Autor*in: Monica Hesse
Übersetzer*in: Cornelia Stoll
Taschenbuch: 400 Seiten
ISBN: 978-3570314302
Preis: 6,99 EUR (eBook) / 10,00 EUR (Taschenbuch)
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Story:
USA 1944 – Harukos Welt gerät ins Wanken, als ihr Vater der Spionage verdächtigt wird und die Familie schließlich nach Crystal City, einem Internierungslager für Familien nach Texas gebracht werden. Auch Margot lebt dort mit ihrer Familie und besucht als einziges deutschstämmiges Mädchen nicht die deutsche Schule des Lagers, sondern die amerikanische Highschool, auf die auch Haruko geschickt wird. Beide Mädchen spüren, dass ihre Väter Geheimnisse haben, die sie überhaupt erst ins Lager gebracht haben, doch die Wahrheit ist ein rares Gut im Lager. Obwohl die beiden Welten trennen, freunden sich Haruko und Margot heimlich an und schon bald verbindet sie mehr als bloße Freundschaft. Doch hat dieses zarte Band zwischen ihnen überhaupt eine Chance?
Eigene Meinung:
Mit dem Roman „Zeit der Lügen“ erschien in im Februar 2022 ein weiterer Roman der vielfach ausgezeichneten Bestsellerautorin Monica Hesse, die für ihren Roman „Das Mädchen im blauen Mantel“ u.a. den renommierten Edgar Award in der Kategorie „Junge Erwachsene“ erhielt. Wie ihre bisherigen Bücher spielt auch „Zeit der Lügen“ zur Zeit des zweite Weltkrieges und beleuchtet einen eher unbekannten Teil der Geschichte – dank des Nachworts erfährt die/der Leser*in auch, welche wahren Begebenheiten in die Handlung geflossen sind.
Die Geschichte beginnt mit Harukos Eintreffen in Crystal City, wo die japanischstämmige Familie mit ihrem Vater wiedervereint wird. Fortan führen sie ihr Leben in einer kargen Wohneinheit des japanischen Bereichs im Lager. Für Haruko eine unbegreifliche Tatsache, insbesondere da ihr Bruder Ken für die USA in Europa kämpft. Die deutschstämmige, hochintelligente Margot wiederum lebt schon länger im Internierungslager – auch ihre Familie wurde ins Lager für „feindliche Ausländer“ gebracht, nachdem ihr Vater auf einer verbotenen Versammlung war. Durch die Augen der beiden Mädchen lernt man das Leben im Lager kennen, das zwar weitestgehend friedlich abläuft und den üblichen Bahnen folgt (die Kinder gehen zur Schule und können sich frei bewegen, die Erwachsenen arbeiten), jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass es sich bei den Menschen um Gefangene handelt – sie werden von bewaffneten Soldaten bewacht und zwei Mal am Tag gezählt. Privatsphäre gibt es nicht, denn nicht nur die Wächter sind überall, auch die anderen Familien bekommen jedes Wort durch die papierdünnen Wände mit.
Die Freundschaft, die sich zwischen Margot und Haruko entwickelt, ist äußerst fragil, zumal gerade die japanischen Familie wenig Verständnis dafür aufbringen, dass Haruko sich mit einem „Nazi-Mädchen“ abgibt. Daher laufen ihre Treffen im Geheimen ab, die zarten Gefühle, die sich mit der Zeit zwischen ihnen entwickeln, haben kaum die Möglichkeit sich zu vertiefen. Daher sollte man als Leser*in keine Liebesgeschichte erwarten, die offen zur Sprache kommt – Monica Hesse webt diese eher sehr subtil in die Geschichte ein. Sie ist deswegen nicht weniger kraftvoll und berührend, dennoch tritt sie nur unterschwellig zwischen den Zeilen auf. Stattdessen legt die Autorin Wert auf die Darstellung des Lagers und der unterschiedlichen Gruppen. Zudem sind die persönlichen Schicksale der beiden Familien wichtig, denn für beide Mädchen sind auf der Suche nach der Wahrheit – Haruko möchte wissen, ob ihr Vater tatsächlich ein Spion ist, Margot steht dem Wandel ihres Vater hin zum Nationalsozialisten sehr gespalten gegenüber.
Die Figuren sind sehr authentisch und greifbar – die Leser*innen können sich sowohl mit Margot als auch mit Haruko identifizieren, denn beide Mädchen wachsen einem ans Herz. Man kann den Zwiespalt, in dem sich Margot bezüglich ihres Vaters, sehr gut nachvollziehen und begreift auch, was sie dazu bringt, Haruko letztendlich zu verraten. Haruko wiederum wirkt zu Beginn etwas unnahbar, doch mit der Zeit findet man auch zu ihr Zugang und versteht, mit welchen Ängsten und Sorgen sie sich herumplagt.
Die Nebenfiguren sind gut ausgearbeitet und wirken sehr realistisch, nehmen aber kaum Raum ein und werden mit einigen Ausnahmen nur grob beleuchtet – das Hauptaugenmerk liegt auf den beiden Mädchen und der Freundschaft, die sich zwischen den beiden entwickelt.
Stilistisch gibt es an „Zeit der Lügen“ nichts zu bemängeln – Monica Hesse hat einen wunderschönen, sehr eindringlichen Stil, der die Geschichte sehr gut transportiert. Dank der wechselnden Perspektive lernt man beide Mädchen sehr gut kennen; die eingestreuten Kommentare von Haruko und Margot zwischen wichtigen Ereignissen, geben der Geschichte eine zusätzliche Ebene. Neben den eindringlichen Beschreibungen des Lagerlebens und den familiären Problemen und Geheimnissen, ist auch die zarte Liebesgeschichte passend in Szene gesetzt – still und heimlich zwischen den Zeilen, ähnlich wie sich die Mädchen im Lager zueinander verhalten müssen. Das verleiht den Gefühlen zwischen Haruko und Margot eine unheimliche Wucht, ohne von den vielen anderen Dingen abzulenken, die um die beiden herum geschehen.
Fazit:
„Zeit der Lügen“ ist ein eindringliches, fesselndes Jugendbuch, das durch eine packende, gut recherchierte Geschichte, authentischen Heldinnen und einen wunderschönen Schreibstil besticht. Monica Hesse offenbart den Leser*innen einen eher unbekannten Teil der amerikanische Geschichte und bietet darüber hinaus eine packende Geschichte, die zum Ende hin mit einigen gelungenen Wendungen punkten kann. Wer realistische, historische Bücher mit authentischen Figuren mag, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren – Monica Hesse ist ein berührendes Jugendbuch gelungen, das lange nachhallt.
Freut mich aber sehr, dass Du wieder eine Perle entdeckt hast;)
Schönes WE
Sonja