[ZITATE-FREITAG] [3517] Anno Domini – Wir waren Götter

Hallo ihr Lieben,

es wird Zeit endlich mal ein Buch von Raik Thorstad im Rahmen des Zitate Freitags vorzustellen und nach einigem Überlegen viel die Wahl auf ihren Science Fantasy “[3517] Anno Domini – Wir waren Götter”, den ich sehr gerne gelesen habe. Ich mag Aiden und Ragnar unheimlich gerne, ganz besonders Letzteren. Keine Ahnung, was mich an dem Merowinger so fasziniert, aber neben Sascha aus “Leben im Käfig” und “Nach der Hölle links” mag ich ihn einfach am meisten. Ich hoffe, euch gefällt die Zitate-Auswahl und ich kann eure Neugierde wecken 🙂

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meine Rezension

Ragnar stieß sich vom Bett ab und schlenderte zum nahen Fenster. Dem Lichteinfall nach zu urteilen befanden sie sich in einem der obersten Stockwerke des Turms.

Mit dem Rücken zu Aiden sagte er: »Du bist jetzt mein Eigentum. Die Regeln sind leicht zu verstehen. Selbst für einen ungebildeten Kerl aus der Unterstadt. Du hältst dich in allen Belangen zu meiner Verfügung, und ich passe dafür gut auf dich auf.« Ragnar drehte sich um. Er lehnte am Glas, während er Aiden lüstern betrachtete. »Kennst du dich mit Sex unter Männern aus?«

»Mit freiwilligem oder erzwungenem Sex?«, konnte Aiden sich nicht verkneifen.

Anscheinend trübte der Durst seinen Verstand. Hatte er nicht entschieden, dass er zu erschöpft war, um frech zu werden? Leider stand ihm die Erinnerung an die peinlichen ärztlichen Untersuchungen, an die Selbstverständlichkeit, mit der Ragnar ihm zwischen die Beine gefasst hatte, noch zu klar vor Augen.

Nun war es an Ragnar zu schweigen, bevor er seinen sinnlichen Mund zu einer scharfen Linie verzog. »Wenn du mich so fragst: sowohl als auch.«

“[3517] Anno Domini – Wir waren Götter”, S. 48-49 (c) Raik Thorstad / Incubus Verlag

Eine weitere Anzeige sprang ihm ins Auge. Sie war mit einem Wort versehen, das ihm nichts sagte. Er deutete mit dem Finger darauf. »Wenn der Chip nicht arbeitet, was ist dann das?«

Ragnar drehte das Display um, runzelte die Stirn und sah Aiden schließlich ernst in die Augen. »Körpereigene Schmerzmittel. Dir wurde ein Loch in den Schädel geschnitten, falls du dich nicht erinnerst. Ich hielt es für richtig.«

Unwillkürlich sammelte sich Speichel in Aidens Mund. Er musste schlucken. Gegen seinen Willen fand er Ragnars Bemühen, ihn nicht unnötig leiden zu lassen, beruhigend. Der Merowinger mochte ein selbstgerechter Dreckskerl sein, aber er hatte daran gedacht, Aiden Schmerzen zu ersparen. Wenn man im Hinterkopf behielt, dass er seinen Dienst verweigerte, war das nicht selbstverständlich.

Ragnar hätte die Schmerzen nutzen können, um ihn zu erpressen. Doch er hatte es nicht getan, wie er auch darauf verzichtete, Aiden mithilfe seiner eigenen Körperchemie in die Knie zu zwingen.

Es hätte ihn schlimmer treffen können. Andererseits war es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis Ragnars Geduld erschöpft war.

Und dann?

“[3517] Anno Domini – Wir waren Götter”, S. 118 (c) Raik Thorstad / Incubus Verlags

Aiden begriff, dass er ein Instrument war. An ihm wurde Ragnars Fähigkeit zu herrschen erprobt. In Takirs Augen hatte er jämmerlich versagt. Fragte sich nur, was diese Niederlage für Aiden nach sich zog. Würde man ihn ersetzen? Bekamen sie noch eine Chance, Ragnar und er?

Inzwischen bereute Aiden einiges, was er getan und gesagt hatte. Er wünschte sich verzweifelt, er hätte Ragnar leiser die Meinung gesagt. Er wünschte, er hätte sich hier und da etwas kooperativer gezeigt, um Takir in Sicherheit zu wiegen. Er wünschte, er hätte rechtzeitig zu schätzen gewusst, wie locker Ragnar seine Zügel hielt. Aber vielleicht hatte er den direkten Vergleich gebraucht, um die relative Milde seines Herrn anzuerkennen.

Vertrauen, dämmerte Aiden, erwartete niemand von ihm. Und es war ihm in diesen Stunden zu seinem eigenen Entsetzen auch vollkommen egal.

“[3517] Anno Domini – Wir waren Götter”, S. 175-176 (c) Raik Thorstad / Incubus Verlag

Es würde Aiden gefallen, kam es Ragnar in den Sinn.

Was würde er sagen, wenn seine Familie die Möglichkeit bekäme, die rostende, stinkende Plattform der Unterstadt zu verlassen und sich auf einer der Inseln ein kleines Haus zu bauen? Sich eine Katze zu halten? Nicht bei jeder Gelegenheit damit rechnen zu müssen, ins Wasser geweht zu werden?

Was, wenn er zu Aiden sagen könnte: »Hast du Lust, mit mir am Strand zu liegen? Oder im Wald joggen zu gehen?« Nicht in den Fluren, nicht in den Sportanlagen mit der künstlichen Belüftung, nicht auf der Brüstung, wo jeder Schritt dröhnte.

Ragnar stöhnte innerlich auf.

Die Erinnerung hatte ihn eingeholt. Die Erinnerung an bittere Vorwürfe, an seine eigene Unfähigkeit und darunter das Gefühl, versagt zu haben.

Wenn er sich konzentrierte, konnte er das Salz auf Aidens Haut noch schmecken. Er hatte sich eine Kostprobe davon gewünscht, bevor er abreiste. Bekommen hatte er einen verärgerten Lustdiener, der abgelehnt hatte, mit ihm zusammen zu sein.

“[3517] Anno Domini – Wir waren Götter”, S. 256-257 (c) Raik Thorstad / Incubus Verlag

Ragnar blieb die Luft weg. Instinktiv krallte sich seine Rechte in Aidens Oberarm, als könne er ihn dadurch schützen. Er sah den Tod im Blick seines Vaters, die Allmacht, die dessen Position ihm bescherte. Wenn Takir jetzt und hier entschied, Aiden solange zu foltern, bis sein Herz aussetzte, gab es nichts und niemandem, der etwas dagegen unternehmen konnte.

Takir hatte recht. Er war ein unreifer Narr, der für ein paar Stunden verlogener Freiheit mit dem Leben eines Mannes gespielt hatte.

»Vater …«, setzte er zum Sprechen an.

Er hasste sich sowohl für den Versuch, als auch dafür, dass ihm die Stimme versagte. Er hasste es, am Boden zu knien und sich langsam bewusst zu machen, dass nicht nur Aidens Leben in Gefahr war, sondern auch das seiner anderen Begleiter. Dass es ihre Geschäfte waren, die sie auch ohne sein Zutun mindestens einmal in der Woche in die Unterstadt geführt hatten, war kein großer Trost.

Zum ersten Mal klang Takir zornig: »Was? Was hast du mir noch zu sagen? Nichts, nicht wahr? Du solltest sowieso besser den Mund halten. Meine Geduld ist am Ende. Wachen!« Die Männer näherten sich ihm und verbeugten sich sicherheitshalber, um nicht Ziel seiner Wut zu werden. »Bringt meinen Sohn und sein Spielzeug in die Festung. Schafft sie direkt zu Geno. Er weiß, was er zu tun hat. Was die anderen angeht …«, er musterte sie desinteressiert, »… nehmt Franco erst einmal mit. Alexis hat etwas für ihn übrig. Vielleicht kastriere ich ihn nur oder denke mir etwas anderes Nettes für ihn aus. Was meine verräterischen Wachleute angeht − schneidet ihnen die Kehle durch.«

“[3517] Anno Domini – Wir waren Götter”, S. 345 (c) Raik Thorstad / Incubus Verlag

»Und genau das ist es, was ihr plant: Ihr wollt fliehen.«

»Wir wollen von vorn anfangen«, berichtigte Branka ihn. Sie kam auf ihn zu und kniete sich vor ihm auf den Boden. »Komm mit uns. Ich kann dir nichts versprechen. Vielleicht ist auf unseren Kontakt doch kein Verlass. Es gibt sogar Leute, die glauben, dass Takir selbst der Zar ist, der ein krankes Spiel mit uns spielt. Es kann sein, dass unsere Schiffe abgeschossen werden, sobald wir das Hoheitsgebiet der Merowinger verlassen. Aber wenn wir es schaffen …«, ihre Augen begannen zu leuchten, »… könnten wir an Land leben. Mit festem Boden unter den Füßen und Bäumen um uns herum. Wir könnten vernünftige Häuser bauen und unsere eigene Ernte einbringen. Wir wären frei.«

Überwältigt grub Aiden die Finger in die Oberschenkel. Was Branka ihm anbot, klang wie ein Wunschtraum. Tatsächlich hatten ihnen die alten Frauen in der Unterstadt früher Märchen vom festen Land erzählt. Von reißenden Flüssen und gewaltigen Städten war die Rede gewesen, von Schlössern mit Gärten, deren Bebauung einzig der Kunst und Freude der Betrachter galten.

Von grauen Asphaltbändern, auf denen Automobile in Windeseile vom einen Ort zum nächsten sausten. Von Getreidefeldern, deren Ende sich am Horizont nicht ausmachen ließ, und Wäldern, in denen man wochenlang wandern konnte, ohne das andere Ende zu erreichen. Die Welt war damals viel größer gewesen. Es gab Ebenen voller Grün, mit Schnee bedeckte Berge, weite Flusslandschaften, Sümpfe und Wüsten. Jetzt gab es nur noch Wasser. Zumindest für sie.

Es klang zu schön, um wahr zu sein.

Aiden befeuchtete die trockenen Lippen und sah auf Branka herunter. In einem plötzlichen Bedürfnis nach Nähe nahm er ihre Hand in seine und hielt sie fest. »Deswegen bist du hier? Deshalb bringst du dich fast um? Damit ich hier rauskomme, obwohl es mir in der Festung tausend Mal besser geht als dir in der Unterstadt?«

»Du bist mein Bruder«, sagte sie schlicht.

“[3517] Anno Domini – Wir waren Götter”, S. 411-412 (c) Raik Thorstad / Incubus Verlag

Die Herrin der Festung trat zwei Schritte nach vorn und lächelte Geno kurz zu. Dann wandte sie sich mit gestrafften Schultern und erhobenem Kopf an die Anwesenden.

»Ja, ihr habt richtig verstanden. Ich bin euer Zar, und nur, damit wir uns nicht missverstehen: Ich entscheide, wann und ob dieses Schiff ablegt. Seit 20 Jahren habe ich auf diesen Tag hingearbeitet. Ich werde ihn mir von euch nicht nehmen lassen.« Sie musterte die Flüchtlinge. Bei den meisten musste sie dafür das Kinn heben. »Ich habe meine Hand über euch gehalten und dafür gesorgt, dass ihr im Stillen Vorbereitungen treffen konntet. Ich habe bewerkstelligt, dass eure Raubzüge selten schiefgingen. In eurem Laderaum liegen Maschinen und Gerätschaften, die ich euch gestattet habe, aus meinen Lagerhallen zu entfernen. «

»Warum?«, fragte Jenson und näherte sich ihr misstrauisch.

»Euer Charakter mag weniger verdorben sein als der von Takir.« Er spuckte auf den Boden. Aiden fiel auf, dass Jenson immer noch die Herrschaftsanrede verwendete, und wunderte sich. »Aber warum solltet Ihr ein Interesse daran haben, uns fortgehen zu lassen?«

»Weil ihr jetzt in meiner Schuld steht und ich euch meinen Preis nennen kann.«

»Einen Preis?«, höhnte jemand aus der Menge. »Die Herrschaft über unsere neue Kolonie? Steuern? Zwangsarbeit?«

Alexis lächelte dünn. »Nein. Nur, dass ihr meinem Sohn erlaubt, eure Mannschaft zu verstärken. Ihr habt die Wahl. Entweder Ragnar begleitet euch oder dieses Schiff bleibt, wo es ist.«

“[3517] Anno Domini – Wir waren Götter”, S. 489 (c) Raik Thorstad / Incubus Verlag

Ragnars grüne Augen waren dunkel vor Unsicherheit. Schließlich senkte er unter einem harschen Atemzug die Hand in die Tasche und zog die Fernbedienung heraus. Er betrachtete sie, als wäre sie ein kostbarer Schatz. Sein Daumen strich über das Gehäuse. Dann sagte er: »Ich wollte dir das hier geben.« Mit einer raschen Bewegung drückte er Aiden die Steuerung in die Hand und verwirrte ihn damit vollends.

Er wollte sagen: »Na endlich.« Oder »Warum muss man dich immer erst daran erinnern, was richtig ist?«

Aber Ragnars Verhalten war eigenartig. Er wollte ihm die Fernbedienung doch nicht geben. Misstrauisch betrachtete Aiden das Gerät in seiner Hand und fragte sich, ob Ragnar dreist genug war, ihm eine Attrappe unterzuschieben.

Und tatsächlich, auf den zweiten Blick erkannte er, dass es nicht seine Fernbedienung war. Das Gehäuse war dunkler und die Kanten abgerundet. Auch das Display war von anderer Bauart.

Aiden sah zu Boden und biss die Zähne aufeinander, um nicht zu explodieren. »Das ist nicht meine«, sagte er gepresst.

Ragnar würgte ein trockenes Lachen hervor. »Das weiß ich.« Er zögerte einen Augenblick, dann fügte er kaum hörbar hinzu: »Es ist meine

“[3517] Anno Domini – Wir waren Götter”, S. 550 (c) Raik Thorstad / Incubus Verlag

Ich hoffe sehr, dass euch die Zitate gefallen und ihr zum Buch freifen wollt, um Ragnars und Aidens geschichte zu lesen. Damit verabschiede ich mich für diese Woche von euch 🙂

Liebe Grüße,
Juliane

[ZITATE-FREITAG] Zusammen finden

Hallo ihr Lieben,

den heutigen Zitate-Freitag möchte ich noch einmal dazu nutzen, auf unsere Benefiz-Anthologie aufmerksam zu machen, die im letzten Jahr erschienen ist. Da ich selbst eine Geschichte für „Zusammen finden“ geschrieben habe, habe ich nie eine Rezension verfasst, sondern lediglich eine Buchvorstellung geschrieben. Sämtliche Einnahmen kommen einer schwer kranken Autorenkollegin zugute, daher will ich den Zitate-Freitag nutzen, um euch einen kleinen Einblick in die Geschichten zu gewähren – aus diesem Grund findet ihr dieses Mal mehr Zitate, da ich mir aus jeder Kurzgeschichte eine kurze Passage herausgesucht habe. Ich hoffe sehr, dass der ein oder andere der Anthologie eine Chance gibt. „Zusammen finden“ ist ein lesenswertes Projekt, das von 15 Autor*innen ins Leben gerufen wurde.


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Buchvorstellung

Innerlich bin ich wie betäubt, gelähmt durch den Schmerz, der sich in mir ausbreitet und mir die Luft abschnürt. In meinem Hals ist es eng, in meinen Augen sammeln sich Tränen. Noch so ein Kerl, dem ich nicht gut genug bin! Aber ich will jetzt nicht heulen! Nein, nicht schon wieder!

Scheiße, Olli, du hast es verbockt. Da steht ein toller Typ vor mir und ich habe nichts Besseres zu tun, als mich ihm an den Hals zu werfen und damit alles zu verderben.

Nee, Momentchen mal. Stopp und zurück auf Anfang … schließlich hat er doch angefangen, mich zu küssen, oder? Was ist nur in seinem Kopf vorgegangen? Sämtliche Signale, die er aussendete, sagten mir, dass er mich mag, dass er mich begehrt …

“Der Werwolf von nebenan” / “Zusammen finden”, S. 40 (c) Bianca Nias / Susann Julieva

Der junge Mann hob die Achseln. »Ich bekomme zwar einen Zugang zu den Magielinien, kann sie aber nicht kontrollieren und meinem Willen unterwerfen. Die magischen Formeln wollen mir einfach nicht im Gedächtnis bleiben.«

Nazar stieß ein kurzes, bellendes Lachen aus. »Bei den Göttern, Marit hatte recht. Wir passen wirklich gut zusammen – du kannst die Macht des Landes anzapfen, ich merke mir die passenden Zaubersprüche.«

»Vielleich sollten wir uns zusammentun …« Kiama seufzte und ließ den Kopf in den Nacken fallen. »… wenn das nur möglich wäre.«

“Zwillingsmond” / “Zusammen finden”, S. 59-60 (c) Juliane Seidel

Schritt für Schritt nähere ich mich der blinkenden Holztribüne. Meine Hand greift in die Tasche, ertastet die Chips und …

Zwei!

Es sind nur zwei Chips in meiner Tasche.

Das kann nicht sein.

Genau in diesem Moment schaut er auf. Er sieht mich, lächelt und streckt mir seine Hand entgegen. Er will den Chip.

Der Traum, der fehlende Chip.

Ohne zu denken, drehe ich mich um.

Ich flüchte.

Nur zwei Chips? Wie kann das sein?

Magische Mandeln.

“Charlys Chip” / “Zusammen finden”, S. 91 (c) Jobst Mahrenholz

Ich habe noch nie ein dermaßen schwermütiges Lächeln gesehen.

»Etwas, das Flügel besitzt, darf man nicht einsperren.«

»Er käme draußen nicht mehr zurecht.« Vielleicht weiß er nicht einmal mehr, wie man sie richtig benutzt. »Er würde sterben, so alt, wie er ist.«

»Und vorher zum ersten und letzten Mal in seinem Leben fliegen.« Er entlässt den Rauch aus seinem Mund, drückt die Zigarette aus.

Seine Traurigkeit ist ebenso spürbar wie die Elektrizität in der Luft.

“Rabendieb” / “Zusammen finden”, S. 107 (c) S. B. Sasori

»Wegen heute Nachmittag? Bist du deswegen so komisch?«

»Ich bin einfach kaputt, Perk, mehr nicht.«

Thor drückte die Zigarette auf dem Boden aus. Für ihn schien die Diskussion beendet, doch in Dylan schürte sie nur erneutes Feuer. Er folgte Thor ins Wohnmobil, wo er zu zetern begann.

»Erzähl mir doch nichts … Seit meinem Besuch in diesem Bordell behandelst du mich wie Scheiße! Wenn es dir so gegen den Strich geht, dass ich dort war, wieso hast du mir dann Geld gegeben? Wieso hast du mich ermutigt, dorthin zu gehen?«

“Dylan und Thor – on the road – ein Zwischenspiel”/ “Zusammen finden”, S. 125 (c) Justin C. Skylark

Auf dem Flur vor ihrer Tür blieb er stehen. Etwas kribbelte in seinem Nacken. Das unangenehme Ziehen kannte er. Zumeist fühlte es sich so an, wenn ihn jemand anstarrte. Hinter ihm knackte der Schlüssel im Schloss. Das Fräulein hatte abgeschlossen. All seine Freunde, ausgenommen Konrad, der auf ihn wartete, gingen die Treppe hinunter. Ein kalter Hauch streifte Heinrichs Wange. Der Geruch nach ungewaschenem Mann umfing ihn. Hinter sich fühlte er einen warmen Körper, der ihn nicht berührte. Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen. Sein Herzschlag beschleunigte sich und pumpte Hitze durch seine Adern. Hinter ihm stand jemand! Er fuhr herum.

“Hunger” / “Zusammen finden”, S. 139 (c) Tanja Meurer

Als ich mich nicht rühre, runzelst du die Stirn und bedeutest mir, mich aufzusetzen. Verwundert tue ich dir den Gefallen. Meine Rechte berührt etwas Kühles, doch ich kümmere mich nicht darum. Überhaupt kümmert mich kaum noch etwas, nicht einmal dein bekleidetes Ich neben meinem nackten Selbst.

