Hallo ihr Lieben,
ich weiche an dieser Stelle mal von meinem üblichen Programm ab und möchte meine Meinung zu einem Thema posten, das gerade extrem hochkocht und mich in gewisser Weise wütend macht. Ich hab lange überlegt, ob ich überhaupt darauf eingehe, um diesem Thema und den darin involvierten Personen nicht noch mehr Spielraum gebe (und Aufmerksamkeit schenke, die sie nicht verdient haben). Die Autorin Jana Walther hat eine wundervolle Anthologie herausgegeben (die noch auf meiner Leseliste liegt), die inzwischen auch auf Queer.de vorgestellt wurde. Frank Hebenstreit hat eine wirklich schöne, treffende Rezension geschrieben, die ich gerne gelesen habe und die wirklich Lust auf Jana Walthers Sommeranthologie macht.
Und dann habe ich mir die Kommentare angesehen und das kalte Grausen bekommen. Ich bin ehrlich – als Frank die „Like a Dream“ Anthologie vorgestellt hat, habe ich Angst vor genau solchen Reaktionen gehabt. Irgendwie traurig, dass man sich im Grunde nur am Rande über eine schöne Berichterstattung freuen kann, weil man sich parallel Sorgen macht, dass ein paar Kommentatoren (nicht einmal Leser!) das Buch, an dem du lange gearbeitet hast niedermacht und auf übelste Weise beschimpft. Ich weiß, sowas sollte an mir abprallen, aber irgendwie bin ich in letzter Zeit zu oft über solche Kommentare gestolpert und es ist mir ein Bedürfnis, meiner Wut Luft zu machen, denn natürlich kommt es als allererstes zu Aussagen wie „Nicht schon wieder Gay Romance von irgendwelchen Hetentussen! Abgesehen davon, dass das Geschreibsel für Frauen ist, die anscheinend keinen Mann abkriegen, kann keiner der nervigen Tratschtanten schreiben“. Im folgenden Verlauf werden die Kommentare um ein Vielfaches haarsträubender, herablassender und entwertender, bis man das Gefühl hat, der Kommentator würde Frauen liebend gern das Schreiben (und wahrscheinlich auch alle Grundrechte) verbieten und ihnen jegliche Rechte absprechen überhaupt über Männer zu schreiben. Zudem scheint für ihn festzustehen, dass Heteros nur über Heteros schreiben dürfen, nur Schwule haben das Recht über Schwule zu schreiben und Lesben haben bitteschön nur in ihrem Metier zu bleiben. Wo kommen wir denn hin, wenn sich eine Gruppe erdreistet über etwas zu schreiben, was sie nicht persönlich betrifft. Da tun mir ja all die Krimiautoren leid, die über Mord und Totschlag schreiben – aber keine Mörder oder Verbrecher sind (wie sollen die denn bitteschön wissen, wie ein Mörder tickt?), oder die Kinderbuchautoren, die nicht mal Kinder haben!
Ich habe schon mitbekommen, wie extrem rassistisch (das Wort trifft es nicht ganz) und voreingenommen die queere Community untereinander ist – Schwule gegen Lesben, Alle gegen Bisexuelle, Asexuelle existieren ja nicht wirklich (wie kann man auch kein Interesse an Sex haben) und alle anderen werden seltsam beäugt. Das ist ein Hacken und Stechen, was mir inzwischen echt zuwider ist und bevor jemand lautstark protestiert – ich bin auf CSDs und hab Augen im Kopf. Es ist für mich unverständlich, wie die Community für Gleichberechtigung und Akzeptanz kämpfen kann und dann auf eine solch schmutzige Art gegen etwas vorgeht, was ihnen nicht ins Konzept passt. Aber Hauptsache ich posaune meine Meinung heraus und mache Autorinnen runter, die nicht einmal ansatzweise so mies sind, wie da dargestellt wird. Warum kann man die Welt nicht so nehmen, wie sie ist – bunt, queer und abwechslungsreich? Warum darf eine Frau nicht über Männer schreiben, sondern bekommt dann zu hören, dass sie schwule Männer für ihre Fantasien missbraucht. Was ist dann mit all den Männern, die Erotik über zwei Lesben oder BDSM Werke schreiben, in denen Frauen erniedrigt werden? Die dürfen sich da natürlich frei bedienen, sind ja nur Frauen, die da Männerfantasien erfüllen.
