[ROMAN] Vancouver Dreams von Corinna Bach

Autor: Corinna Bach
Taschenbuch: 320 Seiten
ISBN: 978-3864434853
Preis: 6,99 EUR (eBook) | 12,90 EUR (Taschenbuch)
Bestellen: Amazon

Story:
Kaum aus dem Gefängnis entlassen, stolpert der junge Zachary ungewollt in Ärger, als ein fremder Mann ihm einen Schließfachschlüssel in die Hand drückt und ihn auffordert zur Polizei zu gehen. Natürlich kommt Zac der Aufforderung nicht nach, immerhin steht er als entlassener Häftling im Fokus der Beamten und plant nicht, sich erneut in Schwierigkeiten zu bringen. Dass er sich damit direkt mit den Red Skorpiens – eine der führenden Banden von Vancouver – anlegt, bringt nicht nur ihn in Schwierigkeiten, sondern auch seinen Bewährungshelfer Liam Hillerman, zu dem er sich stark hingezogen fühlt. Auch Liam entwickelt schnell Gefühle für Zac, doch ihre Beziehung steht nicht nur durch die drohende Gefahr der Bandenmitglieder unter einem schlechten Stern, auch ihre verschiedenen sozialen Stände sorgen für Spannungen …

Eigene Meinung:
Mit „Vancouver Dreams“ legt die Autorin Corinna Bach ihren zweiten Gay Romance vor, der im Sieben Verlag erscheint. Dass der Roman für die unter Pseudonym arbeitende Brunhilde Witthaut nicht erst die zweite Veröffentlichung ist, zeigt sich, wenn man sich die Bücher ansieht, die sie unter ihrem richtigen Namen oder unter Laurent Bach herausgebracht hat. So stammt auch die beliebte Reihe um den schwulen Detektiv Claude Bocquillon von ihr, ebenso einige historische Romane, die im Sieben Verlag oder bei Bookshouse erschienen sind. weiterlesen…

[ANKÜNDIGUNG] Special Week: Brunhilde Witthaut

SW-Brunhilde

Die letzte Special Week liegt bereits 4 Monate zurück – Zeit sich endlich dem nächsten Autoren und dessen Werken zu widmen. Dieses Mal steht die kommende Woche ganz im Zeichen von Brunhilde Witthaut, die unter den Pseudonymen Corinna und Laurent Bach den schwulen Buchmarkt “unsicher macht” und sowohl beim Bruno Gmünder und Sieben Verlag, als auch als Selfpublisherin aktiv ist. Freut euch schon jetzt auf Rezensionen zu ihren neuen Werken, einem Charakterinterview mit Claude Bocquillon und Frederic Lambert, dem obligatorischen Autoreninterview und natürlich einem passenden Gewinnsiel am Ende der Woche.

Hier die einzelnen Stationen der Special Week:

05.10. Rezension: “Vancouver Dreams”
06.10. Rezension: “Tod in Montmartre”
07.10. Charakterinterview Claude Bocquillon und Frederic Lambert
08.10. Rezension: “Das Lilienschwert”
09.10. Interview Brunhilde Witthaut
10.10. Gewinnspiel – Leserinterview

Die Autorin und ich freuen uns auf die kommende Woche und wünschen schon jetzt viel Vergnügen 🙂

[AUSWERTUNG] Gewinnspiel Florian Tietgen

Hallo ihr Lieben,

die Special Week mit Florian Tietgen ist bereits seit einer Weile vorüber, doch noch fehlt die Auswertung des Gewinnspiels inkl. Leserinterview. Zeit, dies nachzuholen, immerhin warten einige Teilnehmer auf Antworten und wollen wissen, ob sie demnächst ein signiertes Buch ihr eigen nennen dürfen. Insgesamt hielt sich die Teilnehmeranzahl in überschaubarem Rahmen – umso schöner ist, dass Florian selbst entschieden hat, jedem einen Buchgewinn zuzusprechen, der sich mit einer (oder mehreren) Frage(n) bei uns gemeldet hat.

Bevor ich verrate, welche Bücher ihr gewonnen habt, hier Florians Antworten zum Leserinterview:

Bernd: Entwirfst du deine Geschichten vorher oder beginnst du mit einer Idee, die sich beim Schreiben weiterentwickelt? Wie detailreich sehen deine Entwürfe dazu aus?

FTI: Hallo Bernd, meist entwickeln sich meine Geschichten beim Schreiben. Ich gehe zwar nicht völlig ungeplant daran, dann könnte ich ja nicht recherchieren, aber ich möchte der Geschichte Luft zum atmen lassen.

Anna: Was mich allerdings interessierten würde, was würdest du tun, bzw. wie würdest du dich verhalten, wenn tatsächlich einer oder mehrere Charaktere deiner Bücher plötzlich vor dir stehen würden? Und natürlich, was schätzt du, wie würden deine Charaktere sich dir gegenüber verhalten, wenn sie wüssten, dass du sie erdacht / erschaffen hast?

FTI:  Hallo Anna, das macht nichts, was nicht ist, kann ja noch entstehen. In irgendeiner Form stehen mir die Charaktere ja immer gegenüber – Menschen, die sich nach Liebe oder Bestätigung sehnen und vielleicht gerade deshalb alles zerstören. Menschen, die mit harten Schicksalen kämpfen oder auch Menschen, die glücklich sind. Wenn aber die Charaktere wirklich 1:1 plötzlich in meinem Leben stünden, hätte ich wahrscheinlich Angst, sie enttäuscht zu haben, ihnen in der Schilderung nicht gerecht geworden zu sein.

Mana: Meine Fragen wären:
1. Was hörst du für Musik und gibt es eventuell auch bestimmte “Schreibmusik” die dir hilft?
2. Welches sind die drei letzten Bücher die du gelesen hast?

FTI: Hallo Mana, ich höre von Klassik über Pop, Independent, Rock und Metal fast alles, beim Schreiben aber brauche ich es still. Sonst höre ich die Geschichte nicht.
Bei der Frage nach den Büchern lasse ich mal die Bücher weg, die ich beruflich gelesen habe. Zum reinen Privatvergnügen waren es zuletzt Murakamis „1Q84“, Meir Shalevs „Ein russischer Roman“ und Édouard Louis‘ „Das Ende von Eddy“.

Sarah: Meine Frage: Wie entstehen die Cover, gestaltest du sie selber oder machen das andere? Und noch eine: Wie kommst du auf die Titel? Dauert es lange einen passenden zu finden?

FTI: Hallo Sarah, ich lasse die Cover von Jacqueline Spieweg machen. Meistens biete ich ihr einen Anhaltspunkt, eine Idee und sie bastelt daraus etwas, das ich im ersten Entwurf schon annehme. Manchmal liefere ich ihr auch eine ganz handwerklich entstandene künstlerische Vorlage. Zum „Haus der Jugend“ habe ich die Figuren aus einem alten Münchner Stadtplan geschnitten und eingescannt, Für die „Anpassung“ habe ich auf ein Bild zurückgegriffen, das ich 1996 im Februar mal für eine Ausstellung gemalt hatte. Und mit der Vorlage zaubert dann Jacqueline.
Mit den Titeln tue ich mich schwer. „… wenn es Zeit ist …“ ist unter dem Arbeitstitel „Metaatem“ entstanden, eine Wortspielerei, die ich gern auch als Titel genommen hätte, die aber sicher für den Verkauf schlecht gewesen wäre. Meist ergeben sich meine Titel aus dem Inhalt oder einer sich im Buch wiederholenden Phrase.

Manuela: Falls die Frage nicht zu persönlich ist, würde mich interessieren, was Schreiben ihm bedeutet und welchen Stellenwert diese LEIDENschaft in seinem Leben einnimmt.

FTI: Hallo Manuela, ich kann die Frage eigentlich nur in der Umkehrung beantworten. Es gibt oft lange Phasen, in denen ich gar nicht schreibe. Und ich kann mir mein Leben dann lange Zeit so einrichten, dass ich nichts zu vermissen scheine. Jedenfalls spüre ich es nicht. Aber irgendwann werde ich gereizt, depressiv, unausstehlich und unausgeglichen. Und wenn das der Fall ist, weiß ich, ich habe viel zu lange nicht geschrieben. Ich glaube, das Problem kennt jeder, der durch die ganz normale Notwendigkeit, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, um das Schreiben gebracht wird. Ich empfinde jede Kreativität für mich als lebensrettend. Aus dieser Notwendigkeit hat sie sich bei mir entwickelt. Entsprechend mürrisch muss sie reagieren, wenn der profane Alltag sie erstickt.

Hier die Gewinner des Leserinterviews:


Gewinner: Bernd


Gewinner: Manuela


Gewinner: Sarah

Sonderpreise

Gewinner: Mana


Gewinner: Anna

Herzlichen Glückwunsch!
Alle Gewinner melden sich bitte bei mir mit Angabe ihrer Adresse und Signierwunsch (Florian wird die Bücher für euch signieren und direkt zu euch schicken).

Alle anderen bekommen demnächst eine neue Chance – die nächste Special Week darf Brunhilde Witthaut (Laurent Bach / Corinna Bach) bestreiten. Ende September geht’s los – schaut vorbei!