Ich sehe den Bildschirm des Laptops, vielmehr das Foto darauf. Ich starre es an, würde es am liebsten löschen, nein, besser den Computer in einem Wasserfass versenken. Mir wird ganz anders. Ich kann nicht fassen, dass du mir das angetan hast. Mein Blick irrt zu meiner rechten Hand, zu dem Stein, den sie gestreift hat.

Da liegt er, hemmungslos, nackt, lang ausgestreckt neben mir. Dein Steingott. Er, mit dem unser Streit begann.

“Das steinerne Bild” / “Zusammen finden”, S. 188 (c) Raik Thostadt

»Wir haben uns zuletzt vor sieben Wochen getroffen. Sieben, Jonas!«

Schnell stopfe ich ein weiteres Stück des Kuchens in meinen Mund.

»Eigentlich sieht dir das gar nicht ähnlich. Ich meine, für ein paar Minuten hast du sonst immer Zeit. Was ist los, Jonas?«

Ich kaue hektisch, zerteile das restliche Kuchenstück in passende Happen. Konzentriere mich ganz auf diesen Teller.

»Habe ich dich verärgert?« , fragst du weiter. Du bist wirklich hartnäckig.

»Nein, nein!« , beeile ich mich zu sagen.

»Warum gehst du mir dann aus dem Weg?«

“Sehnsucht ist ein subtiles Gefängnis” / “Zusammen finden”, S. 196 (c) Rosha Reads

Auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise befindet sich das von Jacob Epstein gestaltete und einem fliegenden Engel getragene Grab von Oscar Wilde, der sich zu einer Zeit, als Homosexualität noch als Sodomie bezeichnet wurde, schwanken sah zwischen der Liebe zu seiner Frau und seinen beiden Kindern und jener zu Männern, im Speziellen zu dem  wesentlich jüngeren Lord Alfred Douglas, den er Bosie nannte. Inmitten der Bigotterie des viktorianischen England stand Wilde zu seiner Neigung und musste dafür teuer bezahlen.

“Liebe ohne Namen – Oscar Wilde (1997)” / “Zusammen finden”, S. 200 (c) Paul Senftenberg

Nach dieser ungestümen Nacht folgte ein zärtlicher Morgen. Jan war nicht in den Sinn gekommen, Camille hinauszuwerfen. Und Camille machte keine Anstalten zu gehen. »Es ist mir, als müsste das hier mit uns so sein«, begann Camille, als er am späten Nachmittag sichtlich ungern ins Auto stieg, um nach Hause zu fahren. Jan fühlte dasselbe. Trotzdem war er vorsichtig, seine Gefühle zu äußern. Camille war deutlich offener. Er schien sein Seelenleben genauer zu kennen. Jan hatte den Eindruck, dass er wusste, was er wollte, und zeigte es Jan.

Nach ihrem ersten Zusammentreffen folgten weitere. Camille legte eine Hartnäckigkeit an den Tag, die ihm imponierte. Mehr und mehr verfiel Jan seinem fröhlichen Temperament, dessen Art, das Leben zu sehen.

“Von Liebe, Anhänglichkeiten und Fluchten” / “Zusammen finden”, S. 209 (c) Karolina Peli

Einen Augenblick lang geschah gar nichts, doch dann hob der andere zögerlich seine Hand, deutete auf seinen Mund und schüttelte den Kopf, gestikulierte fahrig mit den Händen vor der Brust herum. Und es dauerte einen Moment, ehe Finn begriff, dass es kein nervöses Gefummel, sondern … Gebärdensprache war, die der andere ausführte. Finn war verwirrt. Und überfordert. Und ein klein wenig erleichtert. Mit allem hatte er gerechnet, nur damit nicht und doch … Es machte den anderen seltsamerweise nur noch liebenswerter für ihn, der jetzt mit rosa Wangen und gesenktem Kopf vor ihm stand.

Wieder griff Finn nach ihm, nach seinem Oberarm, vorsichtig, und drückte ihn leicht, ehe er seine Hand löste und sich auf das, was er einst gelernt hatte, besann.

“Zwischen Sojafleisch und Pinot noir” / “Zusammen finden”, S. 222 (c) Schännieh Dunkelstrauch

»Warst du schon einmal hier?«, frage ich ihn auf Englisch.

»Vor langer Zeit«, antwortet er und seine Augen werden dunkel. Oh mein Gott. Egal, ob er es ist oder nicht, ich hoffe, er bleibt bis heute Nacht – ich kenne da eine Stelle im Olivenhain, die ich ihm gern zeigen würde. Aber ich wage nicht, noch weiter zu fragen, und er sagt auch nichts mehr, obwohl ich sehe, dass ihm etwas auf der Zunge liegt. Ich wende mich wieder meinen Aufgaben zu, nur unsere Blicke treffen sich ab zu. Die Ravioli meiner Mutter scheinen ihm nicht zu schmecken.

“Nie vergessen – Non dimenticato mai” / “Zusammen finden”, S. 238 (c) Moritz Berg / J. Walther

Du hast so oft Tonnen von Wut und Frust neben mir in den Wald gebrüllt, hast mit Stöcken gegen die Stämme geschlagen, bis diese zersplitterten, Steine in den Bach geworfen, dass das Wasser bis zu uns hoch spritzte. So oft bist du vor mir durch die endlosen Grasflächen der Brachen und in den Traktorspuren der Felder gerannt. Wiesen und Getreidefelder gehörten uns. Milliarden von spindeldürren Fingern, die unsere Beine und Handflächen streichelten, die hilflose Wut, die unerwünschten Gedanken kurzfristig vertrieben. Deine wie meine.

Wir hatten uns. Untrennbar und dennoch nicht gemeinsam.

Je mehr ich dich leiden sah, desto stärker verschloss ich meine Probleme in mir. Du warst immer der Stärkere von uns beiden. Was habe ich dich dafür bewundert und konnte dir genau deswegen nie etwas sagen.

“Die Anmut von Gras” / “Zusammen finden”, S. 256 (c) Chris P. Rolls

Solltet ihr Lust auf mehr haben, würden wir uns freuen. Sämtliche Einnahmen werden gespendet 🙂

Liebe Grüße,
Juliane

[ANTHOLOGIE] Von Eisregen und fahrendem Volk von Raik Thorstad

Autor: Raik Thorstad
Taschenbuch:  150 Seiten
ASIN: B01ABWTGWY
Preis: 0,99 (eBook)
Bestellen: Amazon

Inhalt:
Die Anthologie von Raik Thorstad entstand als Dankeschön der Autorin an ihre Fans und enthält sowohl eigenständige Kurzgeschichten, als auch Bonusepisoden zu ihren bisher veröffentlichten Romanen. So gibt es für Fans u.a. ein Wiedersehen mit Sascha und Andreas („Leben im Käfig“, „Nach der Hölle links“), Geryim und Sothorn („Zenjanischer Lotus“) und den Charakteren aus „Zerrspiegel“ und „3517 Anno Domini“. Folgende Geschichten sind enthalten:

Eisregen („Leben im Käfig“, „Nach der Hölle links“)
Mein
Neue Lieder (Zerrspiegel“)
Acht Jahre
Blitzliebe
Das Schweigen des Prinzen („3517 Anno Domini“)
Drecksarbeit („Zenjanischer Lotus“)
Fahrendes Volk
NÖTE
Zwielichtsonne („Leben im Käfig“, „Nach der Hölle links“)

Eigene Meinung:
Die Kurzgeschichtensammlung „Von Eisregen und fahrendem Volk“ von Raik Thorstad erschien als Dankeschön an ihre Fans und treuen Leser als kostenfreies eBook. Eine Printausgabe war nur auf Vorbestellung erhältlich. Enthalten sind ein Großteil der Bonus- und Kurzgeschichten, die auf fanfiktion.de online verfügbar waren. Ebenso findet man in „Von Eisregen und fahrendem Volk“ Bonusepisoden, die die Handlung ihrer bereits erschienen Romane fortführen. Diese Geschichten sind entsprechend gekennzeichnet. weiterlesen…

[ANTHOLOGIE] In seiner Hand

Autoren: Nino Delia, Cecil Dewi, Levi Frost, Lasar Herzberg, Florian Höltgen, Annette Juretzki, Peter Nathschläger, Marina Pátek, Björn Petrov, Leann Porter, Thomas Pregel, Dennis Stephan, Devin Sumarno, Raik Thorstad, Jana Walther, Romy Wolf
Taschenbuch:  312 Seiten
ISBN: 978-3-945569054
Preis: 6,99 EUR (ebook)12,95 EUR (Taschenbuch)
Bestellen: Amazon

Story:
Schwule Erotik – mal zart, mal hart; mal leidenschaftlich, mal verspielt. Dies ist das Motto der Anthologie „In seiner Hand“ in der der Incubus Verlag 19 Kurzgeschichten gesammelt hat, die sich vorwiegend um die schönste Nebensache der Welt drehen. Von Alltagsgeschichten und Drama über historische Episoden, Fantasy und Sci-Fi ist wirklich alles dabei. Einige Autoren sind gleich mit zwei Geschichten vertreten (u.a. Jana Walther und Cecil Dewi), andere sind im Gay Genre noch gänzlich unbekannt.

Die teilnehmenden Autoren sind:
Nino Delia, Cecil Dewi, Levi Frost, Lasar Herzberg, Florian Höltgen, Annette Juretzki, Peter Nathschläger, Marina Pátek, Björn Petrov, Leann Porter, Thomas Pregel, Dennis Stephan, Devin Sumarno, Raik Thorstad, Jana Walther und Romy Wolf.

Eigene Meinung:
Mit „In seiner Hand“ erschien die zweite Anthologie des Incubus Verlags und dieses Mal ging der Herausgeber Ulrich Hawighorst in die Vollen – schwule Erotik in allen denkbaren Facetten war gesucht, ganz gleich ob fantastisch, dramatisch oder historisch: in der Anthologie sollten möglichst unterschiedliche Geschichten und Erzählungen zu finden sein. weiterlesen…

[ANTHOLOGIE] Zusammen finden

Cover

Autoren: Bianca Nias, Chris P. Rolls, Jobst Mahrenholz, J. Walther, Juliane Seidel, Justin C. Skylark, Karolina Peli, Moritz Berg, Paul Senftenberg, Raik Thorstad, Rosha Reads, S.B. Sasori, Schännieh Dunkelstrauch, Susann Julieva, Tanja Meurer
Taschenbuch: 300 Seiten
ASIN: B01255UN22
Preis: 5,99 EUR (ebook) | 10,90 EUR (Taschenbuch)
Bestellen: Amazon

Heute habe ich keine Rezension in petto, sondern will euch die Benefiz-Anthologie „Zusammen finden“ vorstellen, die für eine schwer erkrankte Autorin entstand und ihr ein wenig Lebensfreude, Mut und Mobilität geben soll. Dem Aufruf der Autorin Jana Walther („Benjamins Gärten“, Phillips Bilder“), die für dieses Projekt verantwortlich ist, folgten 15 deutsche Autoren. Den Leser erwarten insgesamt 13 Gay-Geschichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da ich selbst in der Anthologie mit einer Kurzgeschichte vertreten bin, erwartet euch an dieser Stelle keine Rezension, sondern kurze Teaser aller enthaltenen Geschichten, die hoffentlich Lust auf mehr machen.

Tanja Meurer – Hunger

Auf dem Flur vor ihrer Tür blieb er stehen. Etwas kribbelte in seinem Nacken. Das unangenehme Ziehen kannte er. Zumeist fühlte es sich so an, wenn ihn jemand anstarrte. Hinter ihm knackte der Schlüssel im Schloss. Das Fräulein hatte abgeschlossen. All seine Freunde, ausgenommen Konrad, der auf ihn wartete, gingen die Treppe hinunter. Ein kalter Hauch streifte Heinrichs Wange. Der Geruch nach ungewaschenem Mann umfing ihn. Hinter sich fühlte er einen warmen Körper, der ihn nicht berührte. Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen. Sein Herzschlag beschleunigte sich und pumpte Hitze durch seine Adern. Hinter ihm stand jemand! Er fuhr herum.

Schännieh Dunkelstrauch – Zwischen Sojafleisch und Pinot noir

Jeden Samstag kam er zum Einkaufen hierher. Beinahe sogar immer um die gleiche Uhrzeit und jedes Mal maß er Finn mit heimlichen Blicken. Seit etwas über einem Jahr ging das bereits so und für Finn war es inzwischen schon fast schon eine Art allwöchentliches Date geworden, auf das er sich immer wieder aufs Neue freute, und das, obwohl sie bislang noch nie auch nur ein einziges Wort gewechselt hatten. Lediglich das ein oder andere schüchterne Lächeln hatten sie bisher aus der Entfernung getauscht, doch dabei war es stets geblieben.

Chris P. Rolls – Die Anmut von Gras

Meine Füße jucken in den Lederschuhen, der Stoff der Hose kratzt. Nur zu gut erinnere ich mich an das Gefühl sonnenprickelnder Wärme auf der Haut. Das Bouquet des Sommers lag permanent in der Nase: der schwere, süße Duft unzähliger Blüten, der herb würzige von Heu, der unvergleichliche Geruch von trocknenden Badesachen. Staub in der Nase, sandige Erde zwischen den Zehen, das Kitzeln kleiner Steinchen, das Streicheln langer Grannen an Hüfte und Handflächen. Auf dich übte jedes dieser gräsernen Meere stets eine besondere Anziehungskraft aus. Inmitten der Bewegung verlor sich der Horizont, verschwamm die Welt. Brachflächen und Getreidefelder, sie lockten dich zielsicher hinein. Du bist hineingerannt, noch ehe dein Fahrrad, achtlos abgestellt, den Boden berührte. Dein Lachen lockte mich mit hinein. Keuchend versuchte ich an dir dranzubleiben, wenn du jauchzend die Spur wechseltest, während ich brav in der Traktorspur blieb und bei jeder umgeknickten Ähre insgeheim meinen Vater schimpfen hörte. Mit einem Köpper verschwandest du in den Wellen aus Ähren und Halmen. Nichts konnte dich stoppen.

Jobst Mahrenholz – Charlys Chip

Er, den ich suche, fläzt lasziv auf den hölzernen Stufen. Der schmale Körper ist schwarzbraun gestreift, durch Erde und Moor. Ein Faun. Sein intensiver Duft lässt mich die Augen schließen. Dichtes Haar hängt in dicken filzigen Strähnen in sein Gesicht. Ein Schurz aus Fuchsfell schützt seine Lenden. Er strahlt mir entgegen. Ein siegesgewisses Lächeln blitzt auf. “Endlich …”, sagt er, als ich ihm gegenüberstehe. “… Ich dachte schon, du tust es nie.” “Es ist verboten …”, sage ich zaghaft, als er geschmeidig auf mich zukommt. Da lacht er mich aus. “Wer sagt sowas?”, will er wissen. Seinem Atem entströmt das Aroma wilder Beeren. “Alle sagen das”, versichere ich ihm.

Juliane Seidel – Zwillingsmond

Bei den Göttern! Nazar zwang sich zur Ruhe. Er versuchte die bohrenden Blicke auszublenden, um sich ganz auf den Zauber zu konzentrieren. Sein Kopf schmerzte vor Anstrengung, doch endlich fühlte er das leichte Prickeln, das von den Magielinien ausging. Widerwillig öffneten sie sich vor ihm. Er wollte gerade die Hand nach der Macht ausstrecken und den Zauber intonieren, als ihn ein unterdrücktes Lachen ablenkte. Dieser kurze Augenblick der Unaufmerksamkeit genügte, um die Verbindung zu den Magielinien zu verlieren.

Bianca Nias & Susann Julieva – Der Werwolf von Nebenan

Was zum Teufel ist los mit mir? Ich schließe die Wohnungstür und lehne mich für einen Moment dagegen, um mich zu sammeln. Die Art, wie Lorenz mich angesehen hat, brennt und vibriert in mir. Hellwache graublaue Augen, verwirrt und offensichtlich von mir fasziniert. Ich konnte seinen Puls in der Halsschlagader pochen sehen. So verletzlich. Mit einer einzigen Bewegung könnte ich ihn in Stücke reißen. Manche Menschen spüren instinktiv, dass Wandler gefährlich sind, aber er ist völlig ahnungslos. Sein Körper sendet eine ganze Woge von Pheromonen aus, ohne, dass er es überhaupt merkt. Und da ist etwas an seinem Duft, das mich ganz kirre macht. Als ich dicht vor ihm stand, war ich kurz davor, an ihm zu schnuppern. Seine Haut riecht unvergleichlich, maskulin und herb – und dann diese köstliche Vanillenote. Ich will seinen Geruch inhalieren, an seiner empfindsamen Nackenpartie, wo das Aftershave nichts überdeckt. Mit der Zunge aufreizend langsam über seine Haut lecken, ihn schmecken … Mann, der Gedanke turnt mich ganz schön an. Meine Wolfsseite lechzt auf einmal wie ausgehungert nach Sex. Für einen Moment ist der Trieb fast überwältigend. Nein, verdammt! Das steht außer Frage. Viel zu wahrscheinlich, dabei enttarnt zu werden.

S. B. Sasori – Rabendieb

Falk Graustein hat den Kopf in den Nacken gelegt, sieht in den bedrohlich dunklen Himmel. Völlig in Gedanken versunken. Die Grimmigkeit ist verschwunden. Wenn überhaupt, wirkt sein Blick traurig. “Guten Morgen”, grüße ich gewohnt freundlich. “Tut mir leid, dass ich spät dran bin.” Er fährt zusammen, als hätte ich ihn aus dem tiefsten Traum gerissen. “Arne!” Er hat mich noch nie mit Namen angesprochen. Ich wusste gar nicht, dass er ihn kennt. Ein verwirrtes Lächeln erhellt sein Gesicht für geschlagene drei Millisekunden. Die braunen Augen leuchten in einer Wärme, die ich diesem Mann nie zugetraut hätte. Dann versinkt seine Miene in zum Himmel passende Finsternis. Für einen winzigen Moment stand ein völlig anderer Mensch vor mir. Er schnippt die Asche von der Zigarette und sieht mir zu, wie ich ihn anstarre. Ich rette mich mit einem Lächeln, eile an ihm vorbei und bin froh, als ich die Tür zwischen uns schließen kann.

Rosha Reads . Sehnsucht ist ein subtiles Gefängnis

Verdammt, ist das eng! Obwohl ich meine Lippen fest aufeinanderpresse, entkommt mir ein Stöhnen. „Was?“, fragst du und deine Stimme klingt beinahe ängstlich. Ja, was wohl? Deine Frage und der Blick in deine besorgten Augen machen die Situation auch nicht einfacher für mich. Ich atme tief durch und verkneife mir jeglichen Kommentar. Es gibt Momente, in denen man am besten gar nicht spricht. Beim Sex zum Beispiel. Oder wenn man die Hand in den Eingeweiden eines Autos eingeklemmt hat. So geil ein Achtzylinder auch ist, beim Wechseln des Keilrippenriemens ist der verbaute Motorraum die Hölle. Man bräuchte die zierlichen Hände einer chinesischen Hebamme, um dort einigermaßen arbeiten zu können.

Justin C. Skylark – Dylan & Thor – on the road – ein Zwischenspiel

Jimmys Fragen ebbten nicht ab. „Was treibt dich in diese Gegend? Mit einem Wohnmobil?“ „Wir machen Urlaub“, entgegnete Dylan. Er verfolgte genau, wie sich Jimmy zwischen den Beinen wusch. Der nasse, nackte Körper erregte ihn. „Und der Typ mit dem Bart und den langen Haaren ist dein Freund?“ „Wieso?“ Jimmy stellte das Wasser aus. Er griff sich ein Handtuch und trocknete sich ab. Er trug silberne Ketten, ein paar Fingerringe. Seine Arme und Leisten waren tätowiert. Sein schwarzes Haar war nass. Er rubbelte es trocken, sodass es in Strähnen von seinem Kopf abstand. „Er sah nicht so aus, als hätte er es begrüßt, dass wir uns unterhalten.“ „Ach, weißt du, es ist nicht immer einfach mit ihm.“

Jana Walther & Moritz Berg – Nie vergessen – Non dimenticato mai

Ich betrachte seine Augen, die in einem besonderen Braunton leuchten, eine Farbe, die mich schon vor so vielen Jahren in seinen Bann gezogen hat. Auch dieses strahlende Lächeln erkenne ich wieder. Es ist dasselbe wie früher. Ich bin mir sicher, dass er es ist!
Der Junge war damals schon hier gewesen. Inzwischen ist aus ihm ein Mann geworden, doch in seinen Augen schimmert noch immer der kindliche Ausdruck des Jungen, dem ich einst hier begegnet bin.
Diese Augen haben mich vor Jahren bis in meine Träume verfolgt und Gefühle in mir ausgelöst, mit denen ich zu jener Zeit noch nichts anzufangen wusste.

