ermittlungsarbeit und die Jagd nach einem Serienmörder erwarten.
Die Figuren sind sehr gut gezeichnet, wirken authentisch und realistisch. Man lernt die unterschiedlichen Handlungsträger sehr gut kennen – allen voran Esther und Kolja, aber auch die Personen, mit denen Esther befreundet ist, was gerade für Kolja nur schwer zu verdauen ist. Romy Wächter gelingt es sehr greifbare Figuren zu erschaffen, deren Beweggründe man gut nachvollziehen kann, selbst wenn man nicht aus der BDSM Szene kommt.
Stilistisch legt Romy Wächter ein beeindruckendes Debüt vor, auch wenn der Anfang von den Formulierungen her etwas zu schwülstig geraten ist, was den Einstieg in die Geschichte erschwert. Doch mit der Zeit bessert sich das und man kann gut in die ungewöhnliche Handlung eintauchen, de aus mehreren Perspektiven erzählt wird. Leider wird auch in den Kapiteln zwischen den Figuren hin und wieder zu spontan gesprungen, doch wenn man sic daran gewöhnt hat, kommt man gut mit „Paranuit“ klar. Die Autorin legt einen großen Wert auf Dialoge und das Innenleben der Figuren, weswegen man weder Action noch Spannung erwarten sollte. Auch auf explizit, beschriebene Erotik wird verzichtet – was schon bewundernswert ist, wenn man das Buch mit anderen BDSM Romanen vergleicht.
Fazit:
„Paranuit“ ist ein ungewöhnliches, aber durchaus lesenswertes Buch, das durch interessante, authentische Figuren und einen sehr soliden, bildhaften Schreibstil besticht. Romy Wächter legt einen fesselnden Roman vor, der die BDSM Szene sehr respektvoll und authentisch präsentiert, ohne die üblichen, erotischen Klischees zu bedienen und auch Leser*innen abholen kann, die nichts mit dem Thema anfangen können. Dass dafür der Krimianteil zu kurz kommt, kann man verschmerzen, da die Autorin ein gelungenes Psychogramm der verschiedenen Figuren vorliegt und die Handlung auf anderer Ebene weiterentwickelt. Wer ungewöhnliche Romane mit gut ausgearbeiteten Figuren mag und wen das BDS Thema interessiert, sollte einen Blick riskieren.