Vielen Dank an alle Teilnehmer, Florian Tietgen für die tolle Unterstützung, die Geduld und natürlich die Bereitstellung der Gewinne 🙂

Bis zum nächsten Mal,
Juliane

[GEWINNSPIEL] Florian Tietgen

Banner Special Week

Die letzten fünf Tage habt ihr mehr über Florian Tietgen und seine Bücher erfahren – sogar Siegfried und Darius standen Rede und Antwort. Zum krönenden Abschluss der Special Week habt ihr nun die Chance die drei vorgestellten Bücher (“… wenn es Zeit ist…”, “Aus sich hinaus” und “Haus der Jugend”) vom Autor signiert zu gewinnen.

Dafür müsst ihr lediglich eine Mail an Koriko@gmx.de schicken und weitere Fragen an Florian Tietgen oder an die Charaktere seiner Bücher stellen. Ihr dürft euch jede Figur rauspicken, die ihr schon immer mal löchern wolltet, allerdings stellt bitte nicht mehr als drei Fragen, damit Florian genug Zeit hat, euch zu antworten. Ansonsten ist eurer Fantasie keine Grenzen gesetzt – ihr könnt allgemeine oder auch spezielle Fragen stellen, je nachdem ob ihr bereits Bücher und Geschichten von Florian Tietgen gelesen habt.

Alle Fragen, die im Laufe der kommenden Woche gestellt werden, werden bei der Gewinnerbekanntgabe beantwortet und als Leserinterview auf diesem Blog präsentiert.

Eure Fragen könnt ihr bis zum 15.06.2015 24.06.2015 an die oben genannte Mailadresse schicken (bitte im Betreff “Gewinnspiel Florian Tietgen” angeben) – sie werden gesammelt und an den Autoren weitergeleitet. Unter allen Teilnehmern verlose ich nach Zufallsprinzip folgende Bücher:

1. Platz: “Haus der Jugend” – signiert und mit Widmung
2. Platz: “… wenn es Zeit ist …” – signiert und mit Widmung
3. Platz: “Aus sich hinaus” – signiert und mit Widmung

An dieser Stelle bedanke ich mich bei Florian Tietgen für die Bereitstellung der Gewinne.

Hinweise:
1. Florian freut sich über Kommentare, Anmerkungen und Feedback zu seinen Werken, sprich ihr könnt gerne einige Worte an ihn richten 🙂
2. Solltet ihr das ein oder andere Buch bereits besitzen, sagt mir in der Mail Bescheid – ich versuche beim Auslosen Rücksicht darauf zu nehmen, damit niemand Bücher doppelt bekommt.

Florian und ich sind gespannt auf eure Fragen, Ideen und Antworten – die Gewinner und das Leserinterview werden am 20.06.2015 30.06.2015 auf diesem Blog präsentiert. Wir freuen uns auf eure Teilnahme.

[INTERVIEW] Florian Tietgen

Wir nähern uns dem Ende der Special Week und wie gewohnt habe ich kurz vor der Verlosung und dem Leserinterview mein eigenes Interview mit Florian Tietgen im Gepäck. Euch erwarten tolle Einblicke in sein Leben, seine Werke und was er mit seinen Büchern verbindet. Wer mehr über ihn und seine Bücher erfahren will (immerhin wurden nur einige wenige hier vorgestellt), der sollte sich auf seiner Homepage umsehen:

http://www.floriantietgen.de

Bitte erzähl uns ein wenig mehr von dir. Was machst du in deiner Freizeit?
Schreiben ist doch Freizeit. Zum sportlichen Ausgleich trainiere ich kleine Fußballer, was jeden Nachmittag in Anspruch nimmt.

Was machst du beruflich? Inwieweit fließen Beruf und die Arbeit mit den Fußball-Kids in deine literarische Arbeit ein?
Im Moment habe ich leider aus gesundheitlichen Gründen keine regelmäßige Arbeit. Ab und zu bearbeite ich die Romane von Kollegen. Die Arbeit mit den Fußballkindern sehe ich eher als Ausgleich zum Schreiben, noch ist nichts davon in die Bücher geflossen. »Auf einen Schlag« habe ich geschrieben, bevor ich überhaupt daran dachte, mal selbst Kinder zu trainieren. Die Schauspielausbildung und die pädagogische Ausbildung fließen allerdings mit ein. Deshalb schreibe ich so gern in der ersten Person, weil ich mich dann wie ein Schauspieler in den Protagonisten fühlen und denken kann und die Welt mit dessen Augen sehen. Die pädagogische Ausbildung bewirkt, dass ich so oft aus jugendlicher Perspektive schreibe, obwohl ich schon ein alter Knacker bin.

Wann hast du mit dem Schreiben begonnen? Gab es einen Auslöser, der dich zum Schreiben brachte?
Ich kann mich an keinen Auslöser erinnern. Es gab schon immer Zeiten, in denen ich viel geschrieben habe und welche, in denen ich es gar nicht getan habe. Das begann in der Grundschule und ist bis heute so. Als Kind habe ich mich dabei häufig an den Büchern orientiert, die ich gerade gelesen habe, Enid Blyton in der Grundschule, Simmel oder Böll in der Pubertät. Die Kombination ist ungewöhnlich, aber als Dreizehnjähriger unterscheidet man die Literatur nicht nach gängigen Kriterien, da zählt nur, was einem gefällt. Ab dreizehn habe ich dann Liedtexte geschrieben, so absurd es klingt, zunächst inspiriert von Gunther Gabriels „Hey Boss, ich brauch mehr Geld“. Ich habe aber erst als Fünfzehnjähriger Gitarre gelernt, um sie zu vertonen. Und konsequent geschrieben und daran gearbeitet, habe ich ab 2003. Zwei Jahre zuvor hatte ich zwar schon die erste Fassung zu „Ein tiefer See“ geschrieben, aber erst 2003 habe ich Kurzgeschichten.de entdeckt, mich da registriert und es genossen, auf einmal so viel weiterbringendes Feedback zu bekommen, an dem ich mich schreibend entwickeln konnte. Und oft habe ich da gedacht, das hätte ich gern als Jugendlicher schon gehabt.

Hast du schon damals beschlossen, homoerotische Literatur zu verfassen oder gingen deine Anfangstexte in eine andere Richtung?
Das habe ich nie beschlossen. Ich empfinde sie auch gar nicht als homoerotische Literatur. Meine Hauptfiguren sind halt oft schwul. In einem meiner Liedtexte kam es mal vor und in den Geschichten ist es einfach entstanden. Ich mache mir beim Schreiben nie Gedanken über ein Genre oder eine mögliche Zielgruppe. Dass meine Figuren oft schwul sind, hat viel mehr mit meiner eigenen Sehnsucht nach tiefen Freundschaften zu tun.

Wie viel Zeit brauchst du, um ein Buch zu schreiben? Gibt es irgendwelche festen Prozeduren, wenn du schreibst, oder ist das bei jedem Buch anders?
Das ist sehr unterschiedlich. Ich schreibe eher langsam, aber es gibt Stoffe, die sich wie von selbst schreiben. Und meist lasse ich die Bücher dann auch noch lange liegen, bevor ich sie noch mal überarbeite, ganz viel wieder streiche, an der Satzmelodie feile. Am liebsten ist es mir, wenn ich morgens um acht beginne und bis mittags schreibe. Dann komme ich auch am besten voran. Aber das lässt die Notwendigkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen nicht zu.

Was sind Deine aktuellen Projekte? Auf was können sich die Leser als Nächstes freuen?
Zurzeit arbeite ich an einer Geschichte um einen fiktiven Hit zur Zeit der Neuen Deutschen Welle und den Mann, der den als damals Sechzehnjähriger gesungen hat. Toll wäre es, eine Band zu finden, dir diesen fiktiven Hit im Vorfeld einspielt und ein Video davon auf den entsprechenden Plattformen veröffentlicht. Gerade E-Books bieten da ja tolle Möglichkeiten, solche Videos verlinkt auch in die Geschichte zu integrieren. Diesen Zusammenklang unterschiedlichster Kreativität finde ich spannend.

Deine Bücher entsprechen nicht ganz den gängigen Gay Romanen, sind sie doch frei von Klischees und Stereotypen. Was hat dich bewogen, in deinen Romanen andere Themen aufzugreifen, als die genretypischen Motive?
Es klingt immer arrogant, wenn ich antworte, ich schreibe ja nicht leserorientiert, aber das meine ichnicht als Sockel, sondern als Fundament. Ich kann eine Geschichte nur schreibend verfolgen, wenn ich sie spannend finde, wenn mich die Figuren reizen und ich auch Lust habe, ihnen so nahe zu kommen, wie es das Schreiben erfordert. Schließlich verbringe ich viel Zeit mit ihnen. An Menschen reizt mich die Brüchigkeit, die Liebe, die Schuld, das, was beides mit ihnen macht und wie sie sich dem stellen oder sich davon erlösen lassen. Mich reizt ihre Tiefe und ich hadere oft damit, dass andere diese Tiefe viel eindringlicher erfassen und erzählen können, verbeuge mich aber gleichzeitig ehrfurchtsvoll davor. Am „Haus der Jugend“ reizte mich die Konstellation von Veränderung und Konstanz. Und in der Konstellation von Homosexualität und Gesellschaft finden wir beides. Es hat sich unglaublich viel zum Positiven verändert, aber die Vorurteile sind konstant geblieben, auch, wenn sie sich auf weniger Menschen verteilen. Und beides Veränderung und Konstanz erleben Menschen passiv und gestalten es dennoch.
Und dann kommt erst die Frage, wie ich das erzähle, um für die LeserInnen vor allem eine interessante Welt zu gestalten, in der sie sich während des Lesens aufhalten möchten, vielleicht einmal innehalten, sich aber vor allem wohlfühlen und dennoch Spannung erleben. Verzeih die lange Antwort, aber ich bin der Überzeugung, LeserInnen und Geschichten gewinnen einfach mehr, wenn die Autoren ihre Themen aufgreifen. Und da komme ich auf das „bewogen“ zurück. Ich kann nur schreiben, was mich bewegt.