An dem Punkt für ich liebend gern die Beschreibung von Andrew Grey ein, der für seine „Liebe“-Reihe und diverse sehr kitschige Farm-Romane bekannt ist. Wer seine Bücher kennt, weiß, dass sie vor Romantik, Drama und Blümchensex nur so strotzen und definitiv in die Sparte Liebesroman einzuordnen sind. Der Autor ist groß, breit, muskulös und soweit ich weiß halber Motorradrocker, ebenso sein Mann. Will man ihm jetzt auch vorschreiben, dass er bitte knallharte, männliche Romane statt Gay Romance zu schreiben hat, weil etwas anderes nicht zu ihm passt?
Natürlich nicht – jeder darf ja schreiben und publizieren, was er/sie will. So weltoffen wollen wir ja schließlich alle sein. Warum dürfen das dann Frauen nicht (noch heute gibt es Männer, die der Meinung sind, dass sie nicht in der Lage sind komplexe Fantasy oder Thriller zu schreiben – J.K. Rowling hat deswegen ihren vollständigen Namen nicht auf den Büchern stehen, weil die Verleger damals Angst hatten, dass ein Frauenname auf einem Kinderbuch nicht funktioniert)? Warum kann man Bücher, die einem nicht liegen und thematisch nicht gefallen, nicht einfach ignorieren? Warum muss man unter dem Deckmäntelchen der queeren Gemeinschaft auf Bücher und Autorinnen rumhacken und darüber jammern, dass sie ja daran Schuld sind, dass es keine männlichen Autoren innerhalb des Genres gibt. Wenn man nur halb so viel Energie in die Suche verschwendet hätte, wüsste man, dass es unzählige Autoren gibt – im Querverlag, bei Gmünder, im Albino Verlag. Und nein, da stecken nicht immer Frauen dahinter … und selbst wenn. Ist ein tolles, schwules Buch auf einmal schlechter, weil es in Wirklichkeit eine Frau geschrieben hat? Ich verstehe dieses Gejammer nicht und den Hass, der da unterschwellig mitschwingt. Wenn ich etwas nicht mag, dann mach ich einen Bogen drum und gut ist.
Es macht mich einfach traurig so etwas zu lesen, mehr noch, als wenn ich mich mit einem homophoben Kommentar auseinandersetzen muss. Eben weil es aus einer Richtung kommt, die Toleranz und Akzeptanz für sich einfordert, aber nicht bereit ist, über ihren Tellerrand zu schauen und das komplette Spektrum queer zu akzeptieren (und dazu gehört auch, dass Frauen (ob lesbisch, asexuell oder hetero ist vollkommen egal) halt auch mal über Schwule schreiben). Und vielleicht auch mal zu akzeptieren, dass es auch Schwule gibt, die Romantik mögen und gerne Gay Romance lesen, ebenso wie es schwule Leser gibt, die es gerne expliziter mögen. Der Markt ist inzwischen wahrlich groß und abwechslungsreich genug, um jedem die passende Unterhaltung zu bieten. Wer krampfhaft nach schlecht geschriebenen Gay Romance Büchern sucht, nur um sich immer wieder selbst darin zu bestätigen, wie schrecklich furchtbar es doch ist, wenn Frauen dieses Thema aufgreifen, der tut mir wirklich leid. Die Zeit könnte man wesentlich besser nutzen – indem man sich die Bücher rauspickt, die einen wirklich interessieren und die anderen einfach ignoriert.
Leben und leben lassen!
Und die Akzeptanz und Toleranz, die man für sich einfordert, vielleicht auch mal anderen zugestehen.