Raik Thorstad – Das steinerne Bild

Da liegt er, hemmungslos, nackt, lang ausgestreckt neben mir. Dein Steingott. Er, mit dem unser Streit begann.
Meine Hand zuckt nach oben, um den Laptop zu schließen, aber du packst meinen Arm. Deine Finger graben sich tief in mein Handgelenk.
„Sieh genau hin“, raunst du mir brüchig zu. „Ich bitte dich, sieh einfach einmal richtig hin. Nur für einen verdammten Moment.“
Ich kann gar nicht anders, obwohl ich viel lieber weglaufen möchte. Du hast mich ausgetrickst. Das ist mir jetzt klar. Ich habe nicht für eine Installation maßgenommen, ich bin selbst das Kunstwerk. Ich neben diesem perfekten Mann, der …

Paul Senftenberg – Liebe ohne Namen – Oscar Wilde (1997)

Auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise befindet sich das von Jacob Epstein gestaltete und einem fliegenden Engel getragene Grab von Oscar Wilde, der sich zu einer Zeit, als Homosexualität noch als Sodomie bezeichnet wurde, schwanken sah zwischen der Liebe zu seiner Frau und seinen beiden Kindern und jener zu Männern, im Speziellen zu dem wesentlich jüngeren Lord Alfred Douglas, den er Bosie nannte. Inmitten der Bigotterie des viktorianischen England stand Wilde zu seiner Neigung und musste dafür teuer bezahlen. Ein Zitat aus Wildes Gedicht „The Ballad of Reading Gaol“, das seine Zeit im Gefängnis thematisiert und auf dem Grab zu lesen ist, nimmt Bezug auf Männer mit einem Doppelleben, wie es der Autor selbst führte: “And alien tears will fill for him/Pity’s long-broken urn/For his mourners will be outcast men/And outcasts always mourn.”

Karolina Peli – Von Liebe, Anhänglichkeiten und Fluchten

Jan ging dabei der Gesichtsausdruck von Enno nicht aus dem Kopf. Warum hatte Enno ihn so entsetzt angesehen? Warum fragte er: Seit wann und wieso?
Jan betrachtete dabei Camille, wie dieser mit dem Rücken zu ihm am Küchentresen stand und Fleisch klein schnitt. Sein Blick glitt dabei über dessen Figur. Gerade lange Beine, schmale Hüften und dazu diese bis über die Schultern fallenden lockigen Haare. Hätte er es nicht besser gewusst, könnte man auf den ersten Blick meinen … Jan fing an, schallend zu lachen.
“Ich glaube zu wissen, was Enno zu diesem entsetzten Blick veranlasst hat. Und warum er so herumstotterte. Der hielt dich auf den ersten Blick für eine Frau. Wenn er genauer hingeguckt hätte, wäre ihm aufgefallen, das ich einen Kerl im Arm hielt.”
Er konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. Ja, das konnte durchaus so gewesen sein. Enno hatte das gesehen, was er sehen wollte. Und hatte nicht lange darüber nachgedacht. Camille wackelte mit den Hüften. “Und das bedeutet jetzt?”

Ich hoffe, dass ich euch die Anthologie ein wenig schmackhaft machen konnte – wie ihr seht haben wir für jeden Geschmack etwas dabei. Das eBook findet ihr in allen großen Onlineshops, die Printausgabe wird in nächster Zeit erscheinen. Bis dahin könnt ihr das eBook auf Amazon bestellen. Wir freuen uns über eure Unterstützung.

[AUSWERTUNG] Gewinnspiel Raik Thorstad

Hallo in die Runde,

endlich ist es soweit – das Leserinterview und die Gewinnspielauswertung stehen an. Insgesamt haben 12 Leute Fragen eingereicht(Andy sowohl nach dem Interview mit Steffen und Alex, als auch nach dem Gewinnspielaufruf), teils an die Autorin gerichtet, teils an die wundervollen Charaktere. Vielen Dank an alle die sich an der Aktion beteiligt haben und mit einigen tollen Fragen aufwarteten. Bevor die Gewinner bekanntgegeben werden, übergebe ich das Wort an Raik und ihre Schöpfungen.

Hier die Antworten zu euren Fragen:

Von Steffen würd ich gern wissen, wie es ihm ging, kurz bevor er nach so langer Zeit wieder auf Alex zugegangen ist, war bestimmt nicht leicht. (Andy)

Steffen: Oh Shit, das hätte ich echt sehr gern im Dunkeln gelassen. Naja, erst einmal habe ich mir dafür ziemlich viel Zeit gelassen. Wurde mir auch von anderen geraten. Zuerst den eigenen Dreck vom Hof kehren, dann erst wieder andere mit ins Boot holen. Ich war es mir und auch Alex irgendwie schuldig, dass ich nicht bei ihm an der Tür kratze, wenn ich noch nicht wieder beieinander bin. Hmmpf. Ihm wäre es vermutlich sogar wurscht gewesen.

Egal. Jedenfalls: Ich hatte unglaublich Schiss, dass er mir in den Hintern tritt und mich wegschickt. Und … also … einmal war ich auch vorher schon bei ihm auf der Arbeit und hab dann gekniffen. Sehr nervös also.

Dann würd mich noch interessieren, wie sich Steffen mit Thomas versteht, haben sich die beiden vielleicht sogar angefreundet? (Andy)

Steffen: Das war anfangs natürlich nicht ganz so leicht. Alex und Thomas hatten ihren Teil zwar geklärt. Aber für Thomas war ich erst einmal nur die Klemmschwester, die jemandem, der ihm immer noch wichtig war, ziemlich eins reingewürgt hatte. Inzwischen hat sich das aber gebessert. Wir kommen so gut miteinander aus, wie ein Banker und ein Rocker eben miteinander auskommen. 😉 Kinoabende, Partys und gemeinsame Workouts und so sind sehr entspannt und cool. Aber für best buddys wird es wohl dann doch nicht reichen.

Und von Alex hätt ich gern erfahren, wie seine Freunde drauf reagiert haben, als sie erfahren haben, warum er so lange so schräg drauf war. Sie mussten ja ziemlich viel aushalten. (Andy)

Alex: Das war unterschiedlich. Einige haben ähnlich wie meine Schwester reagiert. Sie waren ein bisschen angefasst, weil ich mich ihnen nicht anvertraut hatte. Andere hatten sehr viel Verständnis. Das waren meistens die, die schon eine Ahnung gehabt hatten. Ich habe hinterher erst begriffen, dass sich doch ‘ne Menge Leute Gedanken um mich machen. Das war schon rührend zu sehen. Ich glaube, am Ende waren alle genauso erleichtert wie ich, als ich Steffen anschleppen konnte, und sagen: „Okay, Leute, voila. Das ist er und das Versteckspiel ist vorbei.“

Jetzt hab ich ja schon an allen möglichen Stellen gelesen, dass du mal auf der Bühne gestanden bist. Scheinbar mit einer E-Gitarre in der Hand. Also Volksmusik war’s dann schon mal nicht – Klassik auch nicht. Was hast du für Musik gemacht? (Andy)

Teilweise hast du recht, teilweise nicht. 😉 Ich habe ein Faible für „handgemachte“ Musik jeder Art. Und da ich neben der E-Gitarre früher Konzertgitarre, Querflöte und Saxophon gespielt habe und auch eine klassische Gesangsausbildung hinter mir habe, war das Spektrum ziemlich groß.

Heißt also: Von Chören über Orchester bis zu Big Bands und eben Rockbands war alles dabei. Meine große Liebe gilt aber immer noch dem Metal und all seinen Mischformen. Entsprechend war da auch immer mein Hauptschwerpunkt, gerne eben auch in Kombination mit anderen Richtungen. Allerdings: Über eine fette Big Band geht auch nicht viel drüber. 😉

Schaust du auch gerne Filme mit homosexuellen Hauptcharakteren? Ich hab z.B. als letztes Out in the dark gesehen und gern gesehen. Hast du da Lieblingsfilme? (Andy)

*g* Nur zum Verständnis: Wir reden nicht von Pornos, oder? *lach* Nein, mal im Ernst: Ich bin nicht so der ganz große Cineast, sondern eher so der Popcorn-Kinogucker. Mag auch daran liegen, dass ich finde, dass gewisse Themenbereiche im Film eher verlieren. Siehe „Maurice“, der vom Buch zum Film doch eine Menge verloren hat. Insofern habe ich hier und da zwar ein paar Filme wie „Shelter“, „Ciao“ und „Latter Days“ hier liegen. Aber so richtig erreichen tut mich das Genre im Film nicht.

Was mich nochmal interessieren würde, ist, ob du, Raik, öfter mal mit Schreibblockaden zu tun hast/hattest und wie du in der Regel damit umgehst? (Julia)

Japp, ich kenne das Thema Schreibblockade sehr, sehr gut. Meistens ist das bei mir aber ein Symptom für etwas anderes. Heißt: Es liegt nicht am Schreiben selbst, sondern an meinem Gesundheitszustand, Stress, Ärger im Umfeld, grundsätzlichen Selbstwertrangeleien und so etwas. Insofern muss ich dann meistens zusehen, dass ich erst einmal um mich herum aufräume.

Was ich für mich festgestellt habe, ist, dass Druck überhaupt nicht hilft. Sich also hinsetzen und sagen: „Du schreibst jetzt, egal, was passiert“, bringt mir gar nichts. Ganz im Gegenteil. Meistens klappt es, wenn ich mich anders herum austrickse und sage: „Du machst jetzt zwei Wochen schreibfreie Zeit.“ Dann kommt meistens der Plot um die Ecke gequengelt und setzt sich auf meinen Schoss.

Und verlaufen deine Geschichten in der Regel schon “nach Plan”, also nach dem Grundgerüst, das du am Anfang über den Verlauf erstellst (wenn du das überhaupt tust) oder kommt es vor, dass deine Jungs dir da auch mal einen Strich durch die Rechnung machen und sich die Story etwas “verselbstständigt”? (Julia)

Sagen wir mal so: Es gibt am Anfang einen festen Plan bestehend aus Anfang, verschiedenen Fixpunkten, Barrieren und dem Ende. Zwischen diesen Phasen will ich immer einen bestimmten Entwicklungsweg für die Charaktere abarbeiten. Es kann dann vorkommen, dass ich Stelle X erreiche und dass ich merke, dass die Jungs einfach noch nicht „so weit“ sind. Und dann entstehen quasi von allein ein paar Schlenker auf dem Weg. Auch Gewichtungen haben sich schon einmal bei einem Buch von mir verändert. Aber allgemein verläuft das schon nach Plan.

Stell’s dir einfach wie eine Wanderung vor, die du geplant hast. Du weißt, du willst vom See zum Berggipfel. Unterwegs entdeckst du aber noch eine besonders nette Ecke aus der Ferne, läufst deswegen einen Bogen mehr, zwischendurch kommt ein Wolkenbruch, sodass eine ungeplante Nacht in der Schutzhütte gibt und so weiter. Am Ende kommst du aber auf dem richtigen Berg an – und nicht auf dem nebenan. 😉

Ist es schon mal vorgekommen, dass Du als Verleger ein eingereichtes Manuskript als richtig gut empfunden hast, aber mit Rücksicht auf den Markt, sprich die Verkäuflichkeit, trotzdem ablehnen musstest? (Anita)

Ja, das ist schon vorgekommen und das wird auch wieder geschehen, fürchte ich. Es gibt manchmal Manuskripte, die zu speziell oder auch einfach zu groß für den Verlag sind. Das sind Bücher, die eine größere Reichweite brauchen und ein stärkeres finanzielles Sicherheitsnetz. Das sind sehr bittere Entscheidungen, weil man genau weiß, dass man in 10 Jahren und mit einer etwas anderen Aufstellung anders handeln würde.

Die Alternative in so einem Fall wäre, das Buch trotzdem zu nehmen und an verschiedenen Punkten in der Produktion Abstriche zu machen. Und das finde ich weder unseren Lesern noch dem Autor gegenüber fair.

Ich würde gerne mal in den Kopf von Aidens Schwester Branka schauen; wie hat sie die Situation erlebt, als Aiden in die Festung verschleppt wurde? (Anita)

Branka: Hah! Wie nett, dass jemand mich mal fragt. Finde ich super. Danke dafür!

Als sie Aiden von uns weggeholt haben, ist etwas in mir erst zerbrochen und dann sofort mit einem Haufen Stacheln auf dem Buckel wieder hochgeschossen. Wir hatten es vorher schon so verdammt schwer. Mutter tot, Vater gesundheitlich angeschlagen. Und niemand hat uns gefragt, ob wir auf Aiden verzichten können. Ich habe mich schon immer mit dem System schwergetan. Aber in dem Punkt ist das Fass übergelaufen. Ich sah, wie sie ihn wegbrachten. Mein einziger Bruder. Ich wollte ihn hergeben und habe mich deswegen sogar schäbig gefühlt, weil ich es ihm ja gönnen sollte, dass er ein besseres Leben führen würde.

Aber ich war einfach unglaublich wütend. Dieser Zorn hat mich in den Widerstand getrieben. Ich hatte vorher schon damit geliebäugelt und dann war es einfach an der Zeit, aktiv zu werden.

Warum hat der Incubus-Verlag „für 2015 keine regulären Veröffentlichungsplätze“ mehr? (Bernd)

Das hat etwas mit der grundsätzlichen Produktionsweise von uns zu tun. Wir haben uns gleich bei der Gründung dagegen entschieden, uns an die üblichen „On demand“-Systeme binden zu lassen. Das bedeutet für uns, dass jedes Buch komplett vorfinanziert werden muss und wir dadurch nur eine Summe X an festen Produktionsplätzen pro Jahr haben. Es spielt auch ein Lagerplatzproblem mit hinein, das wir allerdings noch dieses Jahr beheben werden.

Dazu kommt, dass wir ein bisschen Luft für unsere Stammautoren lassen möchten. Bedeutet: Wenn Cecil Dewi oder Dennis Stephan zu mir kommt und sagt: „Mich hat die Muse geküsst, kannst du mein Buch rausbringen“, möchte ich das mit einem „Ja“ beantworten können, obwohl die anderen Jahresplätze schon belegt sind.

Allerdings muss man ganz klar sagen, dass Buchproduktion auch immer ein bisschen Russisches Roulette ist. Kreative Prozesse lassen sich schlecht in Zeitpläne stopfen. 😉

Ist die Geschichte von Sascha und Andreas abgeschlossen oder darf man darauf hoffen, irgendwann in der Zukunft nochmal in ihre Welt einzutauchen? Oder wie stellst du dir das weitere Leben der beiden nach dem Ende vom zweiten Buch vor? (Emanuel)

Die Geschichte um Andreas und Sascha ist leider abgeschlossen, fürchte ich. Sie war von Anfang an als Zweiteiler angelegt und ich habe die Befürchtung, dass ein „Weiterschreiben“ immer aufgesetzt wirken würde. Allerdings sollte man natürlich vorsichtig mit solchen Aussagen sein. Wer weiß, ob mir in zehn Jahren für wirre Ideen kommen und ich auf einmal glaube, ganz dringend noch einmal bei ihnen weitererzählen zu müssen?

Die Frage nach ihrer Zukunft … puh. Schwere Frage, da das doch eine Menge umfasst. Ich denke auf jeden Fall, dass die beiden zusammenbleiben werden. Sie haben jetzt eine Menge durch und scheinen wirklich die passende Chemie zu haben.

Auf Dauer wird sich die Frage stellen, wie sie beruflich klarkommen. Ob Andreas nicht doch irgendwann in die Firma seiner Eltern einsteigt und ob es nicht irgendwann Ärger wegen des Gelds gibt. Denn auch wenn Sascha bestimmt sein Studium beenden und einen guten Job finden wird, hat er immer noch so einen neureichen Schnösel an Seite. Ich könnte mir vorstellen, dass es deswegen in der näheren Zukunft manchmal knallt.

Andreas wird wohl sehr oft versuchen, aus dem Haus zu kommen und manchmal dabei scheitern. Ich denke, sie werden versuchen, das eine oder andere an Reisen zu realisieren. Das Leben so richtig genießen und für Andreas eine Menge nachholen eben.

Übrigens: Vielleicht tröstet es ja ein bisschen, dass für die beiden ein Cameo-Auftritt in einem anderen Buch von mir geplant ist. 😉

Kannst du dich spontan an ein Kompliment zu deinen Büchern erinnern, welches dich besonders gefreut bzw. mit Stolz erfüllt hat? (Emanuel)

Uffz. Ja. Kann ich mich. Es sind mir einige Komplimente sehr nah gegangen. Ich finde es nur immer schwierig, da jemanden herauszupicken. Einigen fällt es leichter, sich auszudrücken. Es wäre da nicht fair zu sagen: „Oh, das ist aber ein viel schöneres Lob als das.“

Es gab allerdings immer wieder mal Post, wo mir Leute geschrieben haben, dass sie wegen der Hamburg-Reihe eine neue Sichtweise auf psychische Erkrankungen haben oder – falls sie selbst betroffen sind – endlich den Mut gefunden, aktiv zu werden und sich Hilfe zu suchen. Das ist schon fantastisch. Das fühlt sich innerlich schon sehr nach einem „Mission accomplished“ an. 😉

E-Book oder das ganz “Oldschool-Modell” aus Papier? (Emanuel)

Für mich privat? Oldschool one and only. 😉 Wobei ich in dem Sinne nichts gegen das Ebook habe, außer dass ich nach 10 Stunden am PC nicht noch ein Elektro-Dings vor der Nase haben mag.

Bücher sind für mich nur auch ein wunderbares Dekoelement in der Wohnung und etwas, was einen Raum unglaublich gemütlich macht. Ich möchte meine Schätze einfach im Regal sehen und ihnen auch durchaus ansehen, wie alt sie sind. An vielen hängen so tolle Erinnerungen dran …

Was könntest du dir vorstellen, irgendwann Mal zu schreiben? Was ganz anderes? Wieder Fantasy? Fortsetzungen der bisherigen Werke oder etwas ganz anderes? (Alexandra)

Einfache Antwort: Alles! *lach*

Okay, ein paar Grenzen gibt es dann wahrscheinlich doch. Aber ich glaube einfach, dass man bei kreativen Hobbys oder Arbeiten immer arg aufpassen muss, dass man nichts von vornherein ausschließt. Es gibt so ein paar Sachen, die ich mir gerade beim besten Willen nicht vorstellen kann. Aber ob es wirklich so kommt?

Auf jeden Fall werden von mir bald historische Sachen erscheinen. Daran arbeite ich aber schon deutlich länger als an den erschienenen Büchern. Das wäre noch einmal ein neues Feld.

Was Fortsetzungen angeht, sind nur welche für die „Zenjanischer Lotus“-Reihe geplant. Das wird eine Trilogie. Bei den anderen ist leider Sense. Na, jedenfalls zu 99 Prozent. 😉

Mich würde aber doch noch interessieren, welche Art von Musik Raik früher gemacht hat und, ob es da vielleicht noch ein Video oder eine Hörprobe gibt? (Mana)

Oh, ich fürchte, die Frage hat sich jetzt gedoppelt und ist weiter oben schon einmal beantwortet worden. Insofern: Metal ist meine große Liebe, aber ich hatte auch in Orchestern, Bigbands und Chören zu tun. Oh, und da war auch einmal eine Rockband, die Richtung Partymucke mit Punkeinschlag wegging.