Auch enden deine Romane teilweise offen, oder bieten Platz für Spekulationen. Ist dies Absicht und hast du schon einmal interessante Diskussionen über deine Bücher geführt?
Absicht ist es in sofern, dass das Leben, an dem ich als Autor und auch die Leser ein paar Seiten und Stunden lang teilhaben durften, ja weiter geht. Ich mag diese Form des Loslassens. Ihr (die Protagonisten) seid jetzt auf einem guten Weg, es gibt mal mehr, mal weniger Hoffnung für euch, ihr habt die Aufgaben erledigt, seid mal gescheitert, habt mal bestanden, und jetzt lasse ich euch euren Weg selbst gehen, denke ab und zu an euch und treffe ich euch vielleicht in einem anderen Buch wieder. Und darüber habe ich in der Tat schon spannende Diskussionen geführt.
Die meisten Diskussionen führe ich allerdings weniger über offene Enden, sondern über Reizpunkte in Geschichten. In einer habe ich mal einen schwulen linken Autonomen nach einer Demonstration mit einem Stein auf einen Neonazi gehetzt. Die Situation eskalierte, weil der junge Mann immer wütender darüber wurde, wie erotisch und anziehend er den Nazi fand. Über diese Geschichte habe ich richtig viel diskutiert.

Mit welchem deiner Romane hast du dich zum ersten Mal einem schwulen Protagonisten gewidmet?
Das war kein Roman, das war die Erzählung »Ein tiefer See«. Die ist 2001 entstanden, nachdem ich auf einem Internetportal namens »Nicstories« einige Geschichten von einem Autor namens Thomas gelesen hatte. Ich habe den tiefen See dort auch eingereicht, eine sehr nette Antwort von Nic erhalten, er hätte die Geschichte zur Beurteilung an genau diesen Thomas weitergereicht und sie hätten beschlossen, sie nicht auf die Seite zu nehmen. Auch der Thomas schrieb mich noch an. Der Grund lag nicht in der Qualität der Geschichte, sondern in deren Verantwortungsgefühl. Sie hatten Angst, ein missbrauchter Junge könnte sich seines Missbrauchs erst durch diese Geschichte gewahr werden und dann wie Ole aus dieser Geschichte reagieren.

Wie viel fließt aus deiner Erinnerung, deinem Umfeld und deinen Erfahrungen in deinen Büchern?
Das ist unterschiedlich, aber ich glaube fast, der unbewusste Anteil davon ist noch größer als der Teil, den ich bewusst dafür nutze. Schauspieler machen es ja auch so, um authentisch in ihre Rolle zu schlüpfen. Dabei nutzen sie das Grundthema. Betrauern sie in ihrer Rolle den Vater, nutzen sie eigene Verlusterfahrung, eigenen Schmerz, um den Zuschauer die Trauer in der Geschichte spüren zu lassen. Ähnlich ist es ganz sicher nicht nur bei mir beim Schreiben. Dass meine Erfahrungen leider auch bitter sind, teile ich ja mit vielen. Meiner eigenen Kindheitserfahrung komme ich in der Figur Ole in »Ein tiefer See« und in Martin in »Kopfsprünge und der Rücken von Mark Spitz« am nächsten. Allerdings habe ich da sehr viel an direktem Geschehen verändert.

„Haus der Jugend“ hat durchaus philosophische Ansätze. War dies Absicht, oder kam das beim Schreiben?
Das kam eindeutig beim Schreiben. Wenn ich versuche, absichtlich philosophisch zu sein, wird es trocken und langweilig.

Mit wem der beiden Männer identifizierst du dich am meisten – Siegfried oder Darius?
Mit Siegfried, auch, wenn ich noch nicht so weit bin, wie er es ist. Aber diese grüblerische Melancholie, die durchaus auch mit Pragmatismus gepaart ist, kenne ich ganz gut. Siegfried ist aber glaube ich selbstbewusster als ich es bin.

Im Buch gibt es nur teilweise eine Erklärung für Darius‘ ewige Jugend. Hast du für die Leser weitere Informationen zu der fantastischen Komponente deines Buches?
Ich habe daran lange überlegt, auch, weil ich fürchtete, die Geschichte könnte in dieser Form der Auflösung als unstimmig empfunden werden. Ich bin dann aber zu der Entscheidung gekommen, dass mehr Informationen der Geschichte schadeten. Zum einem bestünde die Gefahr eines langweiligen Infodumps am Schluss, zum anderen mag ich diesen unklaren Grenzverlauf zwischen Realität und Fantasie. Bei Darius auch deshalb, weil der Jugendwahn ja durchaus zu den Klischees über schwules Leben gehört.

Auch in „… wenn es Zeit ist …“ baust du eine fantastische Komponente ein. Was reizt dich daran, diese in deine Bücher einzubauen?
Für mich gehört die Fantasie zum Leben. Sie bereichert uns und gibt uns vor allem die Kreativität, reale Probleme zu lösen. Fantasie und Wissen oder Realität lassen sich nicht trennen. Mich selbst reizt daran, dass ich mithilfe der fantastischen oder surrealen Elemente oft Realität viel pointierter treffen kann. Die besondere Gabe von Henrik passt nicht in eine wissenschaftliche Welt, junge Menschen mit weltlicheren Begabungen kämpfen aber oft mit den gleichen Ambivalenzen, mit denen sich Henrik auseinandersetzen muss. Nur lässt sich das in diesem fantasievollen Element für jeden nachvollziehbarer gestalten. Und ich bilde mir ein, für den Leser auf diese etwas versponnene Art auch reizvoller. Als Autor bin ich ja der Reiseführer durch die Welt der Geschichte.

Wie sehr kannst du dich mit Henrik identifizieren?
Das fällt mir leicht. Ich neige leider zu seinem Jähzorn, auch, wenn der sich nicht in körperlicher Gewalt äußert, sondern bei mir bleibt. Mein Urgroßvater besaß die Fähigkeit, mittels Besprechung zu heilen. Das hat er auch bei mir mal gemacht. Als Kind hatte ich entsetzlich viele Warzen auf der Stirn. Ein bisschen von dieser Fähigkeit hat er auf mich übertragen. Auch Henrik ist ein grüblerischer Zweifler, anders als ich scheint er aber etwas aus seinem Potenzial machen zu können.

Das bedeutet, dass die Geschichte durchaus auf realen Erlebnissen basiert, mehr noch: sie betrifft dich persönlich. Baust du in deine Romane immer wieder kleine reale Ereignisse ein oder persönliche Aspekte?
Ich drücke es mal anders aus. Ich nutze mein Leben als Fundus für erfundene Geschichten. Manchmal führe ich auch Dinge zusammen. Meine Mutter ist sogar in dem Haus groß geworden, das ich für diesem Roman Henriks Oma zugedacht habe. Den beschriebenen Garten gab es auch wirklich, allerdings haben wir nie darin gewohnt. Die Handlung, der Vater, der Schulverweis oder der verständnisvolle Schuldirektor sind frei erfunden. Die Ohrfeige wegen des Klassenwürgens bei der Vokabel Spinat habe ich aber wirklich kassiert und leider auch zurückgegeben.

Da das Buch relativ offen endet – planst du vielleicht einmal eine Fortsetzung?
Für dieses Buch hatte ich schon drei Enden geschrieben und zur Veröffentlichung dann das vierte. Im kitschigsten davon endete es mit einem Besuch Henriks bei Jan im Krankenhaus, ausgerechnet ein Pastor als dessen Bettnachbar, der die beiden ermuntert, ihre Liebe zu leben. Für mich war diese Geschichte an diesem Punkt zu Ende, weil sich ab da alles nur noch wiederholen könnte. Henrik hat begriffen und angenommen, dass er anders ist. Der Kampf darum ist abgeschlossen. Wenn sich aus den Konsequenzen neue Konflikte ergeben, ist das eine andere Geschichte. Eine Fortsetzung habe ich bisher nicht geplant, aber vielleicht tritt der erwachsene Arzt Henrik ja irgendwann wieder in meine Fantasie und erzählt mir, wie er mit den Erkenntnissen umgegangen und sein Leben weiter verlaufen ist. Dann lasse ich gern wieder daran teilhaben.

