Autor: Maria Braig
Taschenbuch: 188 Seiten
ISBN: 978-3-95667-239-2
Preis: 4,99 EUR (eBook) | 11,80 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Drei vollkommen unterschiedliche Menschen nehmen ihr Leben selbst in die Hand, um ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und in der Ferne neu zu beginnen: eine junge Frau, die sich auf der Flucht aus Afrika den Namen La Marche gibt und deren Ziel es ist in Europa ein neues, freies Leben zu beginnen, der junge Transmann Enrique, der Spanien verlässt um in Deutschland einen Job als Architekt zu finden und sein bester Freund Leon, der von Geburt an ein Chromosom zu viel und als Mensch mit Down-Syndrom mit etlichen Vorurteilen zu kämpfen hat.
Die Wege der drei kreuzen sich immer wieder – gerade Enrique und La Marche treffen mehrfach aufeinander, während sie zunächst allein, später zusammen einen Weg suchen, um in Deutschland einen Platz zu finden. Doch da sie sind genauso große Außenseiter sind wie Leo, fällt es ihnen nicht leicht, sich eine Zukunft aufzubauen.
Eigene Meinung:
„Spanische Dörfer“ ist der neueste Roman der Autorin Maria Braig, die sich vorwiegend auf die Themen Flüchtlinge, LGBT und die damit einhergehenden Probleme spezialisiert hat. So erschienen beim Verlag 3.0 bereits die Romane „Amra und Amir“ und „Nennen wir sie Euginie“, die beide von Flucht, Abschiebung und Homo- bzw. Transsexualität handeln.
Auch in „Spanische Dörfer“ bleibt sich die Autorin ihrer Linie treu und widmet sich dem Leben und den Problemen unterschiedlicher, gesellschaftlicher Außenseiter. Die Flüchtlingsthematik wird mit La Marches Flucht aus Afrika und den Schwierigkeiten ihrer Reise quer durch Europa sehr eindringlich beschrieben. Enriques Transsexualität bestimmt den zweiten großen Themenkomplex des Buches, da er zwar weitestgehend angeglichen ist, jedoch nicht den letzten Schritt wagen will. Mit Leo führt die Autorin zudem einen sehr intelligenten und offenen Menschen mit Down Syndrom ein, der es sich zum Ziel gesetzt hat Lehrer zu werden. Diese drei Schicksale werden teils sehr geschickt, teils ein wenig konstruiert miteinander verwoben. Im Grunde sind die Themen sehr interessant, da sie viel Potenzial bieten und zum Nachdenken anregen, doch die knapp 200 Seiten sind einfach zu wenig, um wirklich in die Tiefe zu gehen. Im Grunde hätte man zu jeder einzelnen Hauptfigur ein Buch schreiben können, denn genügend Stoff bieten alle drei. So sind die einzelnen Probleme und Schicksale zwar durchaus nachvollziehbar, doch Maria Braig gelingt es leider nicht dem Leser die Hauptfiguren näherzubringen. Viele Dinge werden zusammengefasst, interessante Dialoge ausgeblendet oder nur rückblickend erzählt. So schafft man es leider nicht sich in die Charaktere hineinzuversetzen, denn es fehlen Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt. Zudem stolpert man beim Lesen über einige Logiklücken – La Marches schwimmende Durchquerung der Straße von Gibraltar, Leos Sprache und seine ganze Art, die nur bedingt seinen Charakter als Mensch mit Down-Syndrom widerspiegelt oder auch Enriques Gründung eines Dorfes, das allen Menschen offensteht (wobei das wahrscheinlich der Kürze der Beschreibungen zum Ende des Buches hin zuzuschreiben ist).
Auch die Charaktere bleiben recht flach, da man nur schwer Zugang findet. Am ehesten kann man sich noch mit Enrique identifizieren, da seine Gedanken hinsichtlich seiner Transsexualität wirklich nachvollziehbar und interessant sind. Gerade bei transidente Menschen werden von Maria Braig sehr stimmungsvoll und authentisch in Szene gesetzt. La Marche ist durch ihre Unnahbarkeit nur schwer zu fassen, zumal man auch nicht erfährt, was genau in ihrer Vergangenheit vorgefallen ist, um sie zur Flucht zu bewegen. Der dritte Hauptcharakter ist zwar sehr sympathisch und wächst dem Leser durch seine lockere, offene Art schnell ans Herz, hat jedoch nur auf dem Papier das Down-Syndrom. Weder spricht er wie ein Mensch mit Down-Syndrom, noch hat er die typischen Verhaltensmuster. Im Nachwort werden die Gründe von der Autorin zwar angeführt, doch man fragt sich, warum sie überhaupt einen Charakter mit Behinderung eingefügt hat, wenn diese nicht zum Tragen kommt. Der Leser bekommt ein vollkommen falsches Bild von Menschen mit Down Syndrom, wenngleich die Krankheit natürlich unterschiedlich ausfallen kann.
Stilistisch legt Maria Braig einmal mehr ein sehr knappes Werk vor, bei dem viele Szenen und Dialoge zusammengefasst werden. Es ist durchaus gut lesbar, da die Autorin einen angenehmen, flüssigen Stil hat, doch mehrfach wünscht man sich eine ausführlichere Darstellung der Ereignisse. Ein wenig befremdlich ist auch, dass die drei Perspektiven, aus denen die Geschichte erzählt wird, stilistisch verschieden angelegt sind: Leon berichtet aus der Ich-Perspektive (was diesen lebendiger macht), Enriques und La Marches Geschichten werden in der dritten Person erzählt. Besonders verwirrend wird es allerdings, wenn beide zusammen sind und sich die Perspektiven der beiden vermischen.
Fazit:
„Spanische Dörfer“ ist ein interessanter Roman, der einige wichtige Themen zur Sprache bringt, die allzu oft wegignoriert werden. Allein deswegen sollte man „Spanische Dörfer“ eine Chance geben und einen Blick riskieren. Allerdings gelingt es Maria Braig nicht, eine emotionale Bindung zu den Charakteren aufzubauen – trotz ihrer Eigenarten und Probleme bleiben sie leider recht blass. Schade – hier hätte man mehr draus machen können. Wer sich für die Themen interessiert, sollte in die Leseprobe schnuppern.