Videos und Hörproben: Nein! *hektisch mit dem kopf schüttel* Ich will’s jedenfalls nicht hoffen, dass da noch was kursiert, was neuer als 1995 ist. 😉 Davor gibt es nur eine Reihe lustiger Videoaufnahmen, die bei meinen Eltern herumdiffundieren müssten. Mein Problem war bei der Musik immer, dass ich extremste Panik vor Auftritten hatte. Das heißt, die Mitschnitte von Konzerten waren immer ein Debakel. Besonders Soloauftritte waren für mich die Hölle. Ich war definitiv ein Proberaum-Mensch.

Momentan lese ich das Ebook “Zerrspiegel” und stelle mir immer wieder die Frage, ob die Autorin Raik Thorstad jemanden wie den Protagonisten Steve (Steffen) Simon persönlich kennt. Ich kann mir einfach nicht so recht vorstellen, trotz umfangreicher Recherchen ihrerseits, einen Rockstar so explizit darzustellen. Simon kommt unglaublich glaubhaft rüber und überzeugt mich als Leserin enorm. (Sonny)

Erst einmal ganz herzlichen Dank für die Blumen. Super, dass er so gut ankommt der alte Chaot. 😉

Bei Steffen und seiner Darstellung kommt sicher eine Kombination aus vielen Hintergründen zusammen. Dass ich selbst so lange Musik gemacht habe, Freunde, die im Geschäft sind und/oder waren, mein Mann, der auch lange „Mucker“ und Sänger war und so weiter. Das Gefühl, auf einer Bühne zu stehen oder auf einmal in einer Situation sein, in der man nicht mehr das machen darf, was man eigentlich will, kenne ich zum Beispiel sehr gut selbst. Das heißt, ich habe und hatte schon reale Berührungspunkte.

Allerdings gibt es für Steve keine „echte“ Vorlage. Das wäre ja auch rechtlich ziemlich problematisch, wenn ich in ihm Sänger XY karikiert hätte.

Meine eine Frage ist, ob du Musik zum Schreiben hörst und wenn ja welche? (Sarah)

Das kommt ein bisschen darauf an, wie gut ich im Schreibfluss drin bin und natürlich auch darauf, an was ich schreibe. Bei „Zerrspiegel“ habe ich viel guten alten Hard Rock und Stoner Rock laufen lassen. Def Leppard, Poison, Guns n Roses, Chrome Division und solches Zeug. Bei historischen oder fantastischen Sachen kann ich das aber nicht so gut haben. Da höre ich oft Klassik – in erster Linie Orchesterwerke von Grieg, Sibelius, Smetana und so – oder Filmsoundtracks. Da fällt mir gerade Gladiator, X-Men, Herr der Ringe und diese Richtung ein. Schön pompös eben. 😉

Und die zweite, was du tust, wenn dich plötzlich eine Idee überfällt (wenn das denn vorkommt)? Also suchst du dann das nächstbeste Zettelchen oder lässt du sie auch wieder gehen. (Sarah)

Mit Zetteln arbeite ich komischerweise gar nicht. Ich speichere es im Kopf ab. Meistens schubse ich herannahende Ideen allerdings ziemlich brutal beiseite, weil ich eh schon viel zu viel auf meiner To-Do-Liste stehen habe. Und die, die immer wiederkommen, die brauche ich eh nicht aufschreiben, weil sie anhänglich wie Kletten sind. Man könnte also sagen, dass am Ende das aufgeschrieben wird, was sich besonders hartnäckig an meine Fersen geheftet.

Übel wird es nur, wenn ich irgendwelche Dialoge im Halbschlaf durchgehe und dann am nächsten Morgen alles vergessen habe. *seufz*

Gerne würde ich wissen, ob Raik beim Schreiben nebenher nascht oder ob sie was Besonderes trinkt und dabei bestimmte Musik hört? (Bri Mel)

Die Frage nach der Musik habe ich oben hoffentlich schon ausreichend beantwortet. =)

Zum Essen und Trinken: Man glaubt es kaum, aber ich vergesse beim Schreiben meistens beides. Man sollte also meinen, dass ich ein Strich in der Landschaft bin, der permanent dehydriert durch die Gegend torkelt. Aber da ich nach dem Schreiben zu Fressattacken neige, wird das nichts. Es ist schon ein paar Mal vorgekommen, dass mir während des Schreibens der Kreislauf weggesackt ist und dann von meinem Gatten die donnernde Frage kam: „Sag mal, hast du heute überhaupt schon was getrunken?“

Und ich dann: „Äh, ich muss weg …“

Aus Zerrspiegel hätte ich von Steffen gerne gewusst, ob er denn noch Kontakt zu einigen seiner Fans hat, oder diese komplett abgebrochen wurden. (Bri Mel)

Steffen: Ich hatte immer nur sehr wenig Kontakt zu einzelnen Fans. (Ganz anders als gewisse Schreiberlinge … *hust*) Es gibt ein paar Jungs aus den Anfangszeiten, die halb Fans, halb Mitschüler waren, mit denen ich in letzter Zeit wieder etwas mehr zu tun habe. Aber ansonsten ist da eher Flaute angesagt. Mir tut das immer ein bisschen leid. Es kommen immer noch viele Mails und Briefe. Aber ich fühle mich dem im Moment nicht gewachsen. (Das hat mir übrigens der Quacksalber in der Entzugsreha beigebracht. „Ich fühle mich dem nicht gewachsen“. Blah …)

Hat Steffen jemals vor, seine Musikkarriere wieder aufzunehmen? Wenn ja, wie steht Alex dazu? (Bri Mel)

Steffen: Dazu kann ich nur ganz klar „vielleicht“ sagen. Ich weiß es echt nicht. Im Moment bin ich mit meinem Studentenleben gut zufrieden. Es sind doch irgendwie ‘ne Menge interessante Sachen an mir vorbeigegangen. Die Musik werde ich nie aufgeben. Das ist mal sicher. Aber Karriere ist was anderes, als sich abends mit ein paar Jungs in einem mit Eierkartons isolierten Keller zu treffen und für jeden gespielten Song eine Pizza zu bestellen.

Alex: Hm. Hmmm! Ich frage mich das auch manchmal, wie ich dazu stehe. Auf der einen Seite ist Steffen ein Mensch, der die Musik und auch die Bühne braucht. Und gut ist er auch. Er hat viele Fans enttäuscht. Und ich meine, ich wusste ja, von Anfang an, wer er ist und was es bedeuten würde, mit ihm zusammen zu sein. Im Moment kann ich mir aber nicht vorstellen, dass er wieder Karriere macht und dass das gut geht. Ich hätte schon sehr viel Sorge, dass er wieder in irgendeinen Sog gerät.

Aber egal, wie es kommt: Auf jeden Fall müssten die Spielregeln andere sein. Dass er offen mit sich selbst ist und dadurch auch mit mir.

Geryim, sag doch mal. Wie war denn das damals, als geschickt wurdest, um den großen Meisterassasinen zu holen? Hattest du Angst vor Sothorn? (DieSchännieh)

Geryim: Hmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmpf!

Sothorn: DAS würde ich auch gern wissen.

Geryim: Hmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmpf!

Sothorn: Also ja.

Geryim: Von mir aus. Ja, natürlich hatte ich Angst. Wir haben alle Angst vor dem Tod, seitdem wir nicht mehr mit dem Kopf in den Wolken schweben. Es hat aber geholfen, dass ich wusste, dass Sothorn zu dem Zeitpunkt schon Probleme mit seiner Körperbeherrschung hatte.

Sothorn: He …!

Geryim: Sagen wir einfach, dass ich genau wusste, warum ich nicht mit ihm in den Nahkampf gegangen bin.

Wir durften ein ums andere Mal mit ansehen, dass Sothorn dich manchmal zur Weißglut treibt. Gibt es Eigenschaften an ihm, die dir besonders gegen den Strich gehen und wenn ja, welche sind das? (DieSchännieh)

Geryim: Seine verflixte Gelassenheit. Die wird immer schlimmer, seitdem wir aus der Adelijar-Festung ausgezogen sind. Ehrlich gesagt: Es ist der pure Neid! Wenn sich mir das Fell sträubt und ich nicht einmal weiß, wieso, und ich ihn anschreie, schaut er mich vollkommen gelassen an. Dann möchte ich ihn windelweich schlagen. Und dass er nicht lockerlässt, ist fast genauso anstrengend. Wenn er etwas von dir will, wartet er einfach, bis er es bekommt. Er belauert einen geradezu. Und das Schlimme ist, dass ich dem Mistkerl jedes Mal nachgebe!

Gwanja hat sich an Sothorn gebunden, was aufgrund deiner Herkunft so ziemlich alles zwischen euch einfacher macht. Sie hat dir einen Gefallen getan, hast du gesagt. Doch gib’s zu, du bist auch ein bisschen eifersüchtig, dass sie nicht deine Gefährtin ist, oder? (DieSchännieh)

Geryim: Eifersucht ist nicht das richtige Wort. Ich war im ersten Moment sehr enttäuscht, allerdings auch erleichtert. Es ist schwer, seine Seele mit zwei Tieren zu teilen. Besonders, wenn es zwei so mächtige Tiere sind wie der Blauschwanzadler und der Brandlöwe. Beide sind Kreaturen, die sich nach dem Glauben meines Volks nur mit besonderen Menschen verbinden. Es wäre wahrscheinlich schlimmer gewesen, wenn ich nicht Syv, sondern ein niedriges Gefährtentier gehabt hätte. Eine Schildkröte oder ein Reh zum Beispiel. Aber er hat mich schon über andere Wargssolja erhoben. Auch noch Gwanja zu erlangen, wäre wohl zu viel des Guten gewesen.

Und Sothorn verdient sie. Ich hätte sie keinem anderen gegönnt als ihm.

Gäbe es ein prominentes Paar über das du dir vorstellen könntest eine (erfundene oder ggf. biografische) Geschichte zu schreiben? (Babsi)

Wenn ich die Erlaubnis eines prominenten Paares hätte, über es zu schreiben, könnte ich mir das theoretisch zu einem späteren Zeitpunkt vorstellen. Allerdings setzt das eine ganz enge Zusammenarbeit mit diesem Paar voraus. Blind eine Geschichte erzählen und mir die Hälfte aus den Fingern saugen … das käme für mich nicht infrage. Achso, bei einem historischen Paar wäre es natürlich etwas anders.

Erfundene Geschichten über Prominente sind für mich ein No-Go. Ich weiß, dass das keine sehr populäre Meinung ist. Aber ich tue mich mit Real Person Slash sehr, sehr schwer. Für mich überschreitet das eine Grenze, die ich nicht berühren will. Da muss ich also mit einem klaren Nein antworten.

Hast du selbst ein Lieblingspairing entweder bei deinen Protas oder bei einem deiner Kollegen/innen? (Babsi)

Meine sind alle meine Lieblinge. Ich mag sie alle auf ihre Weise, mehr als das sogar. Das bedeutet nicht, dass ich sie nicht auch manchmal an die Wand klatschen möchte. Aber ich liebe sie alle gleich, wenn auch nicht an jedem Tag. 😉

Bei den Kollegen gibt es ganz viele, die ich grandios finde. Riordan und English von Josh Lanyon, Alec und Seregil von Lynn Flewelling, Darius und Lysander von Justin C. Skylark, natürlich Forlán und Iain von Dewi … Die Liste ist sehr lang, denke ich.

An Ragnar und Aiden: Gibt es etwas, was ihr in eurer Geschichte gerne anders erzählt hättet, oder im Nachhinein gerne anders erlebt hättet? (Babsi)

Aiden (ganz trocken): So ziemlich alles. Natürlich sagt man immer, dass das Leben, das man geführt hat, den Charakter bildet. Aber ehrlich, ich hätte sowohl auf meine Kindheit als auch auf manches andere gern verzichten können.

Ragnar: Auf viele Streitereien zum Beispiel. Auf böse Worte, die man gewechselt hat. Auf Reaktionen, für die man sich heute schämt.

Aiden: Ganz genau. Einfach Dinge, die einem das Leben schwer gemacht haben, statt es heller und besser zu machen. Ich wünsche mir immer noch, dass ich mich nicht manchmal ein bisschen mehr zusammengerissen hätte, um Takir nicht zu verärgern.

Ragnar: Und ich wünschte, ich hätte mir anfangs mehr Mühe gegeben, auf Aiden einzugehen. Dass ich ehrlicher zu ihm gewesen wäre. Es wäre alles leichter gewesen, wenn ich gleich am Anfang gesagt hätte, dass ich mich ziemlich allein fühle und neben einem Lustdiener auch einen Freund und Gefährten brauche. Jemandem zum Reden.

Aiden (rollt mit den Augen): Oh ja. Das hätte geholfen. Und wenn ich eher meinen Gefühlen nachgegeben hätte, wäre uns auch manches erspart geblieben.

Beide schaudern. „Oh ja …“

Wie sehr macht Ragnar sich noch Gedanken über seine Eltern und speziell über seine Mutter? (Babsi)

Ragnar: Das kommt darauf an. Unser neues Leben ist ganz schön anstrengend. Wenn man harte, körperliche Arbeit macht, zerbricht man sich nicht so oft den Kopf. Aber in den Ruhepausen denke ich oft an sie. Ich ärgere mich, dass ich nicht genauer hingesehen habe, was da eigentlich läuft. Und ich frage mich oft, ob bestimmte Dinge wirklich eingetreten wären. Oder ob es einen Weg gegeben hat, den Kurs von meinem Vater aufzuhalten. Und meine Mutter … ja, es ist die Hölle. Ich wünschte, ich hätte ihr noch einmal sagen können, was mir ihr Opfer bedeutet hat. Gott, ich hoffe jedenfalls, dass sie noch lebt und dass Takir sie anständig behandelt.


Jetzt will ich euch nicht länge auf die Folter spannen – hier die Gewinner der Bücher:

Zenjanischer Lotus - Cover groß

3. Platz: Mana

Anno Domini Cover web
2. Platz: Sarah Natusch

zerrspiegel

1. Platz: Barbara Corsten

Raik und ich gratulieren allen Gewinnern und wünschen ihnen viel Spaß mit den Büchern. Alle Gewinner melden sich bitte bei mir mit Angabe ihrer Adresse und Signierwunsch (Raik wird die Bücher für euch signieren), damit die Bücher bald auf den Weg geschickt werden können.

Alle anderen bekommen demnächst eine neue Chance – die nächste Special Week wird sich Florian Tietgen und seinen Büchern widmen – geplant Ende Mai. Stay tunded 🙂

Vielen Dank an alle Teilnehmer, Raik Thorstad für ihre Geduld und dem Cursed Verlag und dem Incubus Verlag für die Bereitstellung der Gewinne 🙂

[GEWINNSPIEL] Raik Thorstad

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In den letzten Tagen habt ihr einiges über Raik Thorstad, ihre beiden aktuellen Romane und die Charaktere aus “Zerrspiegel” erfahren – nun habt ihr die Gelegenheit Bücher der Autorin zu gewinnen. Dafür müsst ihr lediglich eine Mail an Koriko@gmx.de schicken und weitere Fragen an die Autorin oder an ihre Charaktere stellen. Ihr dürft euch jede Figur rauspicken, die ihr schon immer mal löchern wolltet, allerdings stellt bitte nicht mehr als drei Fragen, damit Raik und ihr Charaktere genug Zeit haben, euch zu antworten.
In den Interviews wurden ja bereits etliche Fragen gestellt, aber vielleicht wollt ihr einfach mehr über die Autorin, ihre Romane und die Charaktere wissen. Eurer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt – ihr könnt allgemeine oder auch spezielle Fragen stellen, je nachdem ob ihr bereits Bücher und Geschichten von Raik kennt.

Die Autorin wird alle Fragen beantworten, die ihr im Laufe der kommenden beiden Woche gestellt werden. Bei der Gewinnerbekanntgabe werden alle Antworten als Leserinterview auf diesem Blog präsentiert.

Eure Fragen könnt ihr bis zum 15.03.2015 20.03.2015 (Gewinnspiel aufgrund der Buchmesse verlängert) an die oben genannte Mailadresse schicken (bitte im Betreff “Gewinnspiel Raik Thorstad” angeben) – sie werden gesammelt und an Raik weitergeleitet. Unter allen Teilnehmern verlose ich nach Zufallsprinzip folgende Bücher:

1. Platz: “Zerrspiegel” – signiert und mit Widmung
2. Platz: “Anno Domini” – signiert und mit Widmung
3. Platz: “Zenjanischer Lotus” – signiert und mit Widmung

An dieser Stelle bedanke ich mich beim Cursed Verlag und Incubus Verlag für die Bereitstellung der Gewinne.

Hinweise:
1. Raik freut sich über Kommentare, Anmerkungen und Feedback zu ihren Werken, sprich ihr könnt gerne einige Worte an sie richten 🙂
2. Solltet ihr das ein oder andere Buch bereits besitzen, sagt mir in der Mail Bescheid – ich versuche beim Auslosen Rücksicht darauf zu nehmen, damit niemand Bücher doppelt bekommt.

Raik Thorstad und ich sind gespannt auf eure Fragen, Ideen und Antworten – die Gewinner und das Leserinterview werden am 21.03.2015 25.03.2015 auf diesem Blog präsentiert. Wir freuen uns auf eure Teilnahme.

[INTERVIEW] Raik Thorstad

Die Special Week nähert sich leider schon ihrem Ende, aber ein letztes Bonbon haben wir noch für euch – das Interview mit Raik Thorstad. Ich kann schon jetzt sagen, dass es ein tolles Interview war, denn Raik hat sehr ausführliche und spannende Antworten gegeben. Wer nun neugierig geworden ist und mehr über Raik und ihre Romane erfahren will, wirft am besten einen Blick auf ihren Blog:

http://raikthorstad.blogspot.de/

Bitte erzähl uns ein wenig mehr von dir. Was machst du in deiner Freizeit?
Also gleich ins Eingemachte. 😉
So viel Spannendes gibt es da gar nicht zu erzählen. Ich bin Jahrgang 1980, wurde in Osnabrück geboren, bin aber in der Kleinstadt Bramsche „nebenan“ in der klassischen Familie aufgewachsen. Vater, Mutter, Schwester, Katzen, Hund und ich. Ich habe als Kind und Jugendliche sehr viel Zeit am Meer verbracht bei meiner Patentante, weswegen ich alles zwischen Bramsche und der Nordseeküste heute als „Zuhause“ ansehe.
Im Moment lebe ich mit meinem Mann und unseren Haustieren in Dortmund. Das ändern wir hoffentlich sehr bald. Dann geht’s aufs Land, da wir doch inzwischen irgendwie alt werden und die Ruhe suchen. (Ruhe, die eben nur von der eigenen Stereoanlage gestört wird. *pfeif*)
Das bringt mich auch gleich zu deiner Frage nach der Freizeit. Erst einmal gibt es davon nicht mehr wirklich viel. Die, die ich noch habe, versuche ich im Freien zu verbringen. Wir ziehen seit einer Weile zum Beispiel gern mit den Hunden raus in den Wald geocachen. Ansonsten fotografiere ich sehr gern, besonders, wenn es um historische Gebäude geht. Der große Sportler bin ich nicht, aber Radfahren und Joggen muss auch manchmal sein. Und dann hänge ich natürlich wie vermutlich viele Autoren viel zu viel im Internet. Dass ich ein alter Zocker und Rollenspieler bin, hilft da auch nicht gerade, und meine Liebe zu TV-Serien wie zum Beispiel Farscape zementiert dann den Couch-Potatoe-Status.

Oh, und gelesen wird natürlich auch richtig viel. Glücklicherweise ist mein Mann auch eine Leseratte, sodass es hier keinen Rosenkrieg gibt, wenn ich shoppen gehe.