Wie bist du auf die Idee gekommen, Henrik mit diesen Fähigkeiten auszustatten?
Durch ein Buchprojekt des Website-Verlags, an dem wir mit der Seite kurzgeschichten.de teilgenommen hatten. Bei der Themen- und Titelsuche für unseren Beitrag schlug jemand »Metaatem« vor. Wir entschieden uns damals für etwas anderes, aber der Betreiber und ich mochten den Vorschlag so sehr, dass er mich bat, dazu eine Geschichte zu schreiben. Da ich zu dem Zeitpunkt zufällig die Besprechungsformeln meines Urgroßvaters zugeschickt bekommen hatte, lag der Gedanke nah, diese Fähigkeit mit dem Atem zu verbinden und für das Meta zu überhöhen.

Sind die Formeln, die du im Buch verwendest die deines Urgroßvaters? Glaubst du an derartige Befähigungen?
Nein, ich habe eigene Formeln entwickelt. Die meines Urgroßvaters bleiben streng geheim. Es ist komisch, ich bin ja ein politisch denkender Mensch, der gern seine Fantasie benutzt, was solche Befähigungen betrifft, bin ich aber sehr zwiegespalten. Glaube – egal an was oder wen – wird so oft benutzt, um daran zu verdienen, um gesellschaftliche Ungerechtigkeiten zu legitimieren, um Menschen zu manipulieren. Glaube hat aber auch eine ungeheure Kraft, kann die Selbstheilungskräfte aktivieren und helfen, Grenzen zu überwinden. Deshalb möchte ich auch als eher wissenschaftlich denkender Mensch solche Befähigungen nicht nur nicht ausschließen, sondern auch nicht missen. Der Glaube gibt oft die gerade in der Medizin wichtige Zuversicht, weiterzukämpfen.

Was hat dich dazu bewogen, die Geschichte so sprunghaft zu erzählen?
Das ist schwer zu sagen. Ganz sicher hätte sie chronologisch viel zu viele Längen gehabt. Sie hätte dann auch in der dritten Person erzählt werden müssen. Mein Gefühl riet mir zu Assoziationsketten als dem der Geschichten am hilfreichsten dienendem Stilmittel. Wenn Henrik uns anhand der Gegenwart in die Flashbacks seiner Entwicklung nähme, könnten wir uns in der Geschichte bewegen wie bei einer Städtereise. Heute diese, morgen jene Sehenswürdigkeit.

Mit welchem deiner Bücher oder Charaktere verbindest du etwas Besonderes?
Mit Simon aus »Ein tiefer See.« Ich wäre gern wie er und hätte auch gern einen Freund wie ihn. Seinetwegen habe ich mich in Internetforen lange Zeit immer nur als »sim« angemeldet.

Wird man irgendwann Sim wiederbegegnen oder ist er schon einmal in einer deiner anderen Geschichten aufgetaucht?
Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Aber ich würde mich freuen, wieder von ihm zu hören und schreiben zu dürfen, welche Wege er als Erwachsener ausprobieren und gehen durfte.

Du bist sowohl als Verlagsautor (Neobooks, Knaur) als auch als Selfpublisher aktiv? Welche Form der Veröffentlichung gefällt dir mehr?
Ich persönlich stecke da noch zu sehr in blockierenden Gedanken. Ich hätte gern einen Verlag wie Suhrkamp oder Diogenes, einen klassischen Literaturverlag. Das hat einige fürchterlich eitle, aber auch einige ganz pragmatische Gründe. Die eitlen stecken in meinem Wunsch, in der Welt der Feuilletons ernst genommen zu werden, als Künstler akzeptiert zu sein und dadurch natürlich auch über den stationären Buchhandel andere Verkaufsmöglichkeiten für meine Bücher zu habe, die ich nicht erst selbst erschließen muss. Das hat etwas von einem Künstler, der von seinen Werken zwar nicht leben kann, aber stolz auf deren Aushang in Galerien ist, auf die Vernissagen, das Geschwätz. Ich merke aber bei jeder Buchmesse, ich werde diesen Status nicht erlangen, selbst, wenn ich noch so gut arbeite und schreibe (wozu mir auch noch viel fehlt). Mir fehlt einfach diese Haltung, die ich bei diesen Menschen erlebe. Und da kann ich das Kreuz auch noch so sehr durchdrücken, die Schultern noch so gerade tragen. Ich weiß nicht, wie man diese Haltung erlangt.
Als Selfpublisher brauche ich die auch, da beeinflusst sie aber vor allem den Verkauf, nicht jedoch, ob ich überhaupt veröffentliche. Ich hänge noch immer in dem Gedanken, es sei ein Makel, nicht verlegt worden zu sein, obwohl ich weiß, dass es einem auch Freiheiten bietet, was die Gestaltung und die Vermarktung betrifft und Autoren der Unterhaltungsliteratur ohne Verlag sogar oft besser verdienen.

Was empfiehlst du Jungautoren? Den Gang zum Verlag, oder der Versuch in Eigenregie?
Den Selbstbewussten mit hoher Frustrationstoleranz immer beides. Weil sie auch durch das Feedback bei den Absagen weiterkommen. Den weniger Selbstbewussten kann man im Grunde kaum etwas raten. Es frustriert einfach, egal ob man nicht verkauft oder das Buch nicht genommen wird. Ich würde zumSelfpublishing raten, wenn der Verlag nur als E-Book erscheint. Es ist im Moment leider noch nicht egal, ob ein Buch auch im Print oder nur als E-Book erscheint. Und beim Print vor allem durch große Verlage sind die Chancen, sich durchzusetzen größer.
Für alles, was nicht zur Unterhaltungsliteratur gehört, sehe ich nur außerhalb dieser Selfbublishingnetzwerkamazon-Parallelwelt eine reelle Chance. Aber wie gesagt. Ich bin da auch noch sehr in blockierendem Denken verhaftet.

Gibt es zu Deinen Charakteren lebende Vorbilder?
Der eine oder andere inspiriert mich sicherlich, aber keiner wandert 1 zu 1 in eine Geschichte. »Wozu brauche ich Niko?« zum Beispiel habe ich nach der Geschichte eines Freundes geschrieben. Bei »Anpassung« trägt die Geschichte Spuren eines Mannes, den ich bei meinen Recherchen kennengelernt habe und der es mir vor allem ermöglichte, mit seinen Kindern darüber zu sprechen, wie sie diese Zeit erlebt haben.

Hast Du als Autorin Vorbilder? Was inspiriert Dich?
Wahrscheinlich immer die, die ich gerade selbst lese, egal, ob es Murakami ist oder Shalev, Schami oder Hesse. Ich denke so oft »boah, so würde ich gern schreiben können«, dass es viele Vorbilder gibt, aber vor allem zu viele, um einem davon wirklich zu folgen, anstatt meine eigenen Stil zu entwickeln.

Wie lang begleiten dich gelesene Bücher, deren Protagonisten, Handlung und das Zusammenspiel im Nachgang?
Es gibt Bücher. Die mich ewig begleiten. Tunströms »Solveigs Vermächtnis« oder auch sein »Der Dieb« zum Beispiel. Ich habe sie nicht mehr Satz für Satz im Kopf, aber wenn ich an sie denke, spüre ich immer noch die Wärme und die orgastische Begeisterung, die ich beim Lesen oft hatte. Ähnlich geht es mir bei den Büchern »Der Junge und das Meer« von Aitmatow oder »Wenn die Wale fortziehen« von Rychteâu. Aber ich könnte auch »Trapez« von Zimmer Bradley nehmen. Der Leitsatz »Halte es von der Plattform« hat sich mir als Aufforderung, persönliche Kränkung nicht die professionelle Arbeit beeinflussen zu lassen, tief eingegraben.

Du schreibst auch Krimis. Was reizt dich an diesem Genre?
Krimis kann ich nicht, obwohl ich gerade »Schuld« ein spannendes Thema finde. Wie wirkt sie sich auf ein weiteres Leben aus? Davon sind auch meine wenigen Krimis inspiriert. Auch hier finde ich das Motiv eines Menschen spannender als die Ermittlung. Was macht Menschen zu Tätern? Was lässt sie für den Moment ihrer Tat oder darüber hinaus glauben, sie handelten richtig oder sie hätten keine andere Chance? Ich finde Krimis aber für mich auch deshalb schwer, weil ich als Konsument so wenig Spannung vertrage.

Welche Genre würden dich noch interessieren?
Schwer, ich bin gegen diese Einteilung von Literatur in Genres. Ein Geschichte ist eine Geschichte ist eine Geschichte … – und wenn diese Geschichte einen fliegenden Elefanten braucht, um erzählt zu werden, wird dieser fliegende Elefant auftauchen. Ich habe noch nie verstanden, warum, obwohl Lesen doch den Horizont erweitern soll, ausgerechnet in der Literatur Grenzen und Schubladen geschaffen werden, weder als Leser noch als Autor. Als Leser merke ich aber immer einen starken Widerwillen gegen Geschichten, die fast nach dem Baukastenprinzip zusammengesetzt sind, um ungeschriebene Genrevorgaben zu erfüllen. Und ich tue mich schwer damit, zu verstehen, wenn mir Menschen sagen, sie läsen ausschließlich diese oder jene Bücher. Das ist mir zu eng.

Wie tief geht Deine Recherche zu Deinen Büchern?
Die Tiefe bleibt immer gleich, der Aufwand, sie zu erzielen, ist von Buch zu Buch verschieden. Das hängt von der eigenen Erfahrungswelt ab. Da ich 1955 noch nicht gelebt habe, musste ich für das »Haus der Jugend« zum Beispiel Interviews mit Menschen führen, die diese Zeit als junge Schwule gelebt haben, um aus deren Sicht ein Gespür für die Atmosphäre zu bekommen. Für »Anpassung« habe ich zunächst in thematischen Internetforen geschildert, was ich vorhabe, und dann bin ich bis in die Schweiz gereist, um Interviews mit Kindern Transsexueller zu führen. In diesen Interviews habe ich gelernt, wie sehr ich meinen Vorurteilen aufgesessen wäre, hätte ich sie nicht geführt. Ich studiere Wetterkarten der in einer Geschichte geschilderten Tage, lese die alten Zeitungsartikel zu den politischen und historischen Ereignissen der Zeit. Ich könnte eine Geschichte nicht im August 1961 spielen lassen, ohne den Mauerbau zu berücksichtigen, nicht mal in Tokio. Dazu haben manche Dinge die Menschen zu sehr bewegt. Selbst, wenn sie in der Geschichte nicht vorkommen, prägen sie die Zeit und die Menschen.

Wie wichtig ist das Thema Liebe und Romantik für Deine Bücher/Dich?
Romantik ist ein starker Ausdruck der Sehnsucht nach Harmonie. In Geschichten bietet sie dem Leser etwas, das er sich für sein Leben wünscht, aber nicht immer besitzt. Mit romantischen Motiven bin ich vorsichtig, weil der eine als Kitsch erlebt, was der nächste romantisch findet. Am schönsten finde ich es als Leser, wenn mir ein Buch hilft, die Romantik in Dingen zu finden, die ich habe. Im Duft von Kamillentee, der immer etwas von liebevoller Sorge in sich trägt, im Flügelschlag einer Schwalbe, im durch Strandgras verdichteten Blick aufs Meer. Wenn ich bei einem Buch die Augen schließen und den Thymian riechen kann, der gerade beschrieben wurde, ohne an mein Gewürzregal zu gehen.
Liebe ist so mächtig, dass sie seit Anbeginn der Geschichten diese initiiert. Das beginnt schon bei der Schöpfungsgeschichte, zieht sich über Koran und Bibel fort und ist heute nicht anders. Liebe tötet und Liebe heilt, Liebe opfert und fordert Opfer. Liebe ist das Motiv für Verbrechen, aber auch das, sich zu überwinden. Sie ist unser wirksamstes Medikament, hat aber auch die grausamsten Nebenwirkungen. Sie kann in keiner Geschichte der Welt fehlen, auch, wenn es sich manchmal nur um die Liebe zu Dingen handelt, oder um die Liebe zur Macht, oder die zum Sport. Und wenn es in einer Geschichte keine Liebe gibt, macht die Liebe sich in genau dieser Geschichte gerade deshalb zum Thema.

Wie stehst Du zum klassischen romantischen “Gay Romance”? Könntest Du in diesem Bereich schreiben?
Ich nehme an, ich könnte es, aber es reizt mich bisher nicht. Vor 5 Jahren hätte ich vielleicht sogar nicht gefragt, warum man sich freiwillig ein literarisches Getto wählt und es Genre nennt. Inzwischen hat sich die Situation Homosexueller in einigen Ländern drastisch verschärft und auch hier ist die Akzeptanz wieder gesunken. Dennoch wäre ich für eine Literatur, in der es am Ende völlig egal ist, ob sich zwei Männer oder zwei Frauen oder Mann und Frau lieben, solange die Geschichte berührt.

Liest Du Gay Romance oder bist du eher ein Fan realistischer Gay-Romane? Wie sieht es allgemein mit denen Buch-Vorlieben aus?
Gay Romance ist einfach ein Etikett, ich kann mit diesem Begriff nicht so viel anfangen. Wenn er Menschen eine Orientierung bietet, in der sie die Bücher finden, bei denen sie sich wohlfühlen, ist er in Ordnung, die Gefahr der literarischen Gettos empfinde ich dennoch dabei. Persönlich lese ich Bücher nicht danach. Ich lasse mich gern verzaubern, zum Beispiel von der Erzählkunst Rushdies oder Schamis,
ich reise gern in die Welten Murakamis, lese Paul Auster oder Ralf Rothmann, zuletzt Meir Shalev, lese sie alle langsam und genieße den Sprachfluss.

Wie findest du den deutschen Markt im Gay Bereich? Wo siehst du ihn (und dich als Autor) in ein paar Jahren?
Ich wünsche den KollegInnen in diesem Bereich, dass der Markt sich hält. Der Literatur wünsche ich eher, dass Grenzen abgebaut und Schubladen geöffnet werden. Auch, weil sich unter den Romanen für diese Zielgruppenschublade viele Geschichten finden, die jeder lesen sollte.
Ich selbst werde als Autor sicher so erfolglos bleiben, wie bisher, obwohl ich sicher bin, auch sprachmelodisch werden meine Bücher reifer.

Was würdest du deine Leser fragen, wenn du etwas wissen möchtest?
Gar nichts. Ich fände das ähnlich eitel wie die Klischeefrage »Wie war ich?« Ich bin neugierig auf die Menschen, auf ihr Leben und die Bedingungen, in denen es stattfindet. Ich würde sie höchstens fragen, was sie zu erzählen hätten.

Deine Worte an die Leser?
Schön, dass ihr eure Sinne öffnet, um die Bücher und die darin enthaltenen Gedanken einzulassen.

Vielen lieben Dank für das tolle, informative Interview.

[ROMAN] Aus sich hinaus von Florian Tietgen

Autor: Florian Tietgen
Taschenbuch:  190 Seiten
ISBN: 978-1495376146
Preis: 3,99 EUR (eBook) | 9,99 EUR (Taschenbuch)
Bestellen: Amazon

Story:
Fünf Kurzgeschichten und Erzählungen, in denen es um Liebe, Coming-Out, Freundschaft und Tod geht. Fünf Erzähler, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die jedoch eine Sache miteinander verbindet: ihre Homosexualität. Sei es Daniel aus der Geschichte „In lautem Gedanken“, der seit dem Tod der Mutter gegen das Schweigen seines Vaters bestehen muss und sich im Schwimmbad in Addy verliebt, oder Simon, der in der Erzählung „Ein tiefer See“ dem gleichaltrigen Ole während einer Klassenfahrt einen Platz in seinem Einzelzimmer anbietet und mit Gerüchten über seine sexuelle Orientierung und Vorurteile zu kämpfen hat. Sie sind ebenso schwul wie Mika („Und was ist mit deinem Vater?“), der der Frage nach seinem Vater beharrlich ausweicht, bis es Benedikt gelingt, hinter die Fassade zu blicken und das schreckliche Geheimnis zu enthüllen.

Neben den drei längeren Erzählungen enthält die Sammlung noch die Kurzgeschichten „Die Wette“ und „Tausend Stecknageln“.

Eigene Meinung:
Mit „Aus sich hinaus“ legt Florian Tietgen eine gelungene Geschichtensammlung vor, die sowohl zum Nachdenken anregt, als auch Grundlage für Diskussionen bietet. Wie nicht anders gewohnt, bietet der Autor keine leichte Kost, sondern wagt sich an ungewöhnliche Themen und ausgefallene Protagonisten. Leser, die bereits Romane von Florian Tietgen kennen, wissen um seine Vorliebe für tiefgründige Ideen, realistische Figuren und seinen ansprechenden, erwachsenen Schreibstil – und werden auch dieses Mal nicht enttäuscht. weiterlesen…

[CHARAKTERINTERVIEW] Siegfried und Darius aus “Haus der Jugend”

Das folgende Charakterinterview entstand nach dem Lesen von “Haus der Jugend”. Aus diesem Grund lassen sich natürlich Spoiler nicht vermeiden, wenngleich nicht alle Geheimnisse rund um Siegfried und Darius gelüftet werden. Es lohnt sich, das Buch zu lesen – aktuell ist das eBook für 0,99 Euro zu haben!

Der Schwimmponton an den Hamburger Landungsbrücken, mitten im Gewühl, dort, wo schon der Name des Restaurants Steak und Fisch offeriert, treffe ich mich mit Darius und Siegfried. Ein naheliegender Ort, haben die beiden sich doch dort nach 50 Jahren wieder getroffen. Sie sitzen schon, als ich ankomme. Beide erheben sich sofort, als sie mir die Hand geben. Darius kommt um den Tisch, zieht den Stuhl nach hinten, damit ich mich setzen kann. Wir bestellen uns Kaffee.
„Keinen Grog?“, frage ich Siegfried.
„Nein, es ist ja kein Winter.“

Juliane: Zunächst einmal heiße ich euch beide Willkommen und freue mich sehr, dass ihr euch bereit erklärt habt, mir einige Fragen zu beantworten.

Siegfried und Darius: Wir haben zu danken.

Juliane: Meine erste Frage richtet sich daher auch an euch beide, da mich natürlich brennend interessiert, wie es euch ergangen ist, nachdem ihr Darius „befreit habt“. Da der ein oder andere nicht genau weiß, was mit euch geschehen ist, wäre vielleicht ein kleiner Abriss ganz gut – natürlich ohne zu viel zu verraten.