Wann hast du mit dem Schreiben begonnen? Gab es einen Auslöser, der dich zum Schreiben brachte?
Ich schätze, da geht es mir wie den meisten: Ich habe schon immer geschrieben. Sobald ich alle Buchstaben kannte, hatte ich auch mein erstes Schreibheft. Sehr zur Freude meiner Umwelt übrigens. Ich habe dadurch weniger geredet.
Allerdings habe ich zwischendurch sehr lange Pausen eingelegt. Das Schreiben war immer nur eines von zwei kreativen Hobbys für mich. Und anfangs hatte ich mich beruflich und privat eher der Musik verschrieben. Das hat sich erst geändert, als ich 2007 Probleme mit meiner linken Hand bekam und dadurch nicht nur arbeitsunfähig wurde, sondern auch meine Instrumente einsargen konnte. In der Rekonvaleszenz ist mir dann so die Decke auf den Kopf gefallen, dass ich teilweise auf einmal 10 oder 12 Stunden am Tag geschrieben habe.
Man könnte also sagen, das eine Fenster hat sich geschlossen, dafür ging eine Tür auf. Und das ist im Nachhinein eigentlich eine gute Sache, denn Bühnen und ich, das war noch nie eine große Liebe.

Hast du schon damals beschlossen, homoerotische Literatur zu verfassen oder gingen deine Anfangstexte in eine andere Richtung?
Nein, ganz am Anfang habe ich halt Kindergeschichten geschrieben. Igelgedichte und Märchen von Tom, dem Wattwurm. Alles schön immer angelehnt an meinen damaligen Lesestoff. Auf was man als kleine Kröte eben so kommt.
In meiner Jugend habe ich mich in erster Linie an Fantasy und Horror-Geschichten versucht, die gar keinen Beziehungsanteil hatten. Das Schwarze Auge war da ein großer Trigger. Die homoerotische Literatur kam dann etwas später. Ich habe damals nicht wirklich verstanden, warum ich in diese Richtung gegangen bin, und habe die Sachen für mich gehalten. Leider habe ich auch mal einen großen Schwung in den Mülleimer befördert. Darüber könnte ich mir heute noch die Haare raufen.

Wie viel Zeit brauchst du, um ein Buch zu schreiben? Gibt es irgendwelche festen Prozeduren, wenn du schreibst, oder ist das bei jedem Buch anders?
Das lässt sich nicht sagen, zumal das für mich auch sehr von der Lebenssituation abhängt. „Lebenssituation“ steht hier übrigens charmant auch für „Laune“. 😉 „Leben im Käfig“ habe ich damals in einem halben Jahr geschrieben. An einem anderen Projekt sitze ich seit über sechs Jahren. Dass ich auch noch die Unart habe, in tausend Pötten gleichzeitig zu rühren, macht Vorhersagen ziemlich unmöglich.
Auch habe ich festgestellt, dass ich jedes Buch anders angehe. Dazu muss man aber auch einfach sagen, dass fast alle Bücher, die bisher von mir erschienen sind, nie für eine Veröffentlichung angedacht waren, als ich damit angefangen habe. „Zerrspiegel“ ist die einzige Ausnahme. Würde ich heute ein neues Projekt anfangen, würde ich sicher anders vorgehen als damals. Weniger chaotisch. Hoffentlich jedenfalls …

Was sind Deine aktuellen Projekte? Auf was können sich die Fans als Nächstes freuen?
Ui, das sind einige. Siehe die Unart, alles auf einmal zu machen.
Erst einmal schreibe ich schon sehr lange an meinem Buch aus der Antike namens „Das Würfelspiel der Götter“. Das spielt ab Jahr 9 nach Christi Geburt und ist sehr, sehr aufwendig in der Recherche. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich das alles umgeschrieben habe. Das möchte ich gern veröffentlichen, wenn es fertig ist.
Dann soll „Zenjanischer Lotus“ zwei Nachfolger bekommen. Wer es gelesen hat, hat ja vielleicht gemerkt, dass viele Probleme und Fragestellungen noch nicht abgearbeitet wurden. Ein paar Kapitel und das ganze „Gerüst“ stehen, ansonsten Kartenmaterial und Co. Mehr leider noch nicht.

Außerdem arbeite ich an einer Geschichte namens „Opiumschwaden“. Ein Krimi, der um 1832 in England spielt und den ich immer meinen „Testballon“ nenne. Ich habe nämlich keine Ahnung, ob das am Ende alles passt. Ob und wann ich OS veröffentliche, keine Ahnung. Dafür muss ich erst mal sehen, was die Leser mir nach der Auflösung rückmelden. Kann ja schließlich sein, dass das Ding am Ende wie eine Seifenblase in sich zusammenfällt. Dann lasse ich es lieber in der Schublade bzw. online zur freien Verfügung.
Und dann sind da noch ein höchst geheimes Geheimprojekt, über das ich noch nichts erzählen kann, eine Mittelalter-Romanze in England im 14. Jahrhundert und noch ungefähr 5 Projektideen, wo nur die Skripte und die Anfänge existieren.
Du siehst: Genug zu schreiben ist da. Frag sich nur, wo ich anfange …

In den meisten deiner Bücher geht es “heiß” zur Sache. Wie gehst du beim Schreiben erotischer Szenen vor bzw. wie informierst du dich darüber?
*lach* Das ist ja mal eine Frage. Erst einmal würde ich sagen, dass man als erwachsener Mensch ja durchaus seine Erfahrungen hat. Und da ich eine neugierige Nase bin, lässt sich vieles auch einfach ausprobieren. Das ist also jetzt nichts, wo ich mit der Lupe in der Bibliothek sitze und mit dem Winkelmesser versuche herauszufinden, in welchem Winkel sich zwei Männer übereinander tummeln können. Allerdings habe ich das große Glück, dass mein Lektor mir da auch hilfreich zur Seite steht bzw. mir auf die Finger haut, wenn etwas nicht passt.
Allgemein ist es so, dass erotische Szenen immer ein Thema für sich sind. Ich empfinde sie als relativ anstrengend beim Schreiben, weil man sich immer bemüht, Sex gut darzustellen, aber eigentlich nur daran scheitern kann, weil das Empfinden für Erotik sehr unterschiedlich ist. Was für den einen hocherotisch, ist für den nächsten Testleser schon porn und für wieder den nächsten tödlich langweiliger Blümchen-Sex.
Letztendlich versuche ich immer, mich auf die Sache bzw. die jeweilige Szene einzulassen und mich hineinzufühlen. Ich verschwinde quasi von der Bildfläche und wechsle den Platz mit dem Charakter, aus dessen Perspektive gerade geschrieben wird. Das ist allerdings kein Merkmal von Sex-Szenen, sondern betrifft auch den Rest des Materials.

Du bist in vielen Genres zu Hause – Fantasy, Drama, Sci-Fi. Welches reizt dich am meisten und wieso?
Ich gebe keinem Genre dem Vorzug. Das könnte ich gar nicht. Bei mir ist das Schreiben genauso von gewissen Stimmungen abhängig wie das Lesen. Es gibt Phasen, in denen ich nur Fantasy lese oder nur historische Romane. Oder neuerdings Krimis. (Das glaub ich selbst immer noch nicht so richtig.) Und genauso geht’s mir beim Schreiben. Jedes Genre hat seine Faszination. Historische Sachen finde ich total toll, weil man bei der Recherche auf so spannende Sachen stößt. Fantasy hat wieder den Reiz, das man die Geschichte der Welt selbst entwickelt. Contemporary ist einem sehr nah und öffnet viele Möglichkeiten, Denkanstöße zu geben. Endzeit ist dann wieder mit etwas Horror vor der Zukunft verbunden.
Letztendlich kann ich nur sagen: Ich schreibe in den Genres, in denen ich lese. Welche immer das auch gerade sind.

Mit welchem deiner Bücher verbindest du etwas Besonderes?
Schulligung, das gibt schon wieder eine so langweilige Antwort: mit allen. 😉 Es gibt kein Buch, das mir nicht auf die eine oder andere Weise persönlich nah ist. Jedes hat seine Geschichte und seine Begleiter, Menschen, die ich über das Buch kennengelernt habe, Erlebnisse, die darin verarbeitet worden sind. Charaktere, die mir besonders am Herzen liegen. Ich glaube, das musst du mich in ein paar Jahren noch einmal fragen, wenn ich ein bisschen mehr Abstand zu den einzelnen Büchern habe.

(c) Nica Léon (https://www.facebook.com/Pandaelion)

In der Duologie um Andreas und Sascha („Leben im Käfig“ und „Nach er Hölle links“) greifst du auf eigene Erfahrungen zurück. War es für dich schwer diese beiden Bücher zu schreiben?
Größtenteils nicht. Wie du schon sagst, liegen den Büchern zwar meine eigenen Erfahrungen zugrunde. Allerdings sind das Ereignisse, die eine Weile zurückliegen und/oder mit denen ich Frieden geschlossen habe. Klar, ein paar Darstellungen waren relativ „close to home“, da musste ich ein bisschen aufpassen, dass ich nicht selbst mit Andreas „mitpumpe“, wenn er die Nerven verliert. Alles in allem glaube ich sogar, dass es mir gutgetan hat, mir diesen Weg noch einmal vor Augen zu führen. Ich bin ein Mensch, der relativ hohe Erwartungen an sich hat. Da ist es ganz gut, wenn man sich mal umschaut und feststellt, was man schon geschafft hat.
Viel schwerer war es zu entscheiden, ob ich die Bücher richtig veröffentlichen will. Denn das war auf einmal eine ganz andere Größenordnung. Ich habe mich gefragt, ob Fremde das Buch lesen und mich darin wiedererkennen würden. Und wenn ja, ob es mir etwas ausmachen würde. Wie man sieht, bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass es mir nichts ausmacht oder wenigstens nicht genug, um es zu lassen.

Wie stark war dein Wunsch, die Leser über die Krankheit Agoraphobie aufzuklären?
Hmm, aufklären. Wie drücke ich das jetzt aus, ohne das Interview platzmäßig zu sprengen? Erst einmal ging es mir nicht in erster Linie um Agoraphobie. Das ist nur eine von vielen Angststörungen, die leider oft auch wieder miteinander verzahnen. Und Angststörungen sind wieder nur ein kleiner Teil aller psychischen Erkrankungen. Mir ging es eher darum, das ganze Feld ein bisschen an den Leser heranzubringen. Der Sache das Fremdartige zu nehmen.

Als ich 1992 an Agoraphobie erkrankt bin, haben das nicht nur die Ärzte jahrelang nicht geschnallt, sondern meine Umwelt konnte auch nicht damit umgehen. Und das ist in so einer beschissenen Lage – pardon my french – einfach noch das Tüpfelchen auf dem I. Denn ich selbst wollte es ja auch nicht wahrhaben. Man akzeptiert viel leichter die Diagnose, dass man Reizmagen hat, als die Ansage: „Sie sind psychisch krank.“
Insofern ging es bei den Büchern für mich um zwei Sachen: Einmal wollte ich gesunde Menschen sensibilisieren und ihnen einen Einblick geben, womit ihr/e kranke/r/s Kind, Vater, Mutter, Nachbar, Mitschüler, Freund, Partner zu kämpfen hat. Denn das ist wirklich schwer nachzuvollziehen, wenn man es nie erlebt hat. Betroffene können meistens ihre Nöte auch gar nicht in Worte fassen. Daher wollte ich an der Stelle eine Tür aufmachen.
Und dann wollte ich auch einfach den Leuten, die betroffen sind, Mut machen. Der erste Band handelt ja komplett von dem Weg, überhaupt anzuerkennen, dass man aktiv werden muss. Das war mir sehr wichtig. Denn man hört so oft so Sprüche wie „Geh doch zum Therapeuten und dann wird das schon.“ Nein, das stimmt nicht. Überhaupt diese erste Hürde zu überwinden, ist schon schwere Arbeit. Und das wollte ich bei Andreas zeigen.
Viele Leserbriefe haben mir gezeigt, dass das auch hier und da funktioniert hat. Und das ist ein irres Geschenk für mich als Autor.

Hattest du gegen ähnliche Barrieren zu kämpfen wie Andreas?
Ja, im Grunde dieselben. Nur ist bei mir etwas früher eingegriffen worden. Das heißt, ich war nie soweit, dass ich nicht mehr mit meinem Hund ins Freie gehen konnte. Aber alles andere habe ich genauso hinter mir. Kino, Supermarkt, Restaurants, Flugzeuge, Busse, Konzerte, Schule, das ging alles nur unter immensen Kraftanstrengungen. Und die Kraft hat auch oft nicht gereicht. Das hat irgendwann für mich auch zum Schulabbruch geführt. Nach ein paar Jahren fiel meine Nichtanwesenheit dann doch mal auf. *hust*

(c) Jacqueline Krause

„Zerrspiegel“ ist neben deiner Duologie dein einzig realistisches Projekt. Wie kamst du auf die Idee, dieses Buch zu schreiben?
Das ist mal eine längere Geschichte, aber eine, die ich echt gern mal erzähle. Danke an dieser Stelle für diese Frage.
Wer bis hierhin mitgelesen hat, hat ja mitbekommen, dass ich früher Musiker war und auch in dem Bereich gearbeitet habe. Und dass ich mich davon verabschieden musste. Insofern ist „Zerrspiegel“ mein Abschied an meine Musikerzeit. Ich sollte es vielleicht nicht sagen, aber die E-Gitarre, die Steve am Ende zerschlägt, ist zum Beispiel meine eigene, auch wenn die noch heile an der Wand hängt. (War das jetztein Spoiler? Huch. Gehen Sie weiter, gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.)
Der andere Grund ist aber wahrscheinlich der wichtigere: Ich habe als Kind eine relativ fiese Sache erlebt, die mich sehr früh geprägt und misstrauisch gegenüber den Klatschmedien gemacht hat.
Um das kurz zu erzählen: In meinem Dunstkreis ist ein kleines Mädchen ermordet worden. Mit der Kleinen hatte ich gespielt und ich wusste auch, an welcher Stelle es passiert ist. Das war das erste Mal, das ich Gewalt so „nah“ gekommen bin. Es fühlte sich wenigstens so an. Die Sache ging damals groß durch die Medien, und es hatte im Vorfeld der Beerdigung immer wieder Vorfälle mit Paparazzi und aufdringlichen Reportern gegeben. Und als der Sarg der Kleinen in der Kirche aufgebahrt worden war, haben Mitarbeiter eines nicht näher genannten Fernsehsenders dann die Kirchentür aufgebrochen, um den Sarg filmen zu können. Die Trauerfeier wurde auch gestört, um schön die trauende Familie im Blick zu haben. Es war widerlich.
Ich war selbst noch klein, aber ich fand das so furchtbar, so menschenunwürdig, dass es sich bei mir eingebrannt hat.
Wenn man sich heute mal die Biographien von großen und auch kleinen Stars anschaut, sieht man halt, vor wie wenig noch haltgemacht wird. Wie gnadenlos die Klatschpresse ist. (Auf die bezieht sich ja der Roman, nicht auf die seriösen Medien.)
Ein gutes Beispiel ist da Gaby Köster, die nach ihrem Schlaganfall regelrecht verfolgt wurde. Sie und auch ihre Kinder. Wenn man sich mal überlegt, dass sie ein regionaler Star ist und kein internationaler, kann man sich ausrechnen, wie das bei einer Whitney Houston oder eine Amy Whinehouse zugegangen sein muss.
Lange Rede: Ich wollte mal die Perspektive von den Reportern wegnehmen, die immer schön medienwirksam berichten, dass da ein armer, armer Fotograf ganz grundlos eins auf die Mappe bekommen hat, und zeigen, warum so etwas wohl passiert. Und in einem Fall hat mir eine Leserin auch rückgemeldet, dass sie seitdem doch etwas kritischer über gewisse Medien nachdenkt. Das fand ich großartig.

Im Gegensatz zu deinen anderen Romanen entstand „Zerrspiegel“ in enger Zusammenarbeit mit dem Cursed Verlag und wurde vorab nicht auf fanfiction.de veröffentlicht. Wie stark unterscheidet sich der Entstehungsprozess des Romans von deinen anderen?
Das sind ganze Welten. Zumal bei „Zerrspiegel“ ja nicht nur der Entstehungsprozess anders war, sondern auch die Motivation. Bei den anderen Büchern habe ich mir gesagt: „Super, ich hab nix zu tun. Ich erzähl mal eine Geschichte. Und die Leute auf FF.de lesen mit. Das macht Spaß.“ Nachdem Julia Schwenk von Cursed mich angesprochen hatte, hieß es aber auf einmal: „Huch, jetzt bin ich unter Vertrag. Jetzt muss ich liefern, wenn ich kein Sauhund sein will.“ Das war schon eine extreme Umstellung und hat mir auch zwischendurch Schwierigkeiten gemacht.
Die Ideenentstehung selbst ist das gar nicht unterschiedlich gewesen. Ich bin zu Julia hin, habe gesagt: „Ich habe hier das und das, unter dem und dem Arbeitstitel, kannst du dir das vorstellen?“ Und sie konnte. 🙂
Alles in allem denke ich, dass es ungefähr fünfzig Wege gibt, wie ein Buch entstehen kann und dass ich bisher nur drei oder vier davon erprobt habe. Insofern würde ich mich jetzt nicht unbedingt als Fachmann für Entstehungsprozesse verstehen.

Welches Vorgehen ist dir persönlich lieber – Schreiben mit deinem Lektor zusammen oder mit Hilfe von Leserfeedback?
Es hat beides seine Vorteile. Mit dem Lektor und niemandem anders zu arbeiten, ist insofern toll, weil man sofort professionelle Hilfe hat, wenn man ins Straucheln kommt. Dadurch ist dann auch das Lektorat am Ende weniger aufwendig.
Das Leserfeedback dagegen ist ein Wahnsinnsantrieb. Das darf man nicht unterschätzen. Ich glaube auch, dass mir diese Variante am Ende ein bisschen lieber ist.
Am schönsten ist es übrigens, wenn der Lektor UND die Testleser schon von Anfang an mitlesen. 😉

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(c) Cenyn (https://www.facebook.com/cenyn)

Wie hast du dich über das Musikbusiness informiert, um Steffens Geschichte zu schreiben?
Home sweet home. Ich habe lange in der Branche gearbeitet, selbst auf etlichen Bühnen gestanden – immer schön grün im Gesicht natürlich – und an Produktionen in mehreren Bereichen mitgearbeitet. Dazu kenne ich etliche Musiker, die in professionellen oder auch semi-professionellen Bands spielen.Das nächste ist, dass gerade in einer etwas kleineren und engeren Szene, die nicht unbedingt dafür bekannt ist, ein Blatt für den Mund zu nehmen, auch immer wieder Interna raussickern und bekannt wird, welche Plattenfirmen welche Spielchen spielen.
Wobei man natürlich ganz klar sagen muss: Das Beispiel in „Zerrspiegel“ steht nicht für alle Plattenfirmen. Die meisten machen grandiose Jobs. Besonders die, die eben nicht nur nach den Chartsplatzierungen geiern, sondern ihrem Genre und damit ihrer Leidenschaft treu sind. Steves Erfahrungen sind einfach richtig schlechte.

„Zenjanischer Lotus“ soll ja mit zwei weiteren Büchern fortgesetzt werden. Kannst du schon mal Ausblicke geben, welche Themen du innerhalb deiner Fantasy-Trilogie noch behandeln möchtest.
Klar, gern doch.
Wer den ersten Band gelesen hat, weiß ja, dass die beiden Hauptcharaktere am Ende zusammengefunden haben, aber dass die Bruderschaft einen hohen Preis zahlen musste.
Ab dem zweiten Band wird es neue Perspektiven im Erzählen geben. So wird man mehr über Geryim und auch andere Charaktere erfahren. An dieser Stelle wird auch ein neuer Charakter eingeführt, den die Leser hoffentlich mögen werden. Ich mag Thalid, meine paddelige Magierin, jedenfalls. 😉
Inhaltlich kann ich die Bände nicht ganz trennen, weil es ineinander greift. Aber einmal geht es darum, warum Sothorn die besondere Verbindung zu Feuer hat, was es mit den Statuen in der zerstörten Festung auf sich hat, wie die Bruderschaft sich mit ihrer zunehmenden Menschlichkeit entwickeln kann, warum Geryim so launisch ist und natürlich auch besonders, wie zwei so sture, stolze und gleichzeitig durch den Lotus kranke Männer sich miteinander arrangieren können. Jeder der beiden wird mindestens einmal in üble Schwierigkeiten geraten, Szaprey hat einen großen Auftritt, es gibt ein paar Enttäuschungen, aber auch neue Hoffnung. Wir werden das Volk der Wargssolja besser kennenlernen, schon weil Geryim als Perspektive neu auftaucht. Ja, und von Sunda gibt es dieses Mal auch eine ganze Ecke mehr zu sehen. Bisher hatten wir ja nur Stichproben, weil die Phase in Balfere kurz ist und die Jungs danach meistens in den Bergen herumhängen.

Wie kommt die Komplexität Deiner Welten (z.B. in „Zenjanischer Lotus“ und „Anno Domini“) zustande?
Danke für die Blumen erst einmal. 🙂 Dabei hat man in Lotus wirklich noch fast gar nichts von der Welt gesehen, wie ich oben schon andeutete.
Du kennst es bestimmt selbst, Juliane. Stichwort: Rollenspieler. Ich glaube wirklich, dass die guten alten Pen & Paper-Rollenspiele ganz viel damit zu tun haben, wie man so eine Welt aufbaut und sie sich vorstellt. Wenn man selbst einen großen Teil seiner Jugend bis zu den Ohren in Regelbüchern verbracht hat, laut denen man auswürfeln kann, welche Pflanze ein Kräutersammler bei welchem Wurf findet, geht es einem in Fleisch und Blut über, dass die eigene Welt natürlich auch eine eigene Flora und Faunabraucht. Von Göttern, Handwerk, Regierungssystemen, Ständen und einer Geschichte ganz zu schweigen. Das macht unglaublichen Spaß. Leider bin ich eine totale Null im Zeichnen. Sonst hätte ich euch längst mal Gebäudeskizzen und anständige Karten vorgelegt.
Bei „Anno Domini“ war es eher ein Weiterdenken unserer Geschichte als eigener Weltenbau. Was könnte überlebt haben, habe ich mich gefragt? Was könnte zurückgekommen sein? Welche Entwicklungsfort- oder auch rückschritte könnte eine Zivilisation machen? Und was wird im Lauf der Geschichte weichgespült oder falsch übertragen worden sein?
Ein wichtiger Faktor an dieser Stelle ist übrigens mein Mann, der es tapfer erträgt, wenn ich ihn mit Storyverläufen vollquatsche. Durch das laute Aussprechen kommen mir oft zusätzliche Details für die Welten in den Sinn.

„Anno Domini“ ähnelt der ägyptischen Kultur. Hast du dich davon beeinflussen lassen oder entstand das alles frei?
Okay, jetzt hast du mich erwischt. Denn an die ägyptische Kultur habe ich gar nicht gedacht. Aber wenn ich so darüber nachdenke, hat es vielleicht etwas davon. Der Herr Pharao als Quasigottheit.
Frei war ich auf gar keinen Fall. Ich habe mich da im Mittelalter angelehnt. Leibeigenschaft war da ein Thema. Aber auch vor allen Dingen die vielen merkwürdigen Könige, die über die Jahrhunderte auf den Thronen gelandet sind. Die meisten hatten überhaupt keinen Zugang zu ihrem Volk. Ich glaube, es war einer der Henrys von England – ich verwechsle die dauernd -, der sich damals die „Frechheit“ erlaubt hat, sich unter seine Untertanen zu mischen und mal zu hören, was die so über ihn zu sagen haben. Die Thronfolger sind in diesen Zeiten ganz isoliert und weltfremd aufgewachsen. Sie wussten überhaupt nicht, wen sie regieren und in was für Zuständen die Leute leben. Und so hat sich das natürlich auch Generation für Generation fortgesetzt. Die Könige hatten ihren Kopf in den Wolken und haben nicht mal gemerkt, wen sie nach unten getreten haben.
Klar, sie hatten auch zu viel damit zu tun, sich mit dem Adel, dem Klerus und der eigenen Verwandtschaft herumzuprügeln. Das war die Basis für Anno.

Wie kamst du auf die Idee von „Anno Domini“ und auf die Charaktere Ragnar und Aiden?
Das habe ich vermutlich oben schon teilweise beantwortet. Besonders was Ragnars Geschichte angeht. Ich wollte diesen starken Kontrast zwischen einem Mann, bei dem es nur ums Überleben und vielleicht die Restwürde geht, und dem anderen, der eigentlich in einem Elfenbeinturm lebt und es nicht einmal merkt. Jemand, der letztendlich sozial total verkümmert ist. Wie ein Welpe, der nie mit anderen Hunden spielen durfte.
Dann hat mich die Vorstellung der Körpermanipulation sehr fasziniert. Einmal natürlich Aidens Job als Liebesdiener, der über den Chip in seinem Gehirn gesteuert werden kann, aber eben auch die Frage, wie weit Menschen irgendwann gehen werden, um sich selbst zu pimpen. Thema Langlebigkeit und Co.

Wer ist dein Lieblingscharakter?
Heute? Oder allgemein? *lach* Das ist jetzt ein bisschen, als würdest du eine Mutter fragen, wer ihr Lieblingskind ist. Gerade bei den Hauptcharakteren ist das fast unmöglich. Aber ich würde mal sagen, dass Geryim schon sehr speziell für mich ist, wenn ich wirklich einen aussuchen muss. Und Kjell. Und Andreas. Und Ragnar. Und der noch namenlose junge Mann aus dem Geheimprojekt. Und … (Erkennt man mein Dilemma?)

(c) Shari Bogardt

Gibt es zu Deinen Charakteren lebende Vorbilder?
Bei den Hauptcharakteren gar nicht. Da gibt es höchstens mal eine Art optische Anleihe. Aber niemals von Prominenten, sondern eher von ehemaligen Mitschülern, wo man sich an irgendein nettes Detail erinnert. Bei den Nebenfiguren gibt es Anlehnungen. Allerdings achte ich sehr darauf, dass sich nur die netten Jungs und Mädels Vorbilder in der Realität suchen. So gibt es in „Leben im Käfig“ einen Lehrer, der meinem alten Lateinlehrer sehr ähnelt. Großartiger Mensch und Pauker. Den wollte ich gern verewigen.

Hast Du als Autorin Vorbilder? Was inspiriert Dich?
Vorbilder ist jetzt falsch gesagt. Aber es gibt wahnsinnig viele Bücher, die ich
liebe und die mich sicher auch inspirieren. Ich würde allgemein sagen, dass ich mein Herz eher an Bücher oder bestimmte Reihen hänge als an die Autoren dahinter. Die Liste wäre jetzt sehr lang, aber so Sachen wie „Der Krieg der Schwerter“ oder Rebecca Gablès Helmsby-Romane wären sicher dabei. Auf der anderen Seite Lynn Flewelling, die in den Neunzigern ganz selbstverständlich ein schwules Paar in die Fantasy gebracht hat. Dann bin ich riesiger Fan der Bücher von Walter Moers und Terry Pratchett, schon wegen des enormen Ideensacks, den die beiden zu haben scheinen. Wenn ich zum Beispiel Moers lese, habe ich hinterher immer das Gefühl, dass ich von dieser irren Fantasie infiziert worden bin.
Ansonsten: historische Stätten und Museen und immer wieder das Meer. Wobei das auch daran liegt, dass ich mich einfach an der Küste sauwohl fühle und dort gut runterkommen kann. Es ist einfach unglaublich schwer, sich in fremde Welten zu versetzen, wenn die Nachbarstochter in voller Lautstärke Humpta-Mucke hört, alle drei Minuten das Telefon klingelt, der Hund in den Flur kotzt und man heimlich darauf wartet, dass es „Plopp“ macht und die Bügelwäsche aus dem Wohnzimmer quillt.

Wie stehen Dein Mann und Deine Familie zu Deinen Büchern?
Das müsste man sie vielleicht selbst fragen. Mir können sie ja viel erzählen. 😉
Ich denke, sie sind relativ stolz auf mich. Mein Bildungsweg ist ja wie oben erwähnt abgebrochen worden, und da gab es sicher auch Sorgen, wohin mein Weg mich mal führen wird. Auf jeden Fall wissensie, dass ich schreibe, sie wissen auch alle, was ich schreibe und bisher hat sich keiner darüber mokiert.
Meine Mutter versucht übrigens tapfer, jedes Buch von mir auch wirklich zu lesen. Und das kostet sie echt einiges, denn mit Fantasy und Sci-Fi kann man sie jagen.
Und mein Mann hat seit jeher immer alles gelesen, was ich geschrieben habe. Der kennt noch ganz andere Stilblüten von mir. *g*

Hast Du auch vor, “lesbische” Romane zu schreiben oder dich irgendwann einmal gänzlich anderen Genres zuzuwenden?
Bevor ich das beantworte, möchte ich anmerken, dass ich gleich einen Krampf in der Hand habe. Was für ein Fragenkatalog! Puh.
Wo waren wir? Lesbische Romane. Nein, kann ich mir nicht vorstellen. Der Grund ist, dass ich mich in Frauen genau gar nicht einfinden kann und es sehr schwer finde, gute weibliche Charaktere zu entwerfen. Es ist mir einfach – trotz weiblicher Anatomie – fern. Zu den anderen Genres sollte man nie nie sagen. Ich meine, es gibt ja eh einen Unterschied zwischen dem, was ich veröffentliche, und dem, was ich sonst noch schreibe. Und ich möchte mir auch einfach die Option offenlassen, dass ich in 10 Jahren etwas ganz anderes machen mag.

Wie tief geht Deine Recherche zu Deinen Büchern?
Hm, ich kann da schlecht eine Messlatte anlegen. Ich weiß ja nicht, wie intensiv sie bei anderen ist. Aber ich sammele schon über Jahre Material, gerade bei den historischen Sachen. Ich war auf etlichen römischen Ausgrabungen, haben die Leute da gelöchert, dasselbe in Westengland, wo ich mich auch mit vielen Leuten in den Museen und Kirchen unterhalten habe, die von der englischen Geschichte Ahnung hatten. Dazu kommt das Büchermaterial und das, was ich in den Bibliotheken durch die Fernleihe und so weiter erreichen kann. Den größten Fang habe ich damals in Hay-On-Wye gemacht, wo ich gleich einen ganzen Stapel alter Historienbücher gefunden habe. Ich bin da auch einfach ziemlich Wühlmaus, weil es mich persönlich interessiert.

Wie wichtig ist das Thema Liebe und Romantik für Deine Bücher/Dich?
Ui, jetzt kommen die schweren Fragen.
Mir persönlich ist Liebe sehr wichtig. Ich bin in dieser Hinsicht auch ein relativ emotionaler Mensch. Heißt: Wenn ich jemanden liebe, dann bleibt das auch so. Aber bis das passiert, dauert es. Und ich gehöre auch zu denen, die ohne die Liebe der wichtigsten Menschen in ihrem Leben eingehen wie eine Primel. Dann schätze ich aber, dass meine Definition von Liebe sich nicht in allen Punkten mit der anderer Menschen deckt. Vieles, was für andere „wahre Liebe“ ist, bedeutet mir gar nichts. Ich bin ein klarer Verfechter der Theorie, dass jeder Blumen kaufen und das Bett mit Rosenblättern bestreuen kann, dich aber der wirklich liebt, der dir beim Kotzen den Kopf hält.
Romantik dagegen ist gar nicht meins. Ich gehöre auch zu den Leuten, die auf Liebeserklärungen schon einmal etwas seltsam reagieren. Heißt, mein Mann macht eine große Geste und ich schau ihn an, alswäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen. Mir fehlt da leider ein Gen.
Und ich denke, genau das schlägt sich auch in meinen Büchern nieder. Liebe ja, Romantik eher nicht so.

Andrea K Sothorn und Geryim

(c) Andrea K.

Wie stehst Du zum klassischen romantischen “Gay Romance”? Könntest Du in diesem Bereich schreiben?
Gib’s zu, du willst, dass ich geteert und gefedert werde. 😉
Erst einmal finde ich es schon verdammt schwer zu definieren, was überhaupt „Gay Romance“ ist. Ich lese diesen Begriff immer wieder auf Büchern, die ich dem Genre gar nicht zuordnen würde. Ich glaube, inzwischen wird der Begriff für fast jedes Buch verwendet, das zwei schwule Protagonisten hat, die irgendwie eine Beziehung anstreben. So würde ich es aber nicht definieren.
Allgemein kann ich sagen, dass es nicht wirklich mein Fachgebiet ist. Ich glaube auch nicht, dass ich darin schreiben könnte. Ich habe es mal versucht, aber dabei ist nichts herausgekommen, was man irgendeinem zumuten könnte.

Liest Du Gay Romance oder bist du eher ein Fan realistischer Gay-Romane? Wie sieht es allgemein mit denen Buch-Vorlieben aus?
Ich bin ganz klar ein Fan guter Bücher. *g* Und in welche Schublade die jetzt gehören, ist für mich eher sekundär. Allerdings ist es schon so, dass mir seltenst reine Liebesromane egal welcher Ausrichtung auf den Tisch kommen. Seitdem ich meine Abneigung gegen Thriller und Krimis überwunden habe, ist es sogar das einzige Genre, das ich fast gar nicht lese. Wobei ich das nicht falsch verstanden haben möchte: Ich mag Liebesgeschichten, zumindest schwule, aber ich ziehe es vor, wenn sie der zweite oder dritte Handlungsstrang im Buch sind und nicht der einzige.
Meine Buchvorlieben reichen elend weit, fürchte ich. Das fängt bei High-Fantasy an und endet irgendwo bei Sachbüchern. Das kann unglaublich albernes Zeug sein oder auch Nachdenkliches. Und dann habe ich ein Faible für alte Jugend- und Kinderbücher, die ich wieder und wieder lesen könnte. Am Ende ist es so, wie ich oben schon schrieb: Ein gutes Buch ist ein gutes Buch, egal, welcher Stempel drauf ist.
Als Beispiel: Bei mir auf dem Nachttisch liegen gerade das Kinderbuch „Wenn ein Unugunu kommt“, „Kakerlaken“, der Krimi von Jo Nesbö, ein Buch über das Leben in englischen Landhäusern durch die Jahrhunderte und ein Gay-Fantasy-Roman namens „The God Eaters“. Gut gemischt also. Und hey, so soll’s doch auch sein. Warum sollte man sich einschränken? Wem nutzt das was?

Da du nicht nur als Autorin aktiv bist, sondern den Incubus Verlag gegründet hast, will ich gerne die Gelegenheit nutzen, mehr über deine Arbeit als Verlegerin zu erfahren. Es gibt durchaus Gay Verlage in Deutschland – was hat dich dazu bewogen einen eigenen zu gründen?
Dafür gab es zwei Gründe. Einmal musste ich mich beruflich neu orientieren, und dann gab es in unseren Augen eine Lücke auf dem deutschen Gay Markt.
Schwule Bücher, die vielleicht nicht ganz so romantisch sind wie andere, aber trotzdem nicht gleich komplett den Freund der Unterhaltungsliteratur verjagen.
Wir wollten Bücher, bei denen das Happy End nicht garantiert ist, auch wenn es zu 90 Prozent dazu kommt. Bücher, die weder zur reinen Handliteratur zählen noch gleich ein Studium erfordern. Bücher, die Genres anfassen, die vielleicht gerade nicht absolut hip sind.
Vor allen Dingen aber ging es uns auch um die Druckqualität, da das etwas ist, was mir als Leser oft negativ aufgefallen ist. Schmale Bücher von 180 Seiten in schlechter Qualität, aufgeteilt auf x Bände, weil die Anbieter nicht dicker drucken konnten, ohne dass das Buch lächerlich teuer wurde. Ich habe das damals bei der Erstverlegung bei „Leben im Käfig“ erlebt und habe mir geschworen, dass das für mich nicht mehr infrage kommt.
Auch das war natürlich ein Punkt: Ich hatte erlebt, was es heißt, wenn bei der Verlagsarbeit wirklich alles schiefgeht. Ich bin jetzt nicht so arrogant zu behaupten, dass uns keine Fehler unterlaufen. Aber die Autoren sollten sich schon von ihrem Verleger ernst genommen fühlen. Wenn das nicht gegeben ist, läuft was gewaltig falsch.

Wie ist die Verlagsarbeit?
Alles von eintönig bis abwechslungsreich, von aufregend bis stinklangweilig, je nachdem, was man gerade zu tun hat. An den Büchern zu arbeiten ist grandios. Dasselbe gilt für die Zusammenarbeit mit den Autoren. Aber Korrekturen übernehmen und Bücherkisten herumstapeln, das ist die Pest. Sehr schön ist es auch immer wieder, sich mit der Post herumzuschlagen.
Natürlich sind wir erst zwei Jahre dabei. Deswegen ist vieles immer noch neu und wir lernen jeden Tag dazu. Ich habe noch bei jeder neuen Lieferung Schweiß auf der Stirn, ob die Druckvorlagen in Ordnung waren, und habe immer noch Sorge, dass wir es mal richtig verbocken. Insofern: Verlagsarbeit ist bunt.

Welche Bereiche der Arbeit magst du ganz besonders, für welche hast du gar kein Händchen?
Ich arbeite sehr gern mit den Autoren zusammen und – man mag es kaum glauben – ich mache sogar gern die Buchhaltung. Das Lesen von Manuskripten kann auch grandios sein, manchmal aber auch eher weniger. Ich liebe den Moment, wenn neue Ware ankommt, wir sehen, dass alles okay ist, und wir die ersten Kisten ausräumen. Das ist toll. Die riechen so gut! Lektorate sind immer etwas zweischneidig. Je nachdem, wie anstrengend sie sind. Glücklicherweise sind bisher alle Incubus-Autoren sehr professionell und „pflegeleicht“ im Lektorat gewesen. Heißt, ich kann nichts von wilden Zerwürfnissen zwischen Verlag und Autoren berichten, weil man sich über irgendetwas nicht einigen kann. Das ist nicht selbstverständlich, und deshalb bin ich auch echt stolz auf unsere Jungs und Mädels.
Es gibt zwei Bereiche, wo ich eine echte Null bin und die ich deshalb ungern mache. Das sind einmal Absagen, weil ich es hasse, Autoren enttäuschen zu müssen, und dann einem Zeichner als Art Director zurseite zu stehen. Ich habe einen Knick in der Pupille. Ich kann die Arbeit eines Grafikers einfach nicht beurteilen, aber da ich hier ja fähige Kollegen habe, muss ich das glücklicherweise auch nicht.

Wie viele Bewerbungen erhaltet ihr im Durchschnitt pro Woche und nach welchen Kriterien sucht ihr aus?
Im Augenblick sind es nur noch zwei oder drei pro Woche, da wir verbreitet haben, dass wir bis 2016 keine neuen annehmen. Sonst kann es uns aber passieren, dass wir in der Woche 10 oder 15 neue Eingaben bekommen. Das ist meistens kaskadenartig. Manchmal kommt zwei Wochen kein einziges und dann auf einmal gibt es einen Erdrutsch und wir wissen nicht, wann wir das alles lesen sollen. Denn hey, dass diese Erdrutsche immer dann kommen, wenn wir eh rotieren, versteht sich ja von selbst. 😉
Die Kriterien gehen zu weit, um sie hier wirklich alle aufzuschreiben. Aber es geht natürlich um Qualität, Schreibstil, Ausrichtung der „romantischen“ Aspekte, Stimmigkeit und leider auch danach, wie stark einzelne Genres zurzeit schon bedient werden. Wir suchen zum Beispiel für 2016 dringend Contemporary-Material, bekommen aber sehr viel Fantasy, wo wir weniger Platz haben. Ein Punkt ist auch – das will ich gar nicht verschweigen – der Autor selbst. Man muss miteinander arbeiten können. Lieben muss man sich sicherlich nicht, aber ich muss hinter einem Autor stehen können. Ich würde zum Beispiel nie jemanden unter Vertrag nehmen, der auf Facebook seine Leser angeht. So bitter manches ist und so gern sich jeder auch mal Luft machen kann, direkte Angriffe gehen gar nicht.

Viele Jungautoren suchen nach einem Verlag. Welche Tipps und Hinweise würdest du ihnen mit auf den Weg geben?
Oh, da gibt es ein paar ganz einfache Regeln:
Ohne Vertrag läuft gar nichts.
Lest eure Verträge genau durch.
Zeigt sie auf jeden Fall einem Anwalt.
Lasst euch nicht bequatschen. Ein netter Verleger, der sich gut verkaufen kann, ist noch lange kein guter Verleger.
Sprecht mit anderen Autoren und hört euch in der Szene um.
Und lasst euch vor allen Dingen nicht davon blenden, dass euch jemand einen Vertrag anbietet. Das ist meistens ein Kompliment, aber es gibt auch unsaubere Vereine. Sobald jemand von euch Geld will, weil er euer Buch veröffentlicht, sucht euch den nächsten Mülleimer und werft den Vertrag weg.
Ich weiß es aus eigener Erfahrung: Wenn man sein eigenes Baby versenkt hat, weil man die falsche Wahl getroffen hat, möchte man sich nur noch in die Ecke setzen und heulen. Das wünsche ich niemanden.

Wie findest du den deutschen Markt im Gay Bereich? Wo siehst du ihn (und dich als Autor) in Jahren?
Der deutsche Gay-Markt existiert meiner Meinung nach in dieser Form nicht. Es sind eher mehrere Märkte, die durchaus Berührungspunkte haben, aber nicht immer Hand in Hand gehen. Deswegen kann ich da im Großen wenig zu sagen. Aber es gibt immer und überall zu wenig gute Bücher. Und ja, das würde ich auch dann noch sehen, wenn pro Jahr 400 hervorragende Gay-Romane erscheinen würden.
Wo die Zukunft liegt, ist ganz schwierig zu prognostizieren. Ich hoffe natürlich, dass sich der Markt bzw. die Märkte weiter ausbauen lässt und dass vielleicht auch die Abwehrhaltung abgebaut werden kann, die bei einigen Lesergruppen und teilweise auch bei der LGBT-Community vorhanden ist.
Aktuell werden wir ja sehr überschwemmt. Daher glaube ich, dass der Gay Markt sich selbst in den nächsten Jahren bereinigen wird. Und dass wir sehen müssen, wer am Ende noch im Spiel ist und wer die Motivation verloren hat. Da sind wir alle nicht vor sicher.
Natürlich hoffe ich für mich, dass ich viele Bücher schreiben werde und dass es Incubus wunderbar gehen wird. Aber es gibt da mehrere Faktoren, die keiner so richtig vorhersagen kann. Wir wissen zum Beispiel nicht, was die Großverlage vorhaben. Sie fischen gerade ein bisschen im Gay-Bereich herum und testen das Genre. Wenn sie sich darin breitmachen wollen, was bedeutet das dann für uns? Mehr Leser? Mehr Aufmerksamkeit? Oder werden die Großverlage die kleinen Genreverlage kaputtspielen? Man weiß es nicht.
Die größten Sorgen macht mir allerdings im Augenblick die Online-Szene. Im Social Media-Bereiche passieren unglaubliche Dinge, die Leser und Autoren betreffen und mich manchmal wünschen lassen, dass das Web nie erfunden worden wäre. Es ist toll, sich mit den Kollegen und den Lesern verständigen zu können. Aber es gibt auch Schattenseiten. Und eine davon ist sicherlich, wenn ein Autor das Schreiben aufgibt, weil so viele Hetzkampagnen gegen ihn gefahren wurden.

Was würdest du die Fans fragen, wenn du etwas wissen möchtest?
Fans. Ja. Ich habe mich an solche Begriffe immer noch nicht so richtig gewöhnt. Aber ich möchte sie Folgendes fragen: Kennt jemand einen guten Orthopäden? Sponsort mir jemand einen Leibsklaven? Oder hat wenigstens jemand eine Wärmecreme für meinen Nacken? Juliane hat mich geschafft. *lach*
Ich könnte jetzt natürlich noch fragen, welches Buch ihr als Nächstes gern beendet haben möchtet. Aber ganz ehrlich: Da meine Muse ziemlich flatterhaft ist, würde ich euch nur enttäuschen und am Ende doch etwas ganz anderes zuerst anschleppen.

Deine Worte an die Fans?
Ihr seid unglaublich. Diese ganze Geschichte ist im Grunde unglaublich. Ich bin ohne Erwartungen damals auf FF.de aufgetaucht. Ich wollte einfach nur wieder schreiben und habe mich vor Freude beinahe vom Schreibtischstuhl gewibbelt, als so viele von euch den Weg zu meinen Geschichten gefunden haben.
Aber was danach passiert ist, ist und bleibt der Wahnsinn. Gerade ohne euch, liebe FF.de-ler, wäre manches Buch nicht entstanden. Klar, da gibt es noch andere Faktoren. Aber eure Rückmeldungen, und dass ihr mir im Nacken gegessen habt, weil ihr wissen wolltet, wie es weitergeht, das ist eine tolle Motivation.
Und dann entschuldige ich mich an dieser Stelle mal offiziell für alle Taschentücher, die ihr wegen mir verbraucht habt, für durchgewachte Nächte und dafür, dass mir keines von beidem wirklich leidtut. 😉
Danke!

Erwähnte ich übrigens schon einmal, dass ich mich schlecht kurzfassen kann?

Und dann noch herzlichen Dank an dich, liebe Juliane, dass du mir diese Möglichkeit gegeben hast und dir so viel hast einfallen lassen. Ich bin immer noch ganz begeistert. Danke!

An dieser Stelle möchte ich mich bei Raik für ihre Offenheit, Ausführlichkeit und Ehrlichkeit bedanken – es war toll, dich fragen zu dürfen und es stört überhaupt nicht, dass du dich nicht kurzfassen kannst. Vielen lieben Dank für das Interview.

[ROMAN] [3517] Anno Domini – Wir waren Götter von Raik Thorstad


Autor: Raik Thorstad
Taschenbuch:  584 Seiten
ISBN: 978-3945569009
Preis: 8,99 EUR | 14,95 EUR (Taschenbuch)
Bestellen: Amazon

Story:
Nachdem die Menschen die Erde ausgebeutet haben und das Land unbewohnbar geworden ist, ist ein Leben im Jahr 3517 nur noch auf und unter dem Meer möglich. In einer der schwimmenden Festungen lebt Ragnar, Sohn des strengen und gefürchteten Alleinherrschers Takir, der seine Untertanen schindet und für den ein Menschenleben keinerlei Wert hat. Ragnars behütetes, langweiliges Leben, in dem er auf den Zeitpunkt seiner Regentschaft wartet, wird über den Haufen geworfen, als er seinen ersten Lustdiener bekommt – Aiden, einen jungen Mann aus der Unterstadt, der Zeit seines Lebens hart arbeiten musste. Letzterer ist überhaupt nicht bereit nach Ragnars Pfeife zu tanzen und sich einfach so seinem Schicksal zu beugen.

Nach und nach lernen sich die beiden ungleichen Männer näher kennen. Während Ragnar sich nach einem Freund und Gefährten sehnt, sich aber nur schwer ausdrücken kann, muss Aiden erkennen, dass Ragnar bei weitem nicht so schlimm ist, wie dessen Vater. Dieser überwacht das Treiben seines Sohnes mit Argusaugen und ist nicht begeistert, dass es Ragnar nicht gelingt, Aidens Willen zu brechen. Als Takir schließlich eingreift, um sich selbst um das Problem zu kümmern, ahnt er nicht, welche Kettenreaktion er auslöst …

Eigene Meinung:
Mit dem Sci-Fi Roman „[3517] Anno Domini – Wir waren Götter“ wandelt Raik Thorstad auf neuen Pfaden, nachdem es in ihren Geschichten mit Ausnahme des Fantasyromans „Zenjanischer Lotus“ doch eher realistisch zuging. Erschienen ist der fast 600 Seiten starke Schmöker im Incubus Verlag, der bereits ihre Bücher „Leben im Käfig“, „Nach der Hölle links“ und „Zenjanischer Lotus“ herausbrachte. weiterlesen…

[CHARAKTERINTERVIEW] Steffen und Alex aus “Zerrspiegel”

Das folgende Charakterinterview entstand nach der Lektüre von “Zerrspiegel”. Daher enthalten sowohl die Fragen, als auch die Antworten Spoiler auf den gesamten Roman. Wer das Buch noch nicht kennen sollte, sollte dringend vorab die Geschichte von Steffen und Alex lesen – allen anderen wünsche ich viel Spaß beim Interview 🙂

Alex und Steffen, der seinen Künstlernamen Steve Simon weitestgehend abgelegt hat, treffen Juliane in einem ruhigen Strandcafé an der Weser. Sie sitzen nebeneinander in einem der Strandkörbe, die sich tief in den künstlich aufgeschütteten Sand gegraben haben. Ein gewaltiger Sonnenschirm mit dem Logo eines Bierherstellers verdeckt die freie Sicht für die anderen Gäste.

Juliane beginnt mit der ersten Frage, nachdem sie an ihrem Latte genippt hat: „Es ist toll, dass ihr beide euch die Zeit genommen habt, uns ein wenig mehr über euch zu erzählen und „Like a Dream“ Rede und Antwort zu stehen. Nur um klare Verhältnisse zu schaffen: Das ist eher ein Buchblog, denn ein Musikblog, sprich Alex wird sich wahrscheinlich wohler fühlen, oder?“

Alex scheint ein bisschen nervös zu sein. Es ist mit Sicherheit sein erstes Interview. Steffen grinst ihn an und wendet sich der ersten Frage zu: “Früher hätte ich dir da blind zugestimmt. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mal was anderes als eine Bedienungsanleitung für einen Amp gelesen hätte. Aber inzwischen ist das ziemlich anders. Lesen ist schon eine tolle Angewohnheit.”
“Und seitdem er die Bücher einmal für sich entdeckt hat, ist es manchmal echt schwer, ihn davon loszueisen”, fügt Alex hinzu.

“Das klingt danach, als sei er Stammgast in der Bücherei, oder füllt sich eure Wohnung mehr und mehr mit Romanen und Büchern?” Juliane sieht zwischen den beiden hin und her. Im Stillen fragt sie sich, ob die neu entdeckte Lesewut Steffens nicht auch anderweitig für Unstimmigkeiten sorgt. Sie entscheidet sich die Frage später zu stellen.

“Wie, füllen?”, fragt Alex lachend. “Ich meine, klar werden es mehr. Aber ich hab ja schon genug Zeug mitgebracht. So ist es ja nicht. Ehrlich gesagt bin ich meistens immer noch derjenige, der die neuen Sachen anschleppt und dabei schrecklich übertreibt.”
“Genau.” Steffen nickt und nippt an seiner Cola. “Ich besorge eher die Sachen fürs Studium. Und ehrlich, das meiste ist sowieso schon da. Wenn auch in irgendeiner Ecke. Keine Ahnung, wie oft ich schon mit irgendetwas nach Hause gekommen bin und Alex dann gesagt: ,Das haben wir doch schon.’ Ich hab da noch null Überblick. Gerade bei den ganzen Standardsachen. Goethe und sowas.” Er verzieht das Gesicht. “Das brauche ich ja eigentlich sogar gar nicht.”

“Na wenigstens ist sie Alex in dieser Beziehung treu geblieben.” Juliane grinst. “Ich teile da die Bücherleidenschaft, und mal unter uns: Ich habe nicht einmal einen Überblick über meine eigenen Bücher. Ich habe sogar des öfteren Romane gekauft, die schon bei mir daheim stehen und die ich jetzt doppelt habe.” Juliane schaut einigen Mädchen hinterher, die sich den Hals in Steffens Richtung verrenken. “Seid ihr eigentlich umgezogen, oder habt ihr noch immer die kleine Wohnung in der Innenstadt? Wie lang lebt ihr jetzt schon zusammen?”

Steffen lächelt den Mädels kurz zu, verzieht sich aber gleich darauf tiefer in die Ecke des Strandkorbs. Seine Hand ruht dabei mit großer Selbstverständlichkeit auf Alex’ Bein. Eine Bedienung fragt die Mädchen nach ihren Wünschen und drängt sie freundlich zu einem freien Platz. Anschließend zwinkert sie den Jungs zu. Anscheinend gibt es hier eine Absprache …
“Das kann mir nicht passieren. Ich habe eine Liste im Web, auf die ich über Handy immer Zugriff habe”, erzählt Alex. “Berufskrankheit quasi.“
“Er wird hysterisch, wenn ich nicht alles brav eintrage, was ich gekauft habe”, verrät Steffen mit einem teuflischen Grinsen. Alex nimmt den kleinen Seitenhieb nicht übel. Er lacht und streckt seinem Freund die Zunge raus. “Wir sind inzwischen umgezogen”, fährt Steffen fort. “Wir leben inzwischen in einem kleinen Haus im Außenbereich von Bremen. Nichts Dolles. War aber nötig.”
“Genau. Wir brauchen einen Raum für die ganzen Instrumente.”
“Und für die Reste von der Bibliothek von Alex’ Großvater.” Steffen macht ein betroffenes Gesicht. “Ist ja leider nicht mehr so viel übrig.” Sie wechseln einen Blick.
“Naja, und die Nachbarn waren auch nicht so begeistert, einen Musiker im Haus zu haben”, sagt Alex schnell. Das Thema Großvater scheint ihm nicht zu behagen.
“Oh, und es sind jetzt … öh …”
“Etwas über ein Jahr”, ergänzt Steffen.

“Das freut mich sehr für euch. Und keine Sorge, ich frage jetzt nicht nach der Adresse.” Sie grinst und hebt die Schultern. “Das heißt, dass Steffen jetzt schon im dritten Semester ist, oder? Wie ist das Studium? Ich habe das Gefühl, Klassiker sind nicht so ganz deins – wenn man deinen Kommentar zu Goethe nimmt, aber mich interessiert doch, welche Bücher du besonders gern magst?” Mit einem kurzen Blick zu Alex fügt sie hinzu: “Die Frage ist für euch beide – mich interessiert brennend, was ihr so lest.”

“Ganz genau. Drittes Semester. Mal ehrlich: Ich habe nicht allgemein was gegen Klassiker. Aber manches Zeug … Weißte, da hat irgendwer irgendwann mal entschieden, dass das tooootal wahnsinnig literarisch wertvoll ist. Mag ja auch sein, dass da der Zeitgeist irgendwie eine Rolle spielt. Aber wenn ich mir die “Leiden des jungen Werthers’ anschaue … meine Fresse, was ein Geheul! Überhaupt, man hat manchmal das Gefühl, dass die Literaten nur das gut finden, wo am Ende alle über den Jordan gehen”, plappert Steffen los. Alex sieht aus, als ob er gleich in Ohnmacht fällt. “Andere Sachen sind richtig cool. Ich steh auf die alte Droste-Hülshoff. Und ich könnte stundenlang die Sachen von Poe, Lovecraft, Stoker und Stevenson lesen. Oder auch Mary Shelley. Die hatte viel mehr zu sagen, als die Leute immer so schnallen, glaube ich. Und sonst bin ich noch ziemlich am Anfang. Das ist wie eine Entdeckungsreise… ich mag Krimis. Thriller. Horror. Und solche Sachen wie Christopher Moore.”
“Moore ist klasse”, stimmt Alex zu. Er scheint sich halbwegs erholt zu haben. “Und was du für ein Problem mit Goethe hast, werde ich nie verstehen.”
“Zu viel Drama für mich.”
Alex winkt ab. “Banause. Jedenfalls: Ich mag Goethe. Faust, Clavigo … Tolle Sachen. Ich lese allgemein ziemlich quer. Mich sprechen ganz unterschiedliche Bücher an. Ich meine, in der Bücherei komme ich einfach mit ganz viel Material in Kontakt. Und da wird man automatisch neugierig. Ich sehe da auch kein Problem drin, heute ,Maurice’ zu lesen und morgen ,Harry Potter’. Möchtest du übrigens noch einen Kaffee, Juliane?”

Juliane muss sich ein Lachen verkneifen, während sie Steffens Ausführungen lauscht und stimmt einigen Punkten insgeheim zu. Allerdings entscheidet sie sich dafür, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. ‘Man will ja keine Beziehungskrise auslösen’, denkt sie, während sie der Kellnerin zuwinkt und sich einen Latte bestellt. “Wollt ihr noch etwas?” Nachdem die beiden ihre Bestellung aufgegeben haben, fährt sie fort: “Ich bin auch jemand, der quer durch den Garten liest. “Maurice” habe ich mal als Teenager angefangen und nach 10 Seiten aufgegeben. Gut 10 Jahre später, habe ich dem Buch eine zweite Chance gegeben und siehe da: Ich fand es unheimlich toll. Für einige Bücher muss man reif genug sein oder es zu einer passenden Gelegenheit lesen. Man ist nicht immer in der Stimmung für Klassiker und alte Geschichten.” Sie wendet sich an Alex: “Du hast ja von deinem Großvater eine wahre Bibliothek geerbt und auch wenn viele Werke verloren sind, gibt es unter den Schätzen eines, was dir besonders viel bedeutet?”

Zwei Colas und ein Windbeutel werden bestellt. Während Juliane sprach, haben die Jungs beide genickt. Als die Frage nach der Bibliothek des Großvaters gestellt wird, verdüstert sich Alex’ Miene. Auch Steffen wirkt plötzlich ein wenig angespannt.
“Naja, im Grunde hat mir ja die ganze Sammlung einfach viel bedeutet. Unabhängig vom Inhalt.” Alex presst die Lippen aufeinander. “Auf jeden Fall bedeuten mir die Bücher viel, die mein Opa mir früher vorgelesen hat. Aber da gibt es noch so ein Buch, einen ganz alten Schinken über Tiere und Pflanzen in den heimischen Wäldern. Das ist auf ganz dickem Papier gedruckt, mit Zeichnungen aller Tiere und Pflanzen. Ich kann mich erinnern, dass ich früher stundenlang in meinem Zimmer gesessen und darin geblättert habe. Lange bevor ich lesen konnte.”
“Oh, und die gebundene Lederausgabe vom Herrn der Ringe”, merkt Steffen an. “Oh ja, da hast du recht. Das ist wirklich ein Prachtstück. Gehört eigentlich in eine Vitrine.”

Juliane überlegt, ob sie weiter nachbohren soll. Sie wirft Alex einen mitfühlenden Blick zu. “Es tut mir sehr leid, was da passiert ist. Ich denke, ich verlagere meine Fragen lieber in eine andere Richtung, okay?”

“Da wäre ich echt nicht bös drum.” Dankbar lächelt Alex Juliane zu.

“In Ordnung, dann gehen wir doch mal in eine andere künstlerische Richtung, bevor ich euch zu eurer Beziehung ausfragen werde – ich hoffe, ich darf das.” Sie zwinkert beiden zu. “Steffen, du hast ja vor über einem Jahr dein Pseudonym Steve an den Nagel gehängt. Was für ein Gefühl war das für dich, diesem Lebensabschnitt ein Ende zu setzen? Gibt es Zeiten, wo du den Rummel und all das vermisst?”

Alex und Steffen tauschen einen verschmitzten Blick aus. “Kommt auf die Fragen an”, sagen sie zeitgleich und lachen.
Steffen schnappt sich seine Cola und fängt an, den Strohhalm zu zerkauen, bis er ganz platt ist. “Ehrlich?”, beginnt er. “Ich habe immer noch keine Ahnung, wie das jetzt wirklich ist und was es für mich bedeutet. Ich meine …”, er verdreht die Augen, “… es ist ja schon genug darüber geschrieben worden. War echt spannend zu lesen, was die Leute alles über mich wissen wollen, ohne je mit mir gesprochen zu haben. Egal. Es ist auf jeden Fall zwiespältig. Musik war mein Leben. Und ich dachte immer, dass ich sie verliere, wenn Steve Simon untergeht. Das ist natürlich Bullshit. Aber wenn man bis Unterkante-Oberkante in der Scheiße sitzt, schnallt man das nicht. Ich hab die Kontrolle verloren. Das heißt, erst wurde sie mir weggenehmen in Sachen Musik und dann habe ich die Kontrolle über mich selbst verloren. Trotzdem war es immer noch, als würde ich mir die Pulsadern aufschneiden.”
Alex rückt fast unmerklich näher an Steffen heran.
“Alles stand Kopf. Alles, was wichtig war, war dreckig geworden. Und nichts war mehr echt. Also war es am Ende trotz allem eine Erleichterung, dem ein Ende zu machen. Klar vermisse ich es. Ich vermisse die Bühne, die Fans, die Touren. Aber ich vermisse es nicht, gejagt zu werden und mir von jemandem, der keine Scheißahnung von Musik hat, in meine Mucke reinreden zu lassen.”

Juliane nickt leicht. “Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das ist, so verfolgt zu werden und keinen sicheren Ort mehr zu haben. Aber ich bin froh, dass du den Absprung geschafft hast und dich in letzter Sekunde von dem ganzen Dreck befreien konntest. Ich will gar nicht wissen, wie hart das gewesen sein muss, alles, was einem etwas bedeutet hat, aufzugeben.” Sie lächelt und nickt Alex zu. “Wobei du ja nicht alles aufgegeben hast, oder? Immerhin hast du Alex zurückgewonnen und das ist immerhin wie ein Sechser im Lotto, nicht?”

Oh, ich habe noch viel mehr gewonnen als das. Mir kommt es inzwischen vor, als wäre ich während der heißen Jahre dauernd stoned in der Gegend rumgelaufen. Mit Scheuklappen drauf obendrein. Und Alex habe ich nicht nur zurückgewonnen. Er hatte viel mehr mit dem Prozess zu tun, mich selbst zu erkennen und mir klarzumachen, dass ich so auf Dauer nicht zurechtkomme. Glaub mir, es ist ein ätzendes Gefühl, eines Tages aufzuwachen und dir klarzumachen, dass du nur noch aufrecht stehen kannst, wenn du betrunken bist oder Tabletten intus hast. Man steht auf der Bühne und erzählt den Leuten, dass sie aufrecht zu sich stehen sollen, dass sie ihren Weg gehen sollen und selber ist man dieser kleine Pisser, der sich wie ein Ochse am Nasenring durch die Arena führen lässt.” Steffen hat sich in Rage geredet. Seine Nase ist ein bisschen rot geworden. Offenbar regt ihn das Thema immer noch auf.

“Beruhige dich, okay?” Juliane nippt unentschieden an ihrem Latte und überlegt, wie sie das Gespräch in ruhigere Bahnen lenken kann. “Es gibt immer Momente im Leben, wo man sich für einen falschen Weg entscheidet. Wichtig ist doch, dass man es schafft, seine Fehler zu erkennen und einen Weg hinaus findet. Dir ist das gelungen. Und ich denke doch, dass du die Musik nicht verloren hast. In eurer neuen Wohnung gibt es doch einen passenden Raum, wo du wieder das machen kannst, was dir etwas bedeutet – deine Musik, ganz einfach Steffens Musik. Kein Zwang, keine Idioten, die dir etwas vorschreiben und erst recht niemand, der die in eine Richtung drängen will, die dir nicht liegt.”
Sie überlegt und fügt hinzu: “So geht es mir als Autor auch: man will eigene Geschichten schreiben, eigene Ideen umsetzen, nicht das, was die großen Verlage gerne copy’n’paste mäßig auf den Markt werfen wollen.”

„Ich schätze, das ist ganz ähnlich”, schaltet Alex sich sein. “Es gibt eine bestimmte Mode, die dann endlos reproduziert wird. Ob es ja jetzt um Musik oder Bücher geht, ist wahrscheinlich gar nicht so wichtig. Es sind jedenfalls Kaufleute, die die Entscheidungen treffen. Keine Künstler. Es wird wohl immer schwierig, wenn die anfangen, gegeneinander statt miteinander zu arbeiten.”

“Ja, leider.” Juliane spielt mit ihrem Lippenpiercing und betrachtet die beiden nachdenklich. “Spielst du denn noch, Steffen? Ich meine im kleinen Kreis? Oder ist dir sogar das momentan zu viel?”

Steffen sieht fragend auf. Offenbar waren seine Gedanken in andere Richtungen abgewandert. “Nein, nein. Im Moment nicht. Also für mich allein schon. Es tut einfach gut, die Gitarren mal wieder richtig jaulen zu lassen. Aber in Sachen Band habe ich noch nichts unternommen.” Er zuckt die Achseln. “Es läuft mir nicht weg. Es gibt so viele Musiker, nach fünf oder sechs Jahren wieder aufgetaucht sind, mit frischem Material. Ich treibe mich da gerade nicht.”

“Kann ich verstehen. Was mich natürlich interessiert, ist, ob du inzwischen nicht mal den Versuch unternommen hast, mit den Jungs von “Terrific” in Kontakt zu treten? Immerhin habt ihr gemeinsam angefangen und hattet eine Menge Dinge, die ihr zusammen gemacht habt.”

Er wiegt den Kopf. “Ja, habe ich. Mit teilweise unterschiedlichen Ergebnissen. Ein zwei von denen … naja, sie sind mir böse. Und ich kann’s verstehen.”
“Naja, deswegen hätten sie nicht so klar sagen müssen, dass sie froh sind, dass du auf die Schnauze gefallen bist”, grummelt Alex.
“Ach, ich kann’s verstehen”, gibt Steffen zu. “Wo war ich? Also ja. Nicht alle sind begeistert gewesen. Marcel war ja sowieso nie das Problem. Aber zwei von den anderen … mit denen habe ich inzwischen wieder Kontakt. Sie haben kaum noch mit Musik zu tun. Sind inzwischen beide Papa.” Er grinst. “Auch, wenn ich es mir das noch nicht richtig vorstellen kann. Wir reden ab und zu und wollen irgendwann mal eine Jam Session machen. Nur so aus Spaß”.

“Das klingt doch prima. Ich freue mich sehr, dass es sich zumindest in der Richtung wieder eingerenkt hat. Und manchmal dauert es bei anderen länger, bis sie einem verzeihen.” Er wirft Alex einen Blick zu und grinst. “Da dich Alex ja erfolgreich zu den Büchern gebracht hat, wie sieht es umgekehrt aus? Hast du Alex denn ein wenig zur Musik bringen können, Steffen? Ich gebe zu es interessiert mich brennend, ob Alex nicht mal den Versuch unternommen hat, Gitarre zu spielen.”

Die Bedienung bringt die Bestellungen. Steffen stürzt sich sofort mit glänzenden Augen auf seinen Windbeutel. Bevor man sich versieht, hat er den Mund voll. Alex guckt ein bisschen verdutzt, übernimmt dann aber schmunzelnd die Frage. “Es hat auch anders herum funktioniert. Ich überrasche mich selbst dabei, dass ich genauer hinhöre und mich mehr mit Musik beschäftige. Mein Gehör ist aber zum Beispiel nicht so gut wie Steffens. Ich würde es nie heraushören, ob die Streicher in einem Lied zum Beispiel echt sind oder von einem Synthesizer stammen. Und ich merke mehr und mehr, dass ich total gerne Sachen mag, die nicht aus der Konserve kommen.”
“Ich hab ihn neulich dabei erwischt, wie er in voller Lautstärke Manfred Mann’s Earth Band gehört hat, als ich heimkam”, wirft Steffen mümmelnd ein. “Er hat übrigens eine echt schöne Stimme. Ich bin total begeistert.”
“Naja, hält sich.” Alex bekommt ein bisschen rote Ohren. “Gitarre spielen habe ich nicht versucht. Mich irritiert das mit den Saiten. Oder ich hab zu dicke Finger. Aber Steffen hat ein E-Piano mitgebracht. Und da habe ich mich mal dran versucht. Die Ergebnisse halten sich noch in Grenzen, aber es macht Spaß.”

“Wow, das finde ich echt toll. Und jetzt würde ich zu gerne hören, wie du singst. Wer weiß, vielleicht komme ich ja irgendwann mal in den Genuss”, sagt sie lächelnd und stibitzt sich einen Windbeutel. “Ihr scheint wirklich gut zusammen zu passen. Das bringt mich gleich darauf, euch zu fragen, wie es in eurer Beziehung läuft? Für Steffen ist es ja die erste richtige Beziehung, für dich Alex die zweite, oder?”

“Keine zehn Pferde kriegen mich auf eine Bühne, keine Chance.” Alex lacht herzlich, schaut von seinem Freund zu Juliane und bestellt einen zweiten Teller Windbeutel.
Steffen zwinkert ihm zu. “Du kennst mich sooo gut.“
Dann wendet er sich an Juliane. “Stimmt schon. Meine erste. Alex’ zweite. Und tja. Eh. Wie läuft es denn?”
Alex schaut auch ein bisschen hilfesuchend. “Ja, gut, ne? Würde ich sagen. Oder?”
Steffen nickt. “Ich denke schon.” Sie fangen an zu lachen.
“Ich glaube, du musst ein bisschen genauer fragen”, sagt Alex lachend. “Wie du siehst, sind wir zusammen. Und glücklich darüber. Oder wolltest du wissen, wer die Wäsche wäscht?” Er grinst breit und klaut sich auch einen Windbeutel.

“Also ich will ja nicht zu sehr in eure Privatsphäre dringen – bin ja keiner dieser Journalisten, die Menschen so extrem auf die Pelle rücken. Ihr verratet, was ihr verraten wollt und gut ist. Dass ihr glücklich seid, freut mich sehr – ich mag es einfach, wenn sich zwei Menschen finden und trotz diverser Widerstände zusammen bleiben.” Sie blinzelt Alex zu “Und Bühne muss ja bei einem Song nicht sein – eine Privatvorstellung in Wiesbaden reicht – sprich fühlt euch eingeladen.”

“Ach, das passt schon. Solange man gefragt wird, kann man Nein sagen. Das ist okay für mich”, erklärt Steffen entspannt. “Schwierig wird es nur, wenn du wirklich bei jeder Gelegenheit bestürmt wirst. Zum Beispiel auf dem Weg zum Arzt oder so. Dann schleppst du dich dahin, mit einer dicken Influenza, siehst aus wie eine Wasserleiche und jemand fotografiert dich. Am nächsten Tag steht in der Zeitung, dass du AIDS hast.”
“Zum Beispiel. Ich hab ja auch einmal dran glauben müssen. In Sportklamotten, nachdem ich vom Laufen kam. Danach hatte Steffen einen “ungepflegten Freund”.” Alex scheint sich darüber eher zu amüsieren als zu ärgern. “Und das mit der Privatvorstellung überlege ich mich. Wenn du mich mit Essen lockst, könnte das sogar glatt klappen.”

“Diesen Worten entnehme ich, dass eure Beziehung unterdessen bekannt ist. Wie haben es denn deine alten Fans wirklich aufgenommen, Steffen? Deine alte Plattenfirma hatte ja wirklich Probleme, deine Homosexualität öffentlich zu machen.”

Steffen nickt. “Das war so eine Sache für sich. Es gab viele sehr unterschiedliche Reaktionen. Die Fans waren größtenteils ganz cool, klar, gab ein paar böse Aktionen von einigen Mädels. Die meisten konnten damit aber besser als die Plattenfirma damals befürchtet hat. Die Öffentlichkeit, das war eine andere Geschichte. Einige waren total genervt. So nach dem Motto: ,Ach nö, noch einer. Die kriechen jetzt ja überall aus den Löchern.’ Andere Leute, von denen ich es vielleicht auch gar nicht erwartet hätte, haben sehr positiv reagiert und mir gratuliert. Es gab aber auch ein paar echt hässliche Aktionen.”
“Ein paar Leute haben sich zusammengetan und Steves Alben öffentlich verbrannt”, erzählt Alex leise. “Gab einen ziemlichen Tumult. CDs fangen nicht so gut Feuer. Also haben sie einen Brandbeschleuniger benutzt und damit das ganze Plastik von den Hüllen in die Luft gejagt. Die Feuerwehr war nicht begeistert.”
Steffen schüttelt den Kopf. “Das war schon eine doofe Erfahrung. Auch die Shitstorms, die es hier und da gab, waren echt übel. Zumal auch welche ausgerechnet aus den LGBT-Community kamen.”

Juliane schaut ungläubig drein. Man sieht ihr an, dass sie diese Aktionen weder mitbekommen noch erwartet hat. “Moment mal, da sind wirklich Leute hingegangen und haben deine CDs verbrannt??? Ich fasse es nicht!” Sie knirscht mit den Zähnen. “Und dass auch aus der LGBT.-Community böse Worte kamen, finde ich jetzt auch nicht so toll. Man, da will man doch nie im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen – also wirklich.” Sie beruhigt sich und überlegt einen Moment: “Und deine Eltern, Steffen? Wie haben die darauf reagiert?”

“Ein paar Querschläger gibt es immer.” Alex scheint zu warten, dass Steffen etwas sagt. Als der keine Anstalten macht, antwortet er selbst: “Weißt du, das Problem war wohl, dass Steffen zu lange im Schrank war. Es gab so viele Berichte über Frauen, mit denen er was hatte. Das sieht jetzt natürlich aus, als hätte er absichtlich allen etwas vorgemacht. Klar, dass es dann heißt, dass er eine Klemmschwester ist, die erst
dann an die Öffentlichkeit geht, wenn es schick ist.”
“Man muss dazu sagen, dass ich nie Berichte über irgendwelche Frauen bestätigt habe. Aber natürlich auch nicht dementiert. Das muss ich schon zugeben.” Steffen lächelt nicht mehr. Erst, als Alex ihm locker den Arm um die Schulter legt, fährt er fort: “Meine Eltern? Das war noch so eine Sache. Meine Mutter … man sagt ja immer, dass Eltern Bescheid wissen. Sie wusste es. Mein Vater ist aus allen Wolken gefallen. Ich glaube, das erste, was er sagte, war: Das auch noch.’ Okay, das war nicht gerade das, was ich mir gewünscht habe. Aber ich schätze, man muss das Eltern erst mal zugestehen. Inzwischen sind sie ganz entspannt. Und mögen Alex sehr gern.”

“Das freut mich sehr. Ich finde ihr seid ein tolles Paar. Und man muss wirklich anerkennen, wie viel ihr schon gemeinsam durchgestanden habt. Ich denke mal, dass du unterdessen auch Alex’ Freunde kennengelernt hast, oder Steffen?”

“Vielen Dank, finde ich auch.” Steffen nimmt in einer rührenden Geste, die irgendwie nicht zu seiner abgewetzten Lederhose passt, Alex’ Hand und drückt einen Kuss darauf. “Und klar kenne ich Alex’ Freunde. Unsere Freunde. Und wir haben auch noch eine Menge anderer Leute kennen gelernt. Vor allen Dingen Männer. Aber das lassen wir hier lieber. Au!” Steffen hat gerade einen Ellbogenhieb von Alex kassiert.

“Oha, kommt da Eifersucht auf, oder irre ich mich da?” Juliane grinst und leert ihren Kaffee.

“Ne, absolut nicht. Aber wir wollten ja nicht ins Eingemacht gehen”, grinst Alex zurück. “Ich bin verdammt froh, dass Steffen und ich da auf einer Wellenlänge schwimmen.”

“Das heißt es gibt da nicht das ein oder andere Abenteuer, das wir jetzt besser nicht so detailliert erörtern?”

Der nervende Chronist – Raik Thorstad

“Wir mögen Abenteuer”, antwortet Steffen mit unschuldiger Miene. “Nicht immer, nicht überall. Aber manchmal …”

Juliane neigt sich ihnen verschwörerisch zu. “Wird es irgendwann wieder etwas von euch zu lesen geben – nicht in Form von Zeitungsberichten und Skandalen, sondern in Form von einer netten kleinen Episode von euch?”

Verwirrtes Schweigen. Steffen zieht die Nase kraus, Alex runzelt die Stirn. Dann erhellt sich Steffens Miene. “Ach, ich weiß, was du meinst. Der Chronist. Oh Gott. Keine Ahnung. Raik war zwischendurch anhängliche wie eine Schmeißfliege.” “Wie Filzläuse”, wirft Alex ein. “Ich weiß nicht, ob da jetzt noch einmal etwas aufgeschrieben wird. Ich würde es nicht für ganz unmöglich halten. Vielleicht so ein paar Seiten Kurzgeschichte. Mehr aber garantiert nicht. Wir sind ja jetzt quasi in ruhigem Fahrwasser. Das interessiert doch auch keinen.” Er zwinkert Juliane zu.

“Och, das würde ich nicht sagen.” Juliane zwinkert zurück und räuspert sich dann. “Fans interessieren auch ruhigere Zeiten und wenn es die Chance gibt, mehr über Alex’ ungeahnte Talente beim Singen zu erfahren, wären bestimmt viele gespannt, auf mehr. Aber da wir gerade bei eurem Chronisten sind – was haltet ihr denn von Raik? Wie ist sie so bei der Recherche?”

“Nicht viel”, gibt Alex umunwunden zu. “Raik ist ein elender Schnüffler. Da wird wirklich alles bis zum Exzess untersucht. Aber zumindest muss man sagen, dass sie nichts dazu gedichtet hat.”
“Das stimmt. Was sie aufschreibt, ist auch wirklich so passiert. Auch, wenn das eine oder andere ein bisschen peinlich ist. Aber ich glaube, das ist immer so, wenn man jemanden seine Geschichte aufschreiben lässt”, stimmt Steffen zu.

“Na, dann bin ich gespannt, ob ihr beide ihr noch einmal die Möglichkeit gebt, eine Episode aus eurem Leben niederzuschreiben.” Juliane wirft einen Blick auf die Uhr und zuckt zusammen. “So langsam wird es Zeit, euch mit meinen nervigen Fragen in Ruhe zu lassen, oder? Gibt es etwas, was ihr gerne noch wissen wollt – von mir, z.B.? Oder ist da etwas, was ihr den Lesern gerne mitteilen möchtet, oder von ihnen erfahren wollt? Im Anschluss dürfen nämlich die Leser noch Fragen stellen, sprich haltet euch für weitere Rückfragen bereit – dann aber via Mail?”

“Ich glaube, im Augenblick haben wir keine weiteren Fragen, oder Alex?”
“Nein, ich denke auch nicht”, bestätigt Alex. “Ich bin mal gespannt, wie das Interview am Ende aussehen wird. Ist ja auch mein erstes. Und was die Rückfragen angeht: Immer raus damit. Wie Steffen schon sagte: Nein sagen können wir ja immer noch, wenn uns was zu privat ist.”
Steffen winkt der Bedienung zu und bezahlt ohne Einwürfe zu dulden die gesamte Rechnung. Er blinzelt in die Frühlingssonne. “Vielen Dank, Juliane. Es war schön, einfach mal offen in einem Interview sprechen zu können. Ich, das heißt, wir wünschen dir ganz, ganz viel Erfolg mit deinem Blog und auch für deine Bücher.”
Alex streckt und rekelt sich. “Und den Lesern kannst du sagen, dass wir uns auf sie freuen.”

“Vielen Dank ihr Zwei. Es war toll, euch einmal privat kennen zu lernen und mit euch zu plaudern.” Sie lächelt, schiebt ihnen ihre Visitenkarte zu und steckt diskret die von Alex ein. “Ich melde mich garantiert nochmal, wenn ich im Nachhinein noch Fragen habe und um einen Termin für Wiesbaden fertig zu machen – ich koche zwar nicht, aber meine Freundin Tanja ist eine wirklich tolle Köchin. Wir würden uns freuen, euch mal bei uns begrüßen zu dürfen.” Sie atmet tief durch und packt ihre Sachen zusammen. “Ich wünsche euch noch einen wundervollen Sonntag – vielen Dank für das tolle Gespräch.”


Jetzt habt ihr die Möglichkeit Alex und Steffen mit Fragen zu bombardieren! Es gibt Dinge, die ihr noch unbedingt über die beiden Wissen wollt? Sachen, die ihr loswerden oder den beiden sagen wollt? Immer her mit euren Fragen. Schickt sie an Koriko@gmx.de – ich leite sie entsprechend weiter. Alle, die sich bereits jetzt daran beteiligen, nehmen automatisch am Gewinnspiel teil, das am Freitag startet.