Darius: Nachdem wir das Haus der Jugend verlassen haben, habe ich immer gewartet, dass irgendwas passiert.
Siegfried: Im Auto habe ich immer nach rechts geschaut. Ich hatte Angst, gleich eine lederne Leiche dort sitzen zu haben und Darius wieder zu verlieren.
Darius: Der kurze Abriss. Wir sind in eine einsame Gegend in Schleswig Holstein gefahren, um dem Haus das aktuellste Gemälde zu opfern, das Siegfried von mir gemalt hatte.

Juliane: Wie viel Zeit ist seitdem vergangen und wie habt ihr inzwischen euer gemeinsames Leben gestaltet. Ich gehe doch recht in der Annahme, dass ihr euch nicht mehr trennen werdet, oder?

Siegfried: Irgendwann werde ich sterben. Ich bin jetzt 80 Jahre alt, damals war ich 70. Wir hatten noch zehn Jahre, das ist viel mehr, als wir während der Rückfahrt damals zu hoffen gewagt hätten.
Darius: Ich altere. Allerdings nicht rapide, sondern ich habe mich einfach wieder in den biologischen Rhythmus gefügt. Ich helfe Siegfried, wo immer ich kann und freue mich, dass er noch so gut beieinander ist.
Siegfried: Die Menschen glauben, du wärest mein Pfleger. Das ist gut. Sonst würden sie dumme Fragen stellen.
Darius: Du brauchst gar keinen Pfleger. Natürlich bleiben wir zusammen und hoffen noch auf viele Jahre.

Juliane: Zehn Jahre also schon – das ist immerhin ein wenig Zeit, die ihr zusammen verbringen könnt, wenn man bedenkt, dass euch fast 50 Jahre trennen. Dass Darius als jugendPfleger angesehen wird, ist da wahrscheinlich wirklich gut, aber ich stelle mir das auch schwierig vor.
Hast du in den letzten Jahren deine damalige Entscheidung eigentlich bereut, Siegfried? Immerhin hättest du auch einen anderen Weg einschlagen können.

Siegfried: Welche Entscheidung hätte ich bereuen sollen? Als wir damals erneut in das Haus der Jugend gefahren sind, um den Fluch zu beenden, wusste ich, ich müsste offen und neugierig sein. Ich hatte keine Gewissheit, was passieren würde. Aber ich würde mich immer wieder so entscheiden.
Schwierig war es erst danach, Darius eine legale Identität zu verschaffen.

Juliane: Ich meinte eigentlich deine Entscheidung aus dem Jahr 1955. Ich stelle es mir schwer vor, wenn dich über 50 Jahre vom Partner trennen.

Siegfried: 1955 hatte ich keine Wahl …
Darius: Das Aloisiushaus hat dir keine Wahl gelassen …
Siegfried: Ob das Haus oder das Leben, ich hatte keine. Bereut habe ich nur manchmal, wie weh ich Heinrich getan habe. Die treue Seele hat mich geliebt und hat sogar das Gespenst Darius ertragen. In jedem Bild.

Juliane: Oh, dann habe ich das falsch verstanden – ich hatte gedacht, dass du 1955 durchaus die Wahl hattest, so zu werden wie Darius, dich aber dagegen entschieden hast.

Siegfried: Nein, das hast du schon richtig verstanden, aber diese Option schreckte mich so sehr, dass ich sie als Wahlmöglichkeit gar nicht wahrgenommen hatte.

Juliane: Das kann ich verstehen – ich glaube, es würde jeden erschrecken ewige Jugend im Austausch für sein Erinnerungsvermögen zu erhalten. Dass du es schwer hattest, Darius, kann ich mir vorstellen. Wie habt ihr das hinbekommen? Immerhin ist es nicht mehr so leicht einen Ausweis zu „fälschen“ wie damals.

Darius: Mit dem Pass hatten wir Glück. Ich hatte ja noch in München einem Toten den Ausweis abgenommen. Komischerweise hatte den nie jemand als verstorben gemeldet. Und mit viel Überzeugungskraft konnten wir das Geburtsdatum als Eingabefehler glaubhaft machen. Vielleicht haben wir auch nur so lange genervt, bis sie ihre Ruhe haben wollten.
Siegfried: Du und deine Geschichten. Ich habe immer noch gute Bekannte …

Juliane: Wie war das bei dir Darius? Jetzt wo du alterst und nicht mehr unter dem Bann des Hauses stehst – ist bei dir die Erinnerung an deine Vergangenheit zurückgekehrt?

Darius: Nein, leider blitzen höchstens mal kleine Erinnerungen auf, die Provence, ein Moment am Meer. Meist so, wie es jeder auch von sich kennt. Eine Situation wirkt, als hätte ich sie schon einmal erlebt.
Siegfried: Manchmal kannst du auch im Gespräch mit mir plötzlich etwas erzählen, fast als wäre es wichtig, dass du dich erinnerst.
Darius (lachend): Siegfried, hör auf, den Fluch des Aloisiushaus’ neu zu beschwören.

Juliane: Das bringt mich zu der Frage: Ist euch in all der Zeit der „Wolpertinger“ eigentlich jemals wieder begegnet?

Siegfried: In den letzten zehn Jahren ist er uns nicht mehr begegnet – oder dir?
Darius: Nein, mir auch nicht, was schade ist. Ich kann nicht mehr einfach in die Taschen greifen und habe das Geld, das ich gerade brauche oder das Stück Schinken.

Florian01

Juliane: Haha, das ist natürlich ein Problem. Jetzt musst du wirklich arbeiten, oder? Was machst du denn beruflich, Darius? Jetzt wo du quasi sesshaft geworden bist?

Siegfried: Er müsste nicht arbeiten, er möchte aber.
Darius: Ich möchte es für mich. Ich genieße es, mal keinen Drecksjob zu erledigen. Und du hast mir schon das Studium finanziert. Kannst du dir vorstellen, wie großartig es war, endlich auf dem Papier zu existieren und deshalb studieren zu können?
Siegfried: Er hat Energie- und Umwelttechnik studiert und arbeitet jetzt beim TÜV.
Darius: Und ich fühle mich endlich als Teil dessen, was ich tue. Ich bräuchte tatsächlich nicht zu arbeiten (gibt Siegfried einen Kuss), aber ich freue mich auf die Arbeit, und wenn ich dort bin, freue ich mich darauf, nach Hause zu kommen. Ganz schön spießig, oder?

Juliane: Nachdem man mehrere Jahrhunderte ohne Erinnerungen gelebt hat, ist es verständlich, dass man sich nach Normalität seht. Wie sieht es denn mit deinen Fähigkeiten aus? Früher konntest du doch die Geschichten der Menschen „aus der Haut“ lesen. Geht das jetzt immer noch?

Darius: Nein, das kann ich nicht mehr.
Siegfried: Bei mir machst du es aber immer noch.
Darius: Nur, weil ich dich so gern berühre. Und ich kenne dich gut genug.

Juliane: Vermisst du diese Fähigkeit?

Darius: Nein, ich habe sie selbst, als ich sie hatte, nur ganz selten angewendet. Ich hatte irgendwann keine Lust mehr, mir die Geschichten der Menschen zu erfühlen. Vielleicht habe ich das als eine merkwürdige Art Treue Siegfried gegenüber empfunden, niemandem mehr so nahe zu kommen?
Siegfried: Du hast dich doch nicht mal an mich erinnert.
Darius: Deshalb merkwürdig, weil ich dennoch das Gefühl habe, du warst immer da.

Juliane: Wie war das überhaupt in der Zeit, in der ihr euch nicht gesehen habt – Darius hat ja Siegfried vergessen und umgekehrt. Und was für ein Gefühl war es, als ihr euch eines Tages zufällig wiedergesehen habt.

Siegfried: Ich habe ihn nicht ganz vergessen, sonst hätte ich ihn ja nicht wieder und wieder malen können.
Darius: Es war weniger ein Erkennen, ich wäre ja an ihm vorbeigelaufen. Aber als er mich ansprach, war es eine Gewissheit, wie man sie manchmal hat, bevor etwas geschieht. Jetzt ist es für immer. Als wüsstest du schon bei der Abgabe eines Lottoscheins, du hast mindestens fünf Richtige. Du kannst es nicht wissen, dennoch bist du sicher. Aber erst, wenn du dann wirklich 5 Richtige hast, wird dir vollkommen bewusst, dass du es schon bei der Abgabe gewusst hast.
Siegfried: In Talkshows würde man an dieser Stelle immer sagen, um das zu erfahren, müsste man das Buch nur kaufen.
Darius: Du wirst ganz schön frech auf deine alten Tage.
Siegfried: Ohne Frechheit hätte ich als Schwuler die Sechziger-Jahre nicht überlebt.

Juliane: Na dann sag ich das an dieser Stelle – wer mehr dazu erfahren will, sollte sich das Buch kaufen. Florian hat eure Geschichte immerhin sehr gefühlvoll zu Papier gebracht. Findet ihr, dass Florian eure Geschichte passend erzählt hat? Oder gibt es da Beschwerden?

Siegfried: Ich finde, er hat mir gut zugehört. Manchmal hätte er etwas weniger blumig …
Darius: Hör mal, du bist Maler, das hat er umgesetzt.
Siegfried: So gesehen passt es natürlich.
Darius: Ich kann wenig dazu sagen, auch da hoffe ich, er hat meine Geschichte besser getroffen, als ich sie erinnere. Aber wenn ich das Buch lese, bin ich zufrieden damit.

Juliane: Und? Wird er irgendwann einmal wieder die Ehre haben, etwas über euch zu schreiben? Ich meine 10 Jahre sind vergangen, da ist doch sicherlich auch das ein oder andere passiert.

Siegfried: Wenn ich so sinniere, müsste ich ihm vielleicht noch mal über die Jahre mit Heinrich erzählen …
Darius: Ja, das würde mich auch interessieren. Und du könntest vielleicht etwas bei ihm gutmachen?
Florian06Siegfried: Ja, aber das kann ich auch mit ihm allein ausmachen. Er liebte die Öffentlichkeit nicht so sehr.

Juliane: Ganz entlassen seid ihr damit noch nicht. Ich habe jetzt herausgefunden, was Darius beruflich so treibt, allerdings interessiert mich auch, wie es bei Siegfried aussieht. Was macht die Malerei? Bist du immer noch als Künstler aktiv?

Siegfried: Nein, ich hatte das ja schon aufgegeben, bevor ich Darius wiedergetroffen habe und bin dann nur für dieses letzte Gemälde von ihm ins Atelier zurückgegangen.
Ich zeichne nur noch beim Telefonieren.

Juliane: Wie schade … fehlt dir das Malen und zeichnen nicht manchmal?

Siegfried: Nein, es ist, als hätte ich im übertragenen Sinne mein Haus aufgeräumt und nichts mehr zu tun. Ich habe alles gemalt, was es für mich zu malen gab.
Darius: Dafür entwickelst du bei den Bildern junger Kollegen aber noch ganz schön aktiv Ideen, wie man das Thema auch hätte umsetzen können.
Siegfried: Ideen gehen ja nicht aus. Aber es sind nicht meine Bilder. Und die Jungen haben ein gutes Gespür, was sie annehmen und was überhaupt in die Zeit passt.
Darius schmunzelt.
Siegfried: Er hat ja recht, ich gehe immer noch gern in Galerien und Museen, aber mein Pinsel bleibt an seinem Haken an der leeren Staffelei.

Juliane: Was mich auch interessiert, ist, ob du jemals auch andere Modelle für deine Bilder verwendet hast? Seinen Partner Heinrich zum Beispiel.

Siegfried: Heinrich mochte es nicht, wenn ich ihn malte. Ich habe es mal aus dem Gedächtnis gemacht und ihn auch gut getroffen, nur eine Kohlezeichnung, aber er hat verlangt, dass ich sie vernichte.
Dabei hat er es genossen, die unterschiedlichsten Klänge und Rhythmen mit seinen Fingern auf meiner Haut zu erzeugen. Wie als Kind mit dem Zweig auf meiner Lederhose. Aber malen durfte ich ihn nicht.
Und wahrscheinlich hätte ich das jetzt auch besser nicht erzählt.

Juliane: Warum? Denkst du, dass Heinrich wirklich ein Problem damit gehabt hätte?

Siegfried: Er hielt sich gern bedeckt. Deshalb hat er ja auch lieber als Studiomusiker gearbeitet. Da blieb er im Hintergrund und niemand wurde auf ihn aufmerksam. Nach der Geschichte in der Kinderverschickung vielleicht kein Wunder.

Juliane: Kinderverschickung?

Darius: Davon hat Florian im Roman auch geschrieben. Unter den Nazis wurden Heinrich und Siegfried aufs Land geschickt. Und nachdem Heinrich beim Wandern mit einem Zweig immer auf Siegfrieds Lederhose geschlagen hat, gab es eine drastische Strafe. Im Roman wird es ein bisschen als Traum dargestellt.

Juliane: Ah – ich erinnere mich. Dann will ich da gar nicht weiter nachhaken, sondern verweise mal ganz dreist auf den Roman. Zurück zu Heinrich. Über ihn erfährt man ja leider nicht viel. Könntest du uns mehr über ihn verraten? Wie hast du ihn kennengelernt und wie habt ihr gemeinsam gelebt?

Siegfried: Ich kannte ihn ja seit meiner Kindheit. Als er später in einer Zeitung von meiner ersten Ausstellung las, meldete er sich bei mir. Er trommelte immer noch auf allem, spielte immer noch Klavier.
Aber wir konnten erst zusammenziehen, als ich mir das Haus leisten konnte. Er war da. Er verkaufte meine Bilder, handelte die Preise aus, telefonierte mit den Galerien und Museen. Und ab und zu spielte er für irgendwelche Sänger die Klavierparts auf die Schallplatte. Nur zu den Konzerten fuhr er für niemanden mit.
Darius: Ich habe ein paar Aufnahmen gehört. Deutscher Schlager.
Siegfried: Den hat er gehasst. Aber er spielte so gerne Klavier, dass es ihm egal war.
Darius: Er hat gut gespielt.

Juliane: Lebt er noch? Und wenn ja, hat er Darius jemals kennengelernt?

Siegfried: Nein, er ist schon lange, bevor Darius wieder aufgetaucht ist, gestorben.

Juliane: Das tut mir leid. Wie glaubst du, hätte er auf den Mann reagiert, der dich zu all diesen Bildern inspiriert hat?

Siegfried: Ich weiß es nicht. Ich habe ja auch Heinrich wirklich geliebt, nur ist die Sehnsucht eben so viel heißer als die Liebe der Gegenwart. Die Liebe zu Heinrich war so selbstverständlich, deshalb brannte sie nicht so sehr.
Und das hat er sicher gespürt, auch, wenn er es sich nie anmerken lassen hat. Vielleicht hätte er Darius’ Rückkehr als Erlösung empfunden, vielleicht als Bedrohung seiner

Florian05

Der Autor – Florian Tietgen

Sicherheit. Wir waren bis zu seinem Tod zusammen.
Darius: Mach dir kein schlechtes Gewissen, ich konnte an deiner Haut fühlen, wie sehr du ihn geliebt hast.

Juliane: War Heinrich der einzige Mann, mit dem du zusammen warst, von Darius einmal abgesehen? Es ist schon etwas Besonderes, mit jemandem eine solch lange Zeit sein Leben zu teilen.

Siegfried: Es war es vor allem zu dieser Zeit. Trotz der Bedrohung durch Gesetze und Erpresser haben wir sie ja genossen. Keine Konzentrationslager mehr, keine rosa Winkel. Und wenn auch als Subkultur, es gab Läden, in denen wir uns aufhalten konnten. In München und auch in Hamburg. Und wo man Freiheit empfindet, selbst, wenn sie nicht wirklich da ist, feiert man sie zunächst. Und das natürlich auch mit Männern.
Darius: Ich beneide dich immer um Heinrich, um die jahrelange Treue. Ich hatte das nie. Und ich glaube, auch die nicht verfluchten Männer, mit denen ich schlief, hatten das häufig nicht. Viele gingen hinterher nach Hause zu ihrer Frau, die sie sicher schätzten, bei der ihnen aber immer etwas fehlte. Und niemand konnte dafür. Ihr musstet ja immerhin noch 13 Jahre in der Gewissheit durchhalten, dass eure Liebe eine Straftat war.
Siegfried: Das machte uns komischerweise nur selten Angst.

Juliane: Dennoch ist das eine harte Zeit gewesen – für heutige Maßstäbe nur schwer vorstellbar. Was denkt ihr über die aktuelle Entwicklung – es wird ja viel diskutiert: Homo-Ehe, Adoption etc. Hättet ihr gedacht, dass ihr das einmal miterleben würdet?

Siegfried: 1955 sicher nicht, auch später nicht, als 68 das Gesetz dann endlich gemildert wurde. Aber irgendwann um die Jahrtausendwende schien es ja schon fast, als wäre der Kampf vorbei und gewonnen.
Darius: Ich kann dazu nichts sagen. Mein wirkliches Gedächtnis setzt erst mit der Fortsetzung der Alterung wieder ein. Alles andere ist bruchstückweise mal da, dann wieder weg. Und 2005 war ja eines der Jahre, in denen selbst die CSD-Paraden von Familien mit Kindern besucht wurden.
Siegfried: Verzeihung, die Frage war ja, was wir von der Entwicklung halten. Die finde ich natürlich großartig. Und ich wünsche den Jungen von heute, dass es weiter so zügig vorangeht.

Juliane: Ah, da mischt sich der Autor ein – das muss ich doch gleich nutzen, um mal eine Frage der etwas anderen Art zu stellen: Findet ihr, dass Florian eure Geschichte passend erzählt hat? Oder gibt es da Beschwerden?

Siegfried: Ich finde, er hat mir gut zugehört. Manchmal hätte er etwas weniger blumig …
Darius: Hör mal, du bist Maler, das hat er umgesetzt.
Siegfried: So gesehen passt es natürlich.
Darius: Ich kann wenig dazu sagen, auch da hoffe ich, er hat meine Geschichte besser getroffen, als ich sie erinnere.

Juliane: Hast du dich eigentlich jemals mit deiner Mutter aussöhnen können, Siegfried? Und wie ist deine Beziehung zu deinem Vater gewesen, nachdem du in Hamburg dein Studium begonnen hast?

Siegfried: Ich habe meine Mutter seit München nie wieder gesehen. Ich weiß nicht mal, wann mich ein Notar anrief, weil sie gestorben ist. Das war so weit weg, dass ich ihm nur gesagt habe, ein Erbe würde ich ablehnen. Und gefragt habe ich ihn, ob die Bestattungskosten gedeckt wären. Das immerhin muss man ihr lassen. Sie hat auch, als meine Bilder bekannter wurden, nicht versucht, sich wieder anzubiedern.

Meinen Vater habe ich, bis er starb, ab und zu besucht, er ist aber nie nach Hamburg gekommen, obwohl es hier so schön ist. Erstaunlicherweise war er, der einst überzeugte Nazi, viel offener. Vielleicht kann man eine Überzeugung leichter infrage stellen und sogar aufgeben, wenn es wirklich eine Überzeugung war, nicht nur Mitläufertum? Vielleicht war er aber auch ein Meinungschamäleon, dass immer die Überzeugung teilte, die es ihm an leichtesten machte, vorwärtszukommen. Nazi unter Nazis, Demokrat unter Demokraten. Und in der DDR wäre er möglicherweise Kommunist unter Kommunisten geworden. Aber den Moment, in dem er mir half, habe ich als ehrlich empfunden. Und viele andere später auch.

Juliane: Das ist schade. Aber ich denke, du hast in Hamburg auch viele Freunde gefunden. Gibt es jemanden, der euer Geheimnis kennt und Bescheid weiß?

Siegfried: Nein, nicht mehr. Einen mussten wir wegen Darius’ Ausweis einweihen. Er ist aber wie die meisten meiner Freunde schon gestorben. Das ist der Fluch des Alters.
Darius: Ich bin es ja nicht gewohnt, Freundschaften von Substanz und Dauer zu schaffen. Ich hatte immer Angst um mein Geheimnis. Und jetzt lerne ich erst langsam, Menschen zu vertrauen. Aber so tolerant ist unsere Gegenwart auch noch nicht, dass niemand das Gesicht verziehen würde, wenn er von unserer Beziehung hört.

Juliane: Ja, das ist schon logisch – euch trennen ja „optisch“ knapp 50 Jahre. Was denkst du, wie es weitergehen wird, wenn Siegfried irgendwann nicht mehr da ist (natürlich wünsche ich euch noch viiiiele gemeinsame Jahre, aber man weiß ja nie…)?

Darius: Das lasse ich auf mich zukommen. Dank des Studiums bin ich ja sicher, nicht vor Langeweile umzukommen. In dem schönen Haus hier werde ich wohnen bleiben können.
Ich hoffe, wenn es in vielen Jahren mal wirklich so weit sein sollte, bin ich in der Lage, Freundschaften zu schließen. Aber von mir aus kann Siegfried gern so alt werden, wie ich es bin.
Siegfried: 150? Oder wie alt bist du?
Darius: Ich kann mich doch nicht erinnern.

Juliane: Das würde mich jetzt auch interessieren. Das kann man allerdings im Buch zumindest erahnen, wenn man sich die Passagen über Darius genau ansieht – finde zumindest ich.

Darius: Ganz genau weiß ich es wirklich nicht, dazu reichen die schlaglichtartigen Erinnerungen nicht aus. Ich kann es auch höchstens ahnen.

Juliane: Vielleicht kommt ja irgendwann mehr zurück. Es wäre auf jeden Fall interessant.
So langsam will ich euch aber mit meinen Fragen in Ruhe lassen – ihr habt mehr als genug Geduld mit mir gehabt und euch viel Zeit für mich genommen – ich danke euch.

Darius und Siegfried: Wir haben zu danken, es hat Spaß gebracht.

Juliane: Ich wünsche euch noch alles erdenklich Gute und viele schöne Jahre zusammen – vielleicht ist ja auch irgendwann eine Zeit gekommen, in der wir mehr von Heinrich hören – ich bin mir sicher, Florian wird dann ein geduldiger Zuhörer und Chronist sein.

Darius und Siegfried: Das wird er.


Jetzt habt ihr die Möglichkeit Siegfried und Darius ebenfalls Fragen zu stellen! Schickt sie einfach an Koriko@gmx.de – ich leite sie entsprechend weiter. Alle, die sich bereits jetzt daran beteiligen, nehmen automatisch am Gewinnspiel teil, das am Samstag startet und bei dem es signierte Bücher von Florian Tietgen zu gewinnen gibt.

[ROMAN] Haus der Jugend von Florian Tietgen

Autor: Florian Tietgen
Taschenbuch:  216 Seiten
ISBN: 978-1492912132
Preis: 9,99 EUR
Bestellen: Amazon

Story:
München in den 50er Jahren: Das Leben des jungen Siegfried läuft trotz seiner Homosexualität zufriedenstellend. Ihm fehlt nur noch die Praktikumsbescheinigung des Theaters, bei dem er arbeitet, dann kann er auf der Universität Kunst und Design studieren. Sein Leben nimmt eine Wendung, als er Darius auf dem Theatervorplatz begegnet und sich zwischen den beiden mehr entwickelt. Als Siegfried kurz darauf dank der Verleumdung eines Arbeitskollegen seine Stellung verliert, ist es Darius, der ihn auffängt und davon überzeugt ihn für eine Woche in eine einsame Berghütte zu begleiten. Siegfried kommt tatsächlich zur Ruhe, doch eines Nachts verschwindet Darius plötzlich spurlos.

Siegfrieds Suche nach Darius bleibt erfolglos, auch in den kommenden Wochen findet er keine Spur. Erst 50 Jahre später treffen sich die beiden in Hamburg wieder: Siegfried ist über 70 Jahre alt und ein bedeutender Künstler geworden, und Darius hat sich überhaupt nicht verändert. Er ist weder gealtert, noch hat er Siegfried je vergessen …

Eigene Meinung:
Der deutsche Autor Florian Tietgen hat bereits mehrere Romane und Novellen herausgebracht, teils als Selfpublisher, teils über Knaur-Tochter neobooks, wo er eine eigene Edition hat. Neben Krimis veröffentlicht er regelmäßig Erzählungen und Geschichten mit homosexuellen Hauptcharakteren, zu dem auch der Roman „Haus der Jugend“ gehört. weiterlesen…

[ROMAN] … wenn es Zeit ist … von Florian Tietgen

Autor: Florian Tietgen
Taschenbuch:  212 Seiten
ISBN: 978-1491285527
Preis: 3,99 EUR (eBook) | 9,99 EUR (Taschenbuch)
Bestellen: Amazon

Story:
Der sechszehnjährige Henrik unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von seinen Mitschülern und ist zeitgleich seinem prügelnden Vater erschreckend ähnlich, da auch er den Hang hat seiner Wut die Zügel zu lassen und um sich zu schlagen. Zeitgleich stecken vollkommen ungeahnte Fähigkeiten in ihm, die er sich nicht erklären kann. So sieht er die farbigen Auren, die Menschen umgeben und ist in der Lage Verletzungen, Krankheiten und Brüche allein mit seinem Atem zu heilen. Allerdings glaubt daran eher seine Freundin Michi, während Henrik die meiste Zeit damit beschäftigt ist, seine Wut zu kontrollieren und sein Leben zu meistern. Als er einem Kind nach einem Autounfall das Leben rettet und die Presse auf den Wunderheiler aufmerksam wird, ändert sich Henriks leben schlagartig – zum einen bittet ihn sein Mitschüler Jan um Hilfe, den er schon längere Zeit mag, zum anderen drängt sich die geheimnisvolle Kiste seiner Großmutter immer stärker in seine Gedanken, die er erst öffnen darf, wenn es Zeit ist …

Eigene Meinung:
Der vorliegende Roman stammt aus der Feder von Florian Tietgen, der bereits etliche Romane und Novellen geschrieben hat. Zu seinen bevorzugten Genres gehören Krimi und Thriller, jedoch auch belletristische Werke und Jugendbücher, die zumeist durch homosexuelle Hauptfiguren aus der breiten Masse hervorstechen, zu dem auch „… wenn es Zeit ist …“ gehört. weiterlesen…

[ANKÜNDIGUNG] Special Week: Florian Tietgen

Banner Special Week

Morgen ist es endlich soweit – die Special Week rund um Florian Tietgen und seine Werke beginnt. Freut euch auf neue Rezensionen, zwei tolle Interviews und ein abschließendes Gewinnspiel. Wer schon jetzt neugierig ist und etwas von Florian lesen möchte, kann bis zum Ende der Special Week den wundervollen Roman “Haus der Jugend” für nur 0,99 € auf allen gängigen Plattformen (u.a. Amazon) erwerben. Lasst euch die Chance nicht entgehen – es lohnt sich.

Hier die einzelnen Stationen der Special Week:

01.06. Rezension: “… wenn es Zeit ist …”
02.06. Rezension: “Haus der Jugend”
03.06. Charakterinterview Siegfried und Darius
04.06. Rezension: “Aus sich hinaus”
05.06. Interview Florian
06.06. Gewinnspiel – Leserinterview

Wir sehen uns ab Morgen